Kultur | SALTO Weekend

Unser eigenes Ding

Clara Schönthaler, Matthias Fleischmann und Max Gurschler arbeiten an einem Videoformat, das bald reichlich Würze in die etwas lahme Südtiroler Debattenkultur bringt.
Die Macher der Südtiroler Blinddates
Foto: Südtiroler Blinddates

salto.bz: "Südtiroler Blinddates" nennt sich Euer engagiertes Videoprojekt. In einem Land, in welchem eigentlich "Blindwatten" Volkssport ist, ist so ein Vorhaben natürlich gewagt. Was könnt ihr nach den ersten Aufnahmen verraten?

Matthias: Bei den Dreharbeiten hat sich gezeigt, dass das Konzept hier in Südtirol ziemlich gut funktioniert. Die bisherigen Gespräche waren richtige Knüller. Ich glaube, das liegt vor allem an der unkonventionellen Dynamik, die durch das blinde Aufeinandertreffen entsteht. Das Date-Setting trägt sicherlich auch dazu bei: Die Gäste sind am Anfang meist nervös, da es auch für sie etwas Neues und Ungewohntes ist. Aber sobald das Essen auf dem Tisch steht, kommen sie sich spannenderweise immer ein Stückchen näher. Momente aufgeheizter Diskussion gibt es aber auch zur Genüge. Ich bin gespannt, wie das Ganze beim Südtiroler Publikum ankommt.     
 

Unser Projekt ist etwas total Experimentelles.


Eure Initiative macht auch – ich sage es mal so – blindlings augenscheinlich, dass Politik sehr wohl etwas ist, was interessieren kann, sofern das Format der Vermittlung ansprechend ist. Ist ohne gute Verpackung alles hinfällig?

Max: Verpackung und Inhalt kann man so nicht trennen. Es gibt in der Medien- und Informationswelt keine fixen Inhalte, über die man verschiedene Verpackungen stülpt, um etwas spannender oder unterhaltsamer zu machen. Wohl eher sind die Form und was sich inhaltlich daraus ergibt eng miteinander verbunden. Unser Format holt die Politiker*innen aus ihrer eingeübten Medienroutine und lässt damit etwas ganz Neues entstehen: eine Authentizität, die man so in Südtirol von Politiker*innen bisher nicht kennt.     
 

Drehvorbereitung: Die Spannung steigt... / Bildquelle: Südtiroler Blinddates


Es gab auch Absagen bei Euren Blinddates. Sind die Südtiroler und Südtirolerinnen weniger für Medienformate zu haben, wo sie nicht im Detail wissen, was sie erwartet? Außer "Pro und Contra" auf Rai Südtirol gibt es ja kaum eine politische Debattenkultur…

Max: Ich glaube in Südtirol gibt es vor allem in der Politik – aber nicht nur – zu wenig Bereitschaft für das, was eigentlich liberaldemokratische Selbstverständlichkeit sein sollte: sich der Diskussion und Konfrontation stellen müssen, ja auch eine gewisse Rechtfertigungspflicht für seine politischen Handlungen zu haben.     
 

Einige Gäste haben sogar nach Drehschluss noch beim Kaffee weitergeredet.


Warum ist die politische Debattenkultur in Südtirol irgendwie noch auf Kindergarten-Niveau. Ist das Land zu klein? „Die Partei“ zu groß? Oppositionsparteien nur Mittelklasse?

Matthias: Ich glaube das hat damit zu tun, wie in Südtirol (und auch anderswo) allgemein mit Meinungsverschiedenheiten umgegangen wird. Zwischen militantem Gegeneinander und Harmoniebedürfnis fehlt uns ein großes Stück gesunde Konfrontation. Leute werden entweder in Pro und Contra eingeteilt oder verbiegen ihre Ansichten, um einer Parteilinie treu zu bleiben. Zu deinem Kindergartenvergleich: Ich glaube, dass im Sandkasten oft sogar konstruktiver debattiert wird als etwa im Südtiroler Landtag.

Wie läuft ein "Südtiroler Blinddates"-Dreh? Wie lange sprechen die Gesprächspartner*innen? Und auf wie viele Minuten wollt Ihr die Gespräche in Euer vorgesehenes Format pressen?

Clara: Zwei Personen, entweder aus der aktiven Politik oder dem öffentlichen Leben, setzen sich gemeinsam an einen Tisch. Vor dem Treffen haben sie keine Ahnung, wer ihr Gegenüber sein wird. Das Lokal haben wir immer bewusst so gewählt, dass es einen Bezug zu den Gesprächsthemen hat. Der Austausch ist meist lang und leidenschaftlich – wir filmen etwa anderthalb Stunden lang, wie sie diskutieren und essen. Einige Gäste haben sogar nach Drehschluss noch beim Kaffee weitergeredet. Wir werden das Ganze dann auf etwa 30 bis 40 Minuten schneiden. Das wird eine Herausforderung.     
 

Clara, Matthias und Max: Immer für ein Blinddate zu haben... / Bildquelle: Südtiroler Blinddates


Mit Euren Blinddates füttert Ihr gern und üppig auch die verschiedenen Kanäle in den sozialen Medien. Wie läuft die Erreichbarkeit? Findet ein Medienprojekt großen Anklang, über welches man nicht zu viel verraten möchte, aber dennoch vermitteln muss?

Clara: Es ist tatsächlich nicht so leicht, regelmäßig zu posten und gleichzeitig nicht zu viel zu verraten. Bis jetzt haben wir nur versucht, Neugier zu wecken. Aber die Gesprächsthemen und die Identität der Gäste haben wir weitestgehend geheim gehalten. Daher ist unsere Followerschaft ziemlich überschaubar, aber das ändert sich dann hoffentlich, sobald wir mehr über die Folgen verraten können und auch Clips von den besten Sagern auf Social Media veröffentlichen werden.     
 

Wir haben unser eigenes Ding daraus gemacht.


Wer hatte denn eigentlich die Idee für dieses Projekt?

Matthias: Mit der Idee hat uns Max im letzten Sommer überfallen. Angelehnt an die Election blind dates des BBC wollte er in Südtirol ein politisches Dating-Format ausprobieren, um den öffentlichen Diskurs vor den kommenden Wahlen aufzumischen. An der Idee gefeilt und sie ausgearbeitet haben wir dann zusammen im Team. Mit der britischen Vorlage haben die Südtiroler Blinddates mittlerweile wenig zu tun. Wir haben unser eigenes Ding daraus gemacht.

Es gab auch Anlaufschwierigkeiten, zunächst nur mäßiges Interesse von Medien-Partnern. Vielleicht auch Angst vor Neuem?

Max: Das stimmt. Nach anfänglicher Zusage von Rai Südtirol für eine Teilfinanzierung und -ausstrahlung der Serie gab es dort einen Rückzieher, woraufhin wir auch unseren Produzenten verloren haben. Auch andere bekannte Medien-Partner zeigten kaum Interesse oder machten uns sogar lächerlich. Ich glaube aber, das hat weniger mit Angst vor Neuem zu tun und mehr mit einem Generationsunterschied. Passenderweise schaffen es die betroffenen Medien-Partner halt auch nicht wirklich unsere Generation zu erreichen.     
In erster Linie sind an den Absagen jedoch veraltete und festgefahrene Strukturen schuld. Unser Projekt ist etwas total Experimentelles. Nicht nur war es risikobehaftet, sondern die Fernsehsender wussten nicht mal wo sie uns hätten einordnen können und was mit dem Format anfangen. Zum Glück gibt es auch Medien, die offener sind für solche Experimente und die jungen Leuten wie uns die Chance geben, sich unter Beweis zu stellen. Wir möchten uns an dieser Stelle explizit bei Salto und Südtirol Heute für ihre Unterstützung bedanken.

Im August geht`s dann los. Eure Blinddates werden dann im regelmäßigen Abstand zu sehen sein – mitunter auch auf Salto.bz. Werden sie so „heiß“ wie der Sommer?

Alle drei: Bestimmt!     
 

Südtiroler Blinddates: Die etwas anderen Sommer-Gespräche... / Bildquelle: Südtiroler Blinddates

 

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Profil für Benutzer Evi Keifl
Evi Keifl Sa., 15.07.2023 - 17:54

Ohhh! Endlich mischt jemand dieses verschnarchte Land auf! Hoffentlich gelingt‘s! Ich drück die Daumen und bin sehr gespannt!!!

Sa., 15.07.2023 - 17:54 Permalink