Bühne | Theater

„Welche Mythen wir erzählt bekommen“

Fürs Rotierende Theater steht heute Abend eine Premiere an, da im Kapuzinerkeller in Klausen „Perseus und Andromeda“ gespielt wird. Die junge Regisseurin im Gespräch.
Perseus & Andromeda
Foto: Florian Dariz
  • Bei Fakten wie bei Märchen lohnt es sich stets, im Hinterkopf zu behalten, wer diese erzählt. Das für wechselnde Besetzung bekannte junge Laientheater mit Experimentiermut hätte uns ohnehin neugierig gemacht, wie der gewählte Stoff behandelt wird. Umso mehr ist dies bei mir allerdings der Fall, da SALTO Redakteur Nathan Merlo auf der Bühne zu sehen sein wird. Aber auch für Außenstehende bietet das Altertum oft noch Spannung, so auch für die Regisseurin Magda Giraldoni.

  • Magda Giraldoni: „Gäbe es eine Disney-Version von Medea, dann würden mehr den Mythos kennen.“ Foto: Florian Dariz

    SALTO: Frau Giraldoni, „Perseus und Andromeda“ ist das erste Stück, für das Sie den Text geschrieben und Regie geführt haben. Wieso befassen Sie sich in Ihrer ersten Arbeit gleich mit dem klassischen Altertum?

     

    Magda Giraldoni: Es ist so, dass wenn ich über Themen nachdenke, die mich interessieren, darüber was ich erzählen möchte, ich mich nicht frage: „Welchen griechischen Mythos gibt es?“ Es kommt von selbst und ich habe auch andere Texte über griechische Mythen. Seit ich denken kann, beschäftige ich mich mit antiker griechischer Kultur und Mythologie. Sie inspiriert mich einfach. Es ist nicht so, dass ich mit Vorsatz handle, es geschieht automatisch. 

     

    Glauben Sie, junge Menschen heutzutage haben eine andere Beziehung zu Sagen des klassischen Altertums als vielleicht noch die Generation ihrer Eltern? Oder ist das schon so weit weg, dass sich da nicht so schnell etwas an der Sicht auf die Texte ändert? 

     

    Das ist extrem schwierig, weil es so viele verschiedene Sichtweisen auf die griechischen Texte gibt. Das merken Sie etwa, wenn Sie Metamorphosen* gesehen haben, was ich leider nicht geschafft habe, weil wir Proben hatten. Es gibt die, die sagen, sie finden es langweilig und verstaubt. Die Generation unserer Eltern hat, glaube ich, auch nicht mehr so großen Bezug gehabt, vielfach. Ich weiß nicht, wo das aufgehört oder angefangen hat. Ich glaube, die Jungen können heutzutage teilweise noch weniger damit anfangen. Oder auch nicht, es gibt Ausnahmen.

     

    Wenn Sie glauben, man kann heutzutage vielleicht weniger mit dem Thema, mit dem Themenfeld, anfangen, warum wollen Sie es doch vermitteln? Was glauben Sie, können uns diese Mythen heute noch geben und sagen?

     

    Ich finde, dass nur weil die Leute nicht immer einen Bezug zu den Geschichten haben, das nicht heißt, dass sie nicht wichtig sind. Sie sind sehr spannend. Das ist durch meine Erfahrung mit griechischen Mythen und der griechischen Kultur, wo ich für ein Jahr gelebt habe, geprägt. Oft ist das Interesse an Mythen da und wenn ich mit den Leuten spreche, dann sagen sie, es würde ihnen der Zugang fehlen. Auch wenn der fehlt, es ist oft doch eine Sehnsucht oder ein Wunsch da. Die Mythen sind für mich auch so etwas wie Erinnerungen des Menschen. 

    Wenn da der Bezug verloren geht, geht Erinnerung verloren. Ich finde, es ist wichtig, sich zu erinnern und es finden sich darin Sichtweisen auf die Welt, die extrem komplex sind. Wenn Sie das verstehen, Sie eintauchen und versuchen sich einzufühlen, in das, was die Griechen da gesehen haben, dann ist die Welt etwas Kostbares, im Grunde. Alles hat einen Wert, alles hat einen Namen, hat ein Wesen oder ist eine Figur. Danach kann man nicht mehr so respektlos mit der Welt umgehen und sie kaputt machen. Darum geht es mir. Dadurch, dass heute alles so rational und verdinglicht ist, ist es im Grunde oft egal, wie man sich verhält, weil wenig Konsequenzen hat. Was auch nicht stimmt, wenn wir uns anschauen, was passiert mit der Welt. 

     

    Das rotierende Theater ist bekannt im Land als ein Laientheater, das viel an Leidenschaft in seine Produktionen steckt und ab und an in den roten Zahlen landet. Ohne in die Bücher schauen zu wollen, was ist ein Kostenpunkt beim Laientheater, der von außen unterschätzt wird?

     

    Das hängt auch vom Regisseur oder der Regisseurin ab. Je nachdem wen man da bei welchem Laientheater hat, wird er bezahlt oder nicht. Werbung ist auch etwas, was extrem hohe Kosten schafft. Bis alles gedruckt ist, bis man eine Bühne hat, kommt einiges zusammen. Auch die Fahrtspesen sind beim Laientheater oft beträchtlich. Sie werden rückerstattet und sind nicht niedrig. Das ist ein Kostenpunkt, der unterschätzt wird, der das irgendwo aber oft auch erst ermöglicht.

  • Mythen: Vielfach ist es in Geschichten auch eine Frage der Perspektive, was passiert und wie Ereignisse einzuordnen sind. Foto: Florian Dariz

    Und was glauben Sie gibt es einem Laien oder einer Laiin zum ersten Mal im Theater auf der Bühne zu stehen, was lässt sich davon mitnehmen, von so einer Erfahrung?

     

    In unserem Fall ist es vor allem das unglaubliche Getragensein in einem Team. Dann ist es auch wirklich das Selbstvertrauen. Das ist das „Ich kann das, ich mach das“ und dass die Schauspielerinnen und Schauspieler sagen können, sie fanden ihren Mut, sich nach da draußen zu stellen. Es ist egal, was die Menschen sagen, aber wenn sie etwas kritisieren, dann muss derjenige es selbst probieren. Das ist extrem mutig. Wenn man den Mut aufbringt, dann ist man ein gewachsener Mensch. 

     

    Wie geht es Ihnen mit den weiblichen Figuren im klassischen Altertum? 

     

    Man sieht, dass es zu den Männern ganz oft zu einem Männlichen auch eine weibliche Komponente gibt. Das finde ich in der griechischen Mythologie so, es ist immer eine Zwei- oder Dreiheit da. Wenn man sich da umschaut in den Geschichten, dann ist es relativ ausgeglichen. Es kommt aber darauf an, welche Mythen wir erzählt bekommen. Natürlich kennen alle den Herakles, da Disney entschieden hat, den Stoff zu verfilmen. Gäbe es eine Disney-Version von Medea, dann würden mehr den Mythos kennen. Es kommt sehr drauf an, welche Varianten man liest, welche Versionen man liest. Vielfach handelt es sich um Rezeptionen von Mythen, die es nur als Splitter gibt. Dann geht es auch darum, sich zu fragen, wer das alles rezipiert oder adaptiert hat. 

     

    Mythen sind sehr häufig fragmentarisch, ist das für Sie etwas, wo Sie als Regisseurin aktiv werden können? Sind die Lücken etwas, was Sie bearbeiten, oder versuchen Sie eher, sich an dem zu orientieren, was da ist?

     

    Für mich sind Adaptionen an sich schon spannend. Wenn Lücken da sind, hat man große Freiheit, etwas damit zu machen. Im antiken Griechenland war das beim Theater auch schon so, dass es weniger die Frage war, was gespielt wird, sondern mehr wie etwas gezeigt wird. Es gibt von allem Adaptionen, und bei jeder Geschichte, die adaptiert wird kommt es darauf an, wie das gezeigt wird. Oft stehen dann mehr die Antigone oder die Medea im Vordergrund. Ich muss mich fragen, welche Facetten eines Mythos will ich hervorstreichen? Ich kann mir vielleicht auch andere Motivationen in einer Version vorstellen, indem ich mehr innere Facetten zeige, ohne zu einer anderen Handlung zu gelangen.

  • Vom 16. bis 28. März ist „Perseus und Andromeda“ im Kapuzinerkeller in Klausen zu sehen, mit Beginn jeweils um 20.30 Uhr (Sonntag 18.30 Uhr). Zur Reservierung und den Temine gelangen Sie hier.