Wirtschaft | Interview

„Bei uns hingegen wird nur gejammert“

Philipp Senoner, Geschäftsführer von Alpitronic, äußert sich zum geplanten Unternehmenssitz in Terlan, dem Wirtschaftsstandort Südtirol und die Expansion in die USA.
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Foto: alpitronic
salto.bz: Herr Senoner, was ist der derzeitige Stand zum neuen Betriebsstandort von Alpitronic?
 
Philipp Senoner: Wir haben unsere Unterlagen für den neuen Unternehmenssitz in Terlan seit geraumer Zeit beim Land abgegeben und sie werden derzeit von den Beamten geprüft. Ich gehe davon aus, dass unser Anliegen demnächst in die Landesregierung kommt und das Verfahren eingeleitet wird.
Die Politik muss sich überlegen, ob sie Alpitronic hier haben möchte oder nicht.
Zuvor hatte die Kommission für Raum und Landschaft der geplanten Erweiterung der Gewerbezone Enzenberg in Terlan ein negatives Gutachten ausgestellt, wo auch Ihr neuer Unternehmensstandort gebaut werden soll.
 
Die Erweiterung der Gewerbezone Enzenberg war über die Gemeinde eingeleitet worden. Dieses Verfahren wurde wegen dem negativen Gutachten gestoppt. Deshalb wird das Verfahren jetzt neu aufgerollt, wie der Landeshauptmann das auch vor einigen Monaten angekündigt hat, da unser Vorhaben ein Projekt von Landesinteresse ist.
 
 
Werden die bestehenden Lagerhallen der Frubona Obstgenossenschaft in Bozen bereits von Alpitronic genutzt?
 
Ja, aber die Hallen sind leider viel zu klein. Das ist nur eine Übergangslösung. Wir haben über einen Zeitraum von zwei Jahren in Bozen nach einem Standort für unseren Unternehmenssitz gesucht, wir konnten aber weder ein Grundstück noch bestehende Lagerhallen in dieser Größe finden. Unsere Mitarbeiter kommen aus dem ganzen Land und es ist uns wichtig, dass sie unseren neuen Unternehmensstandort mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichen können. Das wäre beispielsweise in Auer, wo es geeignete Flächen gebe, nicht der Fall. Deshalb sind wir auf Terlan ausgewichen, am liebsten wäre uns natürlich Bozen gewesen.
Die Kernländer sind Deutschland, Niederlande, Frankreich, England, Norwegen und Schweden.
Gehen Sie davon aus, dass das Verfahren für den Unternehmenssitz in Terlan erfolgreich sein wird?
 
Ich hoffe es. Die Politik muss sich überlegen, ob sie Alpitronic hier haben möchte oder nicht. Wir sind mittlerweile einer der größten Steuerzahler im Land und haben innerhalb weniger Jahre über 500 Arbeitsplätze geschaffen. Und es werden noch viele mehr dazukommen, wenn wir dürfen. Wir bieten nicht nur hochqualifizierten Menschen einen attraktiven Arbeitsplatz, sondern wir haben auch sehr viele Mitarbeiter in der Produktion, die wir deutlich über den Südtiroler Durchschnitt bezahlen.
 
Wie beurteilen Sie die öffentliche Debatte zu Ihrem geplanten Standort in Terlan?
 
Wir hören immer nur Kritik, auch von Ihrem Medium, muss ich leider sagen. In den USA, wo wir jetzt auch investieren, ist die Stimmung vollkommen anders. Im Vergleich zu Europa startet die E-Mobilität dort etwas später. US-Präsident Biden will jetzt die Automobilindustrie mit strengen Ausstoßbegrenzungen dazu bringen, das Angebot an elektrischen Fahrzeugen zu erhöhen. Damit soll auch der Wirtschaftsstandort mit lokaler Produktion von Batterien und Ladesäulen gestärkt werden.
 
Was sind Ihre Pläne für Alpitronic in den USA?
 
Wir haben dort bereits eine Gesellschaft gegründet und ein Gebäude angekauft. Dort wird man mit offenen Armen empfangen, das glaubt man gar nicht! Das Erste, was gefragt wird, ist, wie viele Jobs du schaffst. Wir wurden aufgefordert, einen Zukunftsplan für die nächsten Jahre zu erstellen, dann erhielten wir 35 Prozent des Kaufpreises für das Gebäude und den Umbau bezuschusst. Bei uns hingegen wird nur gejammert.
 
 
Sie können als dynamisches Unternehmen nicht ewig auf die Zusage in Terlan warten. Haben Sie eine Deadline?
 
Unsere Deadline wurde schon mehrmals verschoben und wir haben versucht, durch neue Standorte die Lücke zu füllen.
 
Ihnen liegt Südtirol am Herzen.
 
Natürlich. Ich bin aus München zurückgekommen und habe hier das Unternehmen mitgegründet, weil mir Südtirol am Herzen liegt. Wir wollen das Unternehmen hier weiterentwickeln.
 
Wie wurde Ihr Unternehmen gegründet?
 
Alpitronic ist 2009 im TIS (Techno Innovation Park South Tyrol) von uns vier (mit Andreas Oberrauch, Alesandro Ciceri, Sigrid Zanon, Anmerkung d. R.) gegründet worden und wir alle vier sind auch heute noch mit an Bord. Ebenso die Unternehmensanteile haben sich nicht geändert und es gibt keine externen Investoren. Das TIS war damals das Innovationszentrum, heute ist es der NOI Techpark. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, für Automobilhersteller in der Vorentwicklung, hauptsächlich im Bereich Elektromobilität (E-Mobilität), Elektronik zu entwickeln.
 
Wie hat sich Alpitronic seit der Gründung weiterentwickelt?
 
Wir arbeiteten anfangs unter anderem für BMW, Mercedes und Porsche in Vorentwicklungsprojekten, wo neue Technologien ausprobiert werden. In den ersten Jahren wuchs das Unternehmen langsam, jedes Jahr kamen ein, zwei neue Mitarbeiter hinzu. Als wir von einem Automobilhersteller den Auftrag erhielten, eine Komponente einer Ladesäule zu entwickeln und das Projekt nicht weiter fortgeführt wurde, entschieden wir uns, selbst Ladesäulen zu produzieren. Wir brachten die erste Ladesäule 2018 auf den Markt und installierten sie beim Meraner Bahnhof mit Alperia. Damals hatten wir etwa 30 Mitarbeiter. Dann ging die Entwicklung rasant nach oben. Heute haben wir sechs Standorte in Bozen und unsere gesamte Produktion findet auch hier statt. Unsere Produkte gehen hauptsächlich auf den europäischen Markt, aber auch nach Neuseeland, Australien und Mexiko. Die Kernländer sind Deutschland, Niederlande, Frankreich, England, Norwegen und Schweden.
 
Wer sind die Auftraggeber?
 
Unsere Kunden sind Öl- und Gaskonzerne wie Shell, BP, Total und Eni. Teilweise bauen sie ihre Tankstellen ab, um sie mit Schnelllader zu ersetzen, etwa in Deutschland.
Dabei hat China jetzt die Chance in diesem neu entstehenden Markt, die Vorreiterrolle einzunehmen, da es bereits früher als die deutsche Automobilindustrie auf E-Autos gesetzt hat.
Können Sie einen Moment festmachen, der die Elektromobilität auf den Markt relevant gemacht hat?
 
Es haben viele Faktoren die E-Mobilität in den letzten Jahren angeschoben. Dazu gehören der Diesel-Skandal, der Erfolg von Tesla, aber auch regulatorische Vorgaben wie das de facto Verbrenner-Aus der EU bis 2035. Denn die E-Fuels werden keine Rolle spielen.
 
Tatsächlich?
 
Das war reine Klientelpolitik und im Grunde eine Luftnummer, um dem Verbrenner die Tür offen zu halten. Laut dem Fraunhofer-Institut sind Elektroautos auf die Stromnutzung bezogen bis zu fünfmal effizienter als E-Fuels. Deswegen macht die Ausnahme für E-Fuels beim Verbrenner-Aus der EU wirtschaftlich und energiepolitisch überhaupt keinen Sinn. Es wird Nischen wie den Flug- und Schiffsverkehr geben, wo es E-Fuels braucht, aber sicher nicht im Pkw-Bereich. Erst vorige Woche hat VW E-Fuels für tot erklärt.
 
 
Welche Auswirkungen hat das Verbrenner-Aus der EU auf die Branche?
 
Die Elektromobilität wird noch einmal mehr in Schwung kommen. 2030 wird keiner mehr einen Verbrenner kaufen und der Wert des Fahrzeuges auf dem Gebrauchtmarkt wird entsprechend sinken. Außerdem wird der Sprit teurer, da durch die geringere Nachfrage auch weniger produziert wird. Da den Raffinerien dann die Skalierungseffekte fehlen, werden auch die Produktionskosten von Benzin und Diesel steigen.
 
Es ist eine kleine Revolution, oder?
 
Es ist eine große Revolution und die Motivation ist hoch, auf E-Mobilität umzusatteln.
 
Ist die EU mit dem Verbrenner-Aus ein Vorreiter?
 
Nicht unbedingt. England beispielsweise hat das Verbrenner-Verbot ab 2030 beschlossen, in Kalifornien gilt es wie in der EU ab 2035. Die US-amerikanische Regierung überlegt derzeit, Autohersteller zu verpflichten, die Abgaswerte ihrer produzierten Autos zu senken. Dabei hat China jetzt die Chance in diesem neu entstehenden Markt, die Vorreiterrolle einzunehmen, da es bereits früher als die deutsche Automobilindustrie auf E-Autos gesetzt hat. Es gibt sehr erfolgreiche chinesische Autohersteller in der E-Mobilität, die teilweise nach Europa exportieren. Die Verkaufszahlen der deutschen E-Autos in China sind hingegen sehr stark eingebrochen. Während sie bei den Verbrennern in China einen Marktanteil von über 30 Prozent haben, liegen sie beim Elektromotor bei vier Prozent.
 
Als führender Hersteller von Elektroschnellladesäulen in Europa spielen Sie bei der Verkehrswende eine wichtige Rolle. Welche Herausforderungen sehen Sie dabei?
 
Die größte Herausforderung ist es sicherlich, ausreichend Energie bereitzustellen und stabile Netze garantieren zu können. Denn die fossile Energie wird durch elektrische ersetzt und es braucht in den nächsten Jahren mehr grün produzierte Energie. Eine zweite große Herausforderung ist es, auf dem Markt erschwingliche E-Autos anbieten zu können. Bis jetzt sind die Elektrofahrzeuge vor allem im Bereich der Kleinfahrzeuge noch deutlich teurer als die Verbrenner. Bei den sehr teuren Fahrzeugen heben sich die Preisdifferenzen auf. Aber es geht darum, auch für jemanden ein E-Auto anzubieten, der dafür nicht 30 oder 40.000 Euro vorstrecken kann, die Preise müssen zwischen 15. und 25.000 Euro liegen.
Aber der Individualverkehr mit dem Pkw wird weiterhin eine wesentliche Rolle spielen, weil er auch Freiheit bedeutet.
Wieso sind die E-Autos derzeit noch so teuer?
 
Zurzeit ist die Herstellung der Batterien noch sehr kostenaufwändig, der Verbrenner-Motor kostet in der Herstellung 3 bis 4.000 Euro. Beim E-Auto kostet alleine der Speicher 7.000 Euro, weil die Rohstoffe und die Verarbeitung noch kostenintensiv sind. Deshalb wird es für die Entwicklung von Batterien neue Technologien brauchen, um günstiger zu werden.
 
Welche Rolle spielen bei der Verkehrswende Alternativen wie öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrräder?
 
Eine sehr wichtige, wie man bereits sieht. Diese Alternativen müssen ausgebaut werden. Aber der Individualverkehr mit dem Pkw wird weiterhin eine wesentliche Rolle spielen, weil er auch Freiheit bedeutet. Viele haben sich an diese Freiheit gewöhnt und diese werden sie nicht aufgeben wollen.
 
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Salto User
Günther Alois … Do., 20.04.2023 - 10:49

Eben,die E Autos für " NORMALVERDIENER" sind zu teuer! Zwischen Diesel/Benzinfahrzeugen E 6 bei einem Kleinwagen immer noch 50% zu teuer,Gleiches mit Gleichem verglichen: Beispiel VW up !

Do., 20.04.2023 - 10:49 Permalink
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Profil für Benutzer Ulrich Ladurner
Ulrich Ladurner Do., 20.04.2023 - 11:08

In Bezug zum ewigen Südtiroler Jammerer und Kritiker fällt mir noch folgendes ein:
- fehlende qualifizierte Arbeiter
- hochdotierte Arbeitsplätze vs mangelnder Wohnraum
- Zuzug auswärtiger Arbeitnehmer - „wir wollen Südtirol gutes tun“
- Industrie vs standort Obstwiese
- leerstehende Industriehallen aufgrund privater Interessen - Spekulation von Immobilien
- Industrie die massive Subventionen vom Staat/ Land erhält um überhaupt Gewinne generieren zu können

Do., 20.04.2023 - 11:08 Permalink
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Genius Universalis Sa., 22.04.2023 - 14:03

Mich wundert es tatsächlich, dass irgend ein großes, zukunftträchtiges Unternehmen noch nicht mit Pauken und Trompeten Südtirol den Rücken gekehrt hat, nachdem diese meist Jahre lang hingehalten werden, bei Grundstücken, Gewerbegebäuden, Lizenzen und so weiter, wenn in den ersten Nachbarländern alles viel schneller, billiger und rechtssicherer abläuft als hier bei uns. Mich wundert das ehrlich. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass das einmal passiert, damit die hiesige Politik einen schneidigen Rüttler bekommt. Denn hier hat sich die internationale Mentalität noch nicht breit gemacht, dass man mit ortsansässigen Unternehmern und auswärtigen, qualifizierten Arbeitskräften das Land allgemein attraktiver und den "Kuchen" für alle größer machen könnte. Tatsächlich herrscht jedoch immer noch tiefster italienischer Provinzialismus.

Sa., 22.04.2023 - 14:03 Permalink