Politik | Raumordnung

Angst vor dem Chaos

Drei Tage hängt über die Urbanistikreform noch ein Damoklesschwert. Sammelt jemand 300 Unterschriften wird Südtirols Raumordnung für Monate lahmgelegt.
edilizia
Foto: Othmar Seehauser
Rund 90 Stunden heißt es noch Zittern. Bis diesen Donnerstag 24 Uhr läuft die Frist, die Südtirols Gemeinden und die Landesverwaltung in ein noch nie dagewesenes Chaos stürzen könnte. Auch deshalb tut man alles, um diese Möglichkeit nicht an die große Glocke zu hängen. „Wenn das gewisse Kreise spitzkriegen“, sagt ein hoher SVP-Funktionär zu salto.bz, „dann sind wir erledigt“.
Innerhalb der SVP aber auch in der Abteilung Raum und Natur und vor allem in den Südtiroler Gemeinden geht seit Tagen die Angst vor einem Alptraum um. Es ist ein Alptraum, der gesetzlich verankert ist und der Südtirols Raumordnung über Nacht auf den Kopf stellen würde.
Es geht dabei um die Reform des Gesetzes für Raum und Natur. Die Eckdaten sind bekannt. Im Sommer 2018 verabschiedete der Landtag das Reformgesetz des damaligen Urbanistiklandesrates Richard Theiner. Das neue Gesetz sollte mit 1. Jänner 2020 in Kraft treten. Die eineinhalb Jahre „vacatio legis“ war aus zwei Gründen nötig. Zum einen wird in der Reform vieles an die Gemeinden delegiert und diese mussten sich erst auf die neuen Kompetenzen vorbereiten. Zum anderen sind im Gesetz über drei Dutzend Bestimmungen vorgesehen deren Umsetzung durch Durchführungsbestimmungen detailliert geregelt werden sollen, die von der Landesregierung erlassen werden. Bisher hat die Landesregierung aber nur einen Bruchteil dieser Durchführungsbestimmunen erarbeitet und genehmigt. Außerdem war man sich innerhalb der Regierungsmehrheit einig, dass einige Bestimmungen des neuen Raumordnungsgesetzes bereits vor Inkrafttreten zu überarbeiten sind.
 
 
Deshalb arbeitete man seit über einem Jahr an der Reform der Reform und an einem Aufschub des Zeitpunkts an dem das neue Urbanistikgesetz in Kraft treten wird. Diese Reform wurde im November im Landtag behandelt und verabschiedet. Demnach soll das neue Gesetz ein halbes Jahr später  mit 1. Juli 2020 in Kraft treten.
 

Bestätigendes Referendum

 
Genau dieser Fahrplan könnte jetzt aber gehörig durcheinander gewirbelt werden. Den Grund dafür liefert das Gesetz für Direkte Demokratie. Dort wurde das „bestätigende Referendum“ eingeführt. Laut Bestimmung müssen innerhalb von 20 Tagen nach der Verabschiedung eines Gesetzes durch den Landtag 300 Unterschriften gesammelt und eingebracht werden. Dann wird das Inkrafttreten des Gesetzes um sechs Monate aufgeschoben. Schaffen es die Einbringer in dieser Zeit 13.000 Unterschriften zu sammeln, kommt es zu einer Volksbefragung über das Gesetz. Werden die Unterschriften nicht vorgelegt, tritt das Gesetz mit einer sechsmonatigen Verspätung endgültig in Kraft.
Diese für die direkte Demokratie durchaus sinnvolle Regelung kann man im Fall des Raumordnungsgesetzes aber dazu nutzen, um das absolute Chaos zu erzeugen. Sammelt jemand diese 300 Unterschriften, wird nämlich nicht nur das Inkrafttreten des neuen Gesetzes um sechs Monate ausgesetzt, sondern auch die zentrale Bestimmung des Ende November genehmigten Gesetzes, wonach das Inkrafttreten der Theiner-Reform um ein halbes Jahr verschoben wird. Die Folge: Die ursprüngliche Theiner-Reform tritt dann - so wie festgelegt - mit 1. Januar 2020 in Kraft.
 
 
Es wäre der SuperGAU. Weil der Großteil der Durchführungsbestimmungen fehlt, wäre das Gesetz nicht anwendbar. Damit würden Südtirols Gemeinden und das Land ein halbes Jahr im raumordnerischen Chaos versinken. Zudem würden einige umstrittenen Bestimmungen gelten, die man im Landtag jetzt korrigiert hat. Sicher ist auch: Es würde in diesem gesetzgeberischen Vakuum eine Flut von Verfahren und Prozessen auf das Land und die Gemeinden zukommen.
 

Die Überlegungen

 
Dieser Schachzug ist keine abstrakte Überlegung. So wurde der Plan etwa im Dachverband für Natur- und Umweltschutz ernsthaft diskutiert und in Erwägung gezogen, die 300 Unterschriften zu sammeln. Ende vergangene Woche hat Geschäftsführer Andreas Riedl dann Entwarnung gegeben.
Nach Informationen von salto.bz stellen aber mehrere Oppositionsparteien im Landtag ähnliche Überlegungen an. Es geht dabei weniger um die Abhaltung einer Volksbefragung als darum die Regierungspolitik zu desavouieren. Demnach würde man 300 Unterschriften sammeln aber danach nichts mehr tun. Die Folge: Das ursprüngliche Theiner-Gesetz wäre von Jahresbeginn bis 1. Juli 2020 in Kraft.
Die Verschiebung der Theiner-Reform und das neue Urbanistik-Gesetz wurden am 29. November vom Landtag genehmigt. Demnach läuft die 20-Tage-Frist am 19. Dezember um Mitternacht ab.
Bis dahin muss die SVP noch zittern. Denn auch in der Brennerstraße weiß man: 300 Unterschriften zu sammeln, schafft man auch an einem Tag.

 

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Meister Haus Mo., 16.12.2019 - 21:19

Mir kommt eher vor, dass im Landtag selber in dieser Sache das totale Chaos geherrscht hat, weil man vor den Bauern und den Touristiker und der Bauwirtschaft gezittert hat. Weil halt die aus dem Land noch das letzte herauspressen wollen. Jetzt bei den niedrigen Zinsen muss man ja noch volle Gas geben! Und jetzt zittern die Politiker wegen ihrem Gepfusche vor den Wählern! Helf uns Gott vor so viel Qualität bei der Gesetzgebung.

Mo., 16.12.2019 - 21:19 Permalink