Wirtschaft | Gemeinwohlökonomie

Vinschger Gemeinden stellen ihre Gemeinwohl-Bilanzen vor

Heute, Freitag 17. Jänner werden die vier Gemeinwohlbilanzen der Vinschger Orte Schlanders, Laas, Latsch und Mals vorgestellt. Ab 14 Uhr steht Schloss Goldrain im Zeichen der Gemeinwohlökonomie, mit der Präsentation der Idee Regionalgeld Vinschgau und dem kommunalen Wohlstandsindikator.

Seit März 2013 sind die vier Vinschger Gemeinden Schlanders, Mals, Laas und Latsch in Sachen Gemeinwohlökonomie unterwegs. Man wollte der Frage nachgehen, wie die öffentliche Verwaltung im regionalen Kontext denken und handeln kann, was können Gemeinden tun, um die regionalen Kreisläufe nachhaltiger zu gestalten. Armin Bernhard, neben dem Terrainstitute Brixen, der lokale Ansprechpartner freut sich auf die Präsentation. Es werden Gemeinden- und Landespolitiker erwartet, allen voran Landeshauptmann Arno Kompatscher. „Wir wollen ihn unbedingt dabeihaben, denn in seinem Regierungsprogramm spricht er sich ausdrücklich für Solidarität und Subsidiarität aus, und nachdem er selbst die Wirtschaftsagenden führt, möchten wir ihm die Gemeinwohlökonomie näherbringen.“

Drei wichtige Punkte stehen auf der Tagesordnung in Schloss Goldrain. Die Vorstellung der Gemeinwohl-Bilanzen der vier Gemeinden, sprich, die Offenlegung der verschiedensten Handels- und Dienstleisterbeziehungen dieser öffentlichen Verwaltungen. Es wird zweitens die Idee Regionalgeld vorgestellt, ein Projekt das unter der Führung von Armin Bernhard recht weit gediehen ist und im Herbst 2014 umgesetzt werden soll.

„Unser Regionalgeld ist keine richtige Währung, dafür hätten wir mit der Banca d'Italia schwer verhandeln müssen,“ meint Bernhard, „wir nennen unsere Tauschwährung vorerst „Regio“, es sind Gutscheine, so wie man sie als Mensabons und Einkaufsgutscheine kennt.“ Eine Bank ist dennoch vonnöten, verhandelt wurde mit allen drei lokalen Bankinstituten. „Die Sparkasse und die Volksbank zeigten sich zögerlich, doch mit den 7 Vinschger Raiffeisenkassen konnten wir eine Vereinbarung treffen.“

Und so soll es ablaufen: Der Bürger kann zur Bank gehen und dort eine Summe von 100 Euro auf ein Deckungskonto der Regionalgeld-Genossenschaft einzahlen; dafür erhält er 100 Regios, mit denen er nun im Tal, bei verschiedenen Unternehmen und Dienstleistern einkaufen kann. Beispielsweise in den Supermärkten. Diese sind dann wiederum „gezwungen“, die Regios zirkulieren zu lassen. So soll die regionale Vinschger Wirtschaft, die kleinen Betriebe unterstützt werden. Die Wertschöpfung bleibt im Tal.

„Wir sind sehr überzeugt von der Idee,“ ist sich Bernhard sicher, „für die teilnehmenden Betriebe ist es eine zusätzliche Werbung und auch der Tourismus kann davon profitieren.“ Außerdem sei eine Währung wie der Regio auch identitätsstiftend.

Bereits ab Herbst 2014 soll es losgehen mit der neuen Vinschger Regionalwährung.

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Klaus Egger Fr., 17.01.2014 - 09:08

Nach den Unternehmen, nun die Gemeinden. Der Virus greift um sich und Südtirol hat die besten Vorraussetzungen.
Freu mich auf die Vorstellung heute Nachmittag. Das kann ein ganz besonderer Startschuß für ein neues Wirtschaftsdenken sein. Welches Tal/Gemeinde wird wohl das nächste sein? Ich glaub fest daran!

Fr., 17.01.2014 - 09:08 Permalink
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Werner Wallnöfer Sa., 18.01.2014 - 12:54

…bin ich. So sehr, dass ich mich weit aus dem Fenster lehne, und behaupte (ohne mich sonderlich eingelesen zu haben), dass hier zuerst mal das Wohl der vielen Berater für Machbarkeitsstudien usw. bedient wird. Später wird die Sache dann scheitern; und hoffentlich sich die Gemeinden und Bezirksgemeinschaften auf ihre eigentlichen Zuständigkeiten zurückbesinnen, die sie auszuführen auch in der Lage sind (Infrastrukturen, primäre Dienste, Trinkwasserleitungen etc.). Diese wären also eben nicht die vielen Standortmarketing und Gemeinwohlseminardingsereien, oder die Umstellung der sozialen Marktwirtschaft auf die Gemeinwohlökonomie. Schuster, bleib bei deinen Leisten, sag ich da!

Sa., 18.01.2014 - 12:54 Permalink
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Klaus Egger Sa., 18.01.2014 - 14:23

Antwort auf von Werner Wallnöfer

Warum so zynisch lieber Werner? Ein bisschen mehr Vertrauen in die Pioniere täte uns gut:-).
Zum Einen ist es doch schon so, dass Gemeindeverwalter mehr sind als reine Bediener von Zuständigkeiten. Wenn wir viele unserer erfolgreichen Gemeinden anschauen, dann hängt das sehr oft mit den visionären Blicken ihrer Verwalter zusammen.
Und zum anderen ist es doch im Moment so, dass der Gürtel überall enger geschnallt werden muss. Geld ist nicht mehr "zum Fockn fiattorn" da und jetzt heißt es Entscheidungen zu treffen wo wie investiert wird. Und da bin ich sehr froh, wenn sich (vorerst) die drei Pioniergemeinden dazu entschlossen haben, ihre Entscheidungen nach den Kriterien der Gemeinwohlökonomie zu treffen. Dazu gehört unter anderem auch, ob Nahversorgung weiter Bestand haben wird oder nicht. Ich würde mich sehr freuen, wenn du dich mal "einliest".
Let's change! Lieben Gruß nach Rom

Sa., 18.01.2014 - 14:23 Permalink
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Werner Wallnöfer Sa., 18.01.2014 - 14:50

aber ich vermute, dass ich Recht behalten werde. Sobald ich mich eingelesen habe, melde ich mich, dann diskutieren wir ausführlich.
Ein, zwei Überlegungen:
1. Ich sehe den Sinn einer Regionalwährung nicht. Man wird den Anteil der Gelder, die in die lokale Wirtschaft fließen, nicht signifikant erhöhen können. Der Großteil der Gehälter fließt heute schon in Miete, Mobilität und Kommunikation. Den Rest, der heute schon in Euro in lokale Gaststätten und Lebensmittelhändler fließt, wird durch die Alternativwährung Regio nicht erhöht werden. Die Wertschöpfung bleibt also die selbe, nur dass in anderer Währung gehandelt wird (Außer man zahlt jenen Teil des Gehaltes, der normalerweise in Euro bei der Bank als Geldanlage eingelegt wird, in Regio aus, um die Arbeitnehmer zu zwingen, mehr zu konsumieren und dies im Vinschgau zu tun).
Bedenkt man zudem, was die Bewerbung und Verwaltung der Fremdwährung an Kosten bringt, verdient daran nur der Dienstleister, der das macht (Mit Sicherheit wird der aber in Euro bezahlt und nicht in Regio bezahlt, alles andere würde mich sehr wundern). Als Mehrwert bliebe für den "Regio" dann nur noch ein politischer, dass man halt sagen könnte, "wir haben eine eigene Währung geschaffen…".
Auf bald,
ww

Sa., 18.01.2014 - 14:50 Permalink
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Klaus Egger Sa., 18.01.2014 - 15:14

Antwort auf von Werner Wallnöfer

Vorweg: GWÖ und Regiogeld können sich zwar ergänzen, das Eine bedingt aber nicht das Andere und Regiogeldt ist bei weitem keine Bedingung für die GWÖ.

Bezüglich Regiogeld war ich auch skeptisch, bis ich die Hintergründe erfahren habe. Nachdem ich aber kein Experte bin, werde ich mich hier mit schlauen Sprüchen zurückhalten. Nur eine Sache; du schriebst: "Die Wertschöpfung bleibt also die selbe, nur dass in anderer Währung gehandelt wird" - das stimmt und ist auch nicht beabsichtigt zu ändern. Ändern möchte man aber den Ort wo die Wertschöpfung erbracht wird.. Durch das Regiogeld (welches dann auch, wo möglich, zwischen den Unternehmen zirkuliert), soll auch eine Sensiblisierung für die lokalen Kreisläufe geschaffen werden.

Dies auch nur ein Gedanke dazu.
lg

Sa., 18.01.2014 - 15:14 Permalink
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Martin Daniel Sa., 18.01.2014 - 20:54

Ich schicke voraus, dass ich die GWÖ als notwendiges Instrument für eine tiefgreifende Änderung unseres Wirtschaftens erachte, ein Impuls, der langfristig dazu beitragen kann, Profit mit Rücksicht auf Mensch und Natur zusammenzuführen. Ich halte dagegen die Einführung eines Regiogeldes, das es bereits tausendfach auf der Welt gibt, bei allem guten Vorsatz nicht für zielführend.
Ich zitiere mal drei Passagen, davon zwei aus ProRegioGeld-Seiten, die letzte enthält auch die verbleibenden Vorteile, die in der erzieherischen Wirkung und in der Aufbruchstimmung liegen.
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/regionalwaehrung-im-chiemgau-no…
Volkswirt Gerhard Rösl, der sich im Auftrag der Bundesbank mit den alternativen Währungen beschäftigt hat, schätzt, dass Regionalgelder im Wert von einer Million Euro in Umlauf sind – „viel zu wenig, um mit dem Euro zu konkurrieren“. So lange der Kurs zum Euro eins zu eins sei, seien Schwundgelder immer verhältnismäßig teuer: Allgemeine Preissteigerungen würden weitergegeben, Kosten für Druck und Regionalbank sowie die Inflation kämen außerdem dazu. In Rösls Augen sind das „völlig unnötige Kosten, die am Unternehmer hängenbleiben“. Den Gewinnen der am Chiemgauer beteiligten Unternehmen stünden Umsatzverluste anderer Unternehmen gegenüber. Das ist für Rösl „ein Protektionismus, der die heimische Wirtschaft abschottet und jeglicher Konsumenten-Souveränität widerspricht“.
http://sacred-economics.com/kapitel-15-regionale-und-komplementare-wahr… Leider waren die praktischen Erfolge von Initiativen für Regiogeld eher enttäuschend. Oft wird die Währung mit viel Enthusiasmus eingeführt, und sie zirkuliert, solange sie von den Initiatoren beworben wird. Aber irgendwann verliert das ganze an Schwung, der Reiz des Neuen verblasst, und die Menschen hören auf, das Regiogeld zu verwenden. Einer Studie zufolge waren 2005 etwa 80% aller Regionalwährungen, die seit 1991 gegründet worden waren, wieder eingegangen.Ein anderes häufiges Muster ist, dass sich das Regiogeld in den Händen der lokalen Kleinhändler, die es akzeptieren, anhäuft, und dass sie keine Möglichkeit finden, es wieder auszugeben. Selbst wenn lokale Währungen relativ erfolgreich waren, machen sie letztlich einen verschwindend geringen Teil der gesamten wirtschaftlichen Aktivität aus. Auch wenn man die theoretischen Vorteile von Regiogeld erkennt, so muss man doch feststellen, dass es heute einfach nicht funktioniert. 
http://www.anleitungen-buergerproteste.de/2013/09/zahlen-sie-mit-region…
Die meisten Ökonomen lassen kein gutes Haar an Regionalgeldern: Die Geldmenge, die durch Regionalgelder dem zinsbestimmten Geldkreislauf entzogen wird, sei in ihrer Größenordnung zu vernachlässigen; die Systeme seien zu kompliziert; die regionale Wirtschaft werde kaum gefördert; letztlich legten die Bezahlenden drauf. In der Tat hat die Verwendung von Regionalgeld derzeit überwiegend ethische Ziele. Sie ist vor allem Protest, auch wenn der Protestcharakter in der gängigen Außendarstellung der Regionalgelder kaum zum Ausdruck kommt. Wenn Sie mit Regionalgeld zahlen, bringen Sie zum Ausdruck, dass Sie gegen das herrschende Geldsystem sind und leben exemplarisch vor, dass man Geld auch anders verwenden kann! Wichtig ist auch ein pädagogischer Effekt: Wer mit Regionalgeld zahlt, bekommt ein anderes Verhältnis zum Geld. Er lernt, dass man mit Geld auch ohne Gedanken an Zinsgewinne umgehen kann. Dazu zählt seine Verwendung in lokalen und gemeinwohlfördernden Bezügen.Aufwand: Man muss sich erst einmal in die manchmal komplizierten Funktionsweisen des jeweiligen Regionalgeldes hineingedacht haben. An zweierlei Scheine im Portemonnaie gewöhnt man sich noch rasch, aber die Übersicht über die Geschäfte, in denen man – manchmal zu Sonderbedingungen – einkaufen muss, ist nicht immer leicht zu gewinnen. Beim Rücktausch in Euro zahlt man in der Regel etwas drauf."
Die einzigen sicheren Gewinner der ganzen Sache hat ww genannt.

Sa., 18.01.2014 - 20:54 Permalink
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Martin Daniel Sa., 18.01.2014 - 21:24

Wirkungsvoller für die lokale Wirtschaft sind anscheinend jene RegioGelder, deren Ausgabe die Geldmenge erhöhen und dadurch die Nachfrage nach Leistungen erhöhen. Es wäre dasselbe Fiat-Geld, die Banken bei der Kreditvergabe schaffen. Aber dieses Geld darf natürlich nicht ausgegeben werden, nicht mal von der Banka d'Italia! Solches Geld hat keinen fixen Wechselkurs zu gesetzlichen Währung, könnte aber nur von öff.Verwaltungen ausgegeben werden, z.B. mit der Zusage, damit Steuern begleichen zu können.
http://sacred-economics.com/kapitel-15-regionale-und-komplementare-wahr…
Fiatwährungen sind viel wirkmächtiger als eurogedeckte Alternativwährungen, weil sie auch jenen Menschen Geld in die Hand geben, die andernfalls kein Geld hätten. Sie wirken nur dann inflationär, wenn die Menschen, dieses Geld in Umlauf bringen, selbst keine Güter oder Dienstleistungen bereitstellen, das Geld verwenden.8 In wirtschaftlich schwierigen Zeiten gibt es oft genug Menschen, die arbeiten wollen, und viele Bedürfnisse, die zu erfüllen sind; nur das Geld, das diese Transaktionen vermitteln könnte, fehlt. So war es während der Großen Depression, und heute haben wir es mit einer ähnlichen Situation zu tun. Kommunalverwaltungen auf der ganzen Welt sehen sich mit drastischen Budgetkürzungen konfrontiert, weil die Steuereinnahmen fehlen. Das zwingt sie, wichtige Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten aufzuschieben und sogar Polizisten und Feuerwehrleute zu entlassen. Gleichzeitig sind große Teile der lokalen Bevölkerung, die diese Aufgaben bewerkstelligen könnten, arbeitslos und sitzen herum.

Sa., 18.01.2014 - 21:24 Permalink
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Martin Daniel So., 19.01.2014 - 14:05

und ohne Zins auf Kredite. Ohne? Den Zins zahlen die Geschäftspartner des Unternehmers durch dessen möglicherweise nachlassende Leistungsqualität in der Zukunft. Trotzdem interessanter Ansatz!
http://www.regionalentwicklung.de/regionales-wirtschaften/regionalgeld/…
Bei dieser Methode kann jeder unternehmerisch tätige Akteur einen Vertrag mit den Regiogeld-Administratoren eingehen. In diesem Vertrag verpflichtet er sich, von seinen Kunden einen bestimmten Anteil an Regionalgeld beim Verkauf seiner Waren zu akzeptieren. Entsprechend dieser selbstgewählten "Regioquote" erhält er ein Startkontingent an Regionalgeld, mit dem er arbeiten kann ohne Euro dafür hergeben zu müssen. Zurückzuzahlen ist dieses Startkontingent dann, wenn er seine Waren und Leistungen nicht mehr gegen Regiogeld verkauft; wenn er also den geschlossenen Vertrag aufhebt. So lange kann das Startkontingent als unverzinstes Darlehen betrachtet werden.Ein Beispiel: Ein Unternehmer, der sich verpflichtet, von seinen Kunden bis zu 30% der Kaufsumme in Regiogeld zu akzeptieren, erhält ein Startkontingent von 300 Regiogeld-Einheiten. Akzeptiert er bis zu 60%, so erhält er 600 Regiogeld-Einheiten. Bei der Havelblüte ist das Startkontingent darüber hinaus an die Anzahl der Angestellten des Unternehmens gekoppelt. Je mehr Menschen das Unternehmen Arbeit gibt, umso höher fällt das Startkontingent an Havelblüten aus: Startkontingent = Regioquote * 1000 * Anzahl der Mitarbeiter. Beispiel: Bei 10 Mitarbeitern und einer Akzeptanzquote von 30% erhält das Unternehmen ein Startkontigent von 3000 Havelblüten.Geld wird in diesem Modell an die Leistungsbereitschaft und das Leistungspotential der unternehmerisch handelnden Akteure gekoppelt: Jeder Regiogeld-Akzeptant steht durch seine eigene Leistungsfähigkeit für den Wert der Regionalwährung (sogenanntes "leistungsgedecktes Geldsystem"). Das macht auch deshalb Sinn, da genau das für Regionalgeld kaufbar ist, was die Teilnehmer innerhalb ihres Regiogeld-Netzwerkes anbieten. Das Netzwerk aller Regiogeld-Akzeptanten stellt die Gesamtleistungsfähigkeit des Systems dar und sie stellen mit ihren Produkten und Leistungen die "Deckung" des Geldes.

So., 19.01.2014 - 14:05 Permalink