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Die Leiden des jungen CEO

Ingemar Gatterer haut auf den Tisch. Der SAD-Chef vermutet hinter den Mobilitäts-Manövern des Landes politisches Kalkül – und nennt den Landeshauptmann “PD-Statthalter”.
Ingemar Gatterer
Foto: Salto.bz

Gegen Ende zieht Ingemar Gatterer sein Jackett aus. Während der vergangenen Stunde ist der SAD-Mehrheitseigentümer sichtlich ins Schwitzen gekommen. “Ganz ruhig”, flüstert ihm sein Kommunikationsberater zu. Doch Gatterer lässt sich kaum besänftigen.
Er ist in Rage – und versteckt das auch nicht. Er will provozieren, gesteht er an diesem Vormittag mehrmals. Weil er trotz seines jungen Alters von 42 Jahren ein fähiger Unternehmer sei und “der Politik die Augen öffnen” will.
Den Medientermin mit dem SAD-CEO, so bezeichnet sich Ingemar Gatterer selbst am liebsten, hat das Unternehmen am Mittwoch Vormittag anberaumt, um “wichtige Fragen der aktuellen Situation des Öffentlichen Nahverkehrs in Südtirol” sowie “die weitere Vorgangsweise der SAD gegenüber den Führungskräften der Südtiroler Transportstrukturen AG in Zusammenhang mit dem rechtlich fragwürdigen Ankauf von neuen Zuggarnituren” anzusprechen. So steht es in der Einladung.

Ausführlich gehen der Rechtsanwalt Mariano Vettori, seines Zeichens SAD-Generaldirektor, und der Europarechtler an der Uni Innsbruck, Peter Hilpold, auf die beiden Themen ein. Ingemar Gatterer nutzt die Gelegenheit, um einen (weiteren) Rundumschlag gegen Landespolitik und Landesverwaltung zu vollführen. Und vor allem den Landeshauptmann heftig zu attackieren: “Kompatscher ist im Mobilitätsbereich der Statthalter des Partito Democratico in Südtirol.”

 

Verschworen gegen die SAD?

Wie berichtet, hat die SAD bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen die Südtiroler Transportstrukturen AG erstattet. Der Inhouse-Gesellschaft des Landes unterstellt man “unrechtmäßige und unerlaubte Vorgänge” beim millionenschweren Ankauf sieben neuer Züge, die die SAD laut Dienstleistungsvertrag vom Land anmieten soll. Die sieben Züge der Marke Bombardier sollen über die Österreichischen Bundesbahnen ÖBB direkt angekauft werden und nicht mittels Ausschreibung.
Bei der SAD befürchtet man, dass dem Unternehmen damit geschadet wird und zwar bewusst, wie Ingemar Gatterer vermutet. Denn die Bombardier-Züge seien von schlechterer Qualität als jene sieben der Trenitalia, die das Konkurrenzunternehmen – anders als die SAD – selbst ankaufen dürfe und dafür vom Land (zu) großzügig entschädigt werde. “Alles Kompensations- und Gegengeschäfte für politische Hofierungen”, kommentiert Gatterer. Konkreter wird er nicht, verweist aber darauf, dass man bereits die Antikorruptionsbehörde eingeschaltet habe.

Bei der SAD fühlt man sich “ungleich behandelt”, bestätigt Mariano Vettori. Auch weil die Entscheidung, dass die SAD “schlechtere Züge” und das auch nur zur Miete und nicht im Eigentum bekommt, die STA fälle – jene Agentur, in der neben Gatterers “altem Freund”, Präsident Martin Ausserdorfer, seit Oktober 2016 auch Gianpiero Strisciuglio als Verwaltungsratsmitglied sitzt – ernannt von der Landesregierung. Strisciuglio ist Direktor der Abteilung Passagiere bei Trenitalia – des direkten Konkurrenten der SAD in Südtirol.

Und natürlich habe ein Trenitalia-Funktionär keinerlei Interesse, Entscheidungen zum Wohle der SAD zu fällen. So die Botschaft an diesem Vormittag. Nicht die einzige, die den Anschein erwecken könnte, es wäre eine Verschwörung im Gange. Das Land, genauer gesagt die aktuelle Landesregierung samt Landesverwaltung, wollten die SAD “umverteilen”, wettert Gatterer. Auch die Modalitäten für die Neuvergabe der Konzessionen für die Buslinien im Land weisen für ihn darauf hin.
Aus mehreren Gründen.

 

Zerschlagung als politisches Ziel?

Zum einen ist da die Übergabe des Fuhrparks. Im Rahmen der Neuvergabe der Konzessionen fordert das Land, dass die SAD die vom Land finanzierten Busse einem eventuellen Nachfolger kostenlos übergibt. Die SAD hingegen verlangt eine Ablöse von 30 Millionen Euro. Auch “ein wichtiger Provinzpolitiker”, der der Landeshauptmann “zweifelsfrei” sei, “kann nicht vorschreiben, dass ein Unternehmen Eigentum einfach den den nächsten abtritt, weil man die SAD aus politischen Gründen umverteilen möchte”, schimpft Gatterer. “Das akzeptiere ich nicht, hier ist eine Ablöse zu leisten, die Vorschriften sind einzuhalten, auch wenn ein Landeshauptmann es gern anders hätte.”

Zum anderen geht es um die Aufteilung der Ausschreibung in fünf Lose, die den fünf Einzugsgebieten entsprechen, die im vergangene Woche genehmigten Landesmobilitätsplan definiert wurden. Das sei gegen geltendes Recht, sagt Mariano Vettori. Denn Einzugsgebiete seien einzig eine geografische Größe, während kleine Lose laut europäischer und nationaler Gesetzgebung auf Grundlage ökonomischer Kriterien definiert werden müssten – und nur unter Vorbehalt zugelassen seien.

Warum das Land dennoch fünf Einzugsgebiete definiert hat, die den Losen für die Ausschreibung entsprechen, dafür hat man bei der SAD eine eindeutige Erklärung parat: “Um die SASA zu retten.”
Die SASA sei eine “Domäne des PD”, die dieser nicht verlieren wolle. Und um das zu vermeiden – etwa indem die Linien, die die SASA heute fährt per Ausschreibung vergeben werden und möglicherweise an einen anderen Dienstleister, etwa die SAD, gehen – habe die Landesregierung beschlossen, das Einzugsgebiet der städtischen Linien in Bozen und Meran direkt an die Inhouse-Gesellschaft zu vergeben. So die Leseart bei der SAD.

Die Aufteilung des restlichen Landesgebietes in vier weitere Lose samt möglicher Lossperren, damit ein Dienstleister nicht mehrere Lose gewinnen kann, laufe schlussendlich darauf hinaus, “dass ein Unternehmen wie die SAD, das offenkundig sehr gut funktioniert hat, aufgrund einer solchen Ausschreibung zerschlagen wird”. So die Interpretation des Europarechtlers Peter Hilpold. “Wenn es zu einer Losaufteilung mit Loslimitierung kommt, hat die SAD keine Zukunft mehr.”

 

Finger gegen Führung

Dagegen will sich in erster Linie Ingemar Gatterer mit allen Mitteln wehren. Deutlich macht er das, indem er sich direkt an Arno Kompatscher wendet. Gatterer wörtlich:

“Landeshauptmann, du hast das Staatsgesetz ordentlich anzuwenden und nicht Einzugsgebiete sondern wenn, kleine Lose zu definieren. Wenn du die kleinen Lose entsprechend begründest, dann hast du sie ordnungsgemäß zu begründen, dann schaue ich mir das an. Und wenn sie ordnungsgemäß begründet sind, dann werde ich sie auch akzeptieren und werde mich dieser Herausforderung stellen. Ich akzeptiere es aber nicht, dass du Einzugsgebiete machst, damit die SASA und kleine Unternehmen wie etwa den KSM begünstigst, damit es zu einer politischen Stimmenvielfalt im Rahmen der Landtagswahlen kommt, sondern es ist Recht umzusetzen und im Rahmen des Rechtes wird der Beste dann gewinnen – und das hast du zu gewährleisten und nicht darauf Einfluss zu nehmen.”

Nein, seine Absicht sei es nicht, irgendjemanden unter Druck zu setzen, bestreitet der SAD-Chef am Mittwoch. “Sondern ich möchte lediglich erreichen, dass die anstehende Ausschreibung rechtskonform abgewickelt wird.” Nein, auch persönlich habe er nichts gegen die Regierenden im Land. Vielmehr sei es umgekehrt, es sei der Landeshauptmann “und einige Mitstreiter”, die die Auseinandersetzung im Öffentlichen Personennahverkehr “auf eine persönliche Ebene” gehoben hätten. “Verwerflich”, “fahrlässig”, “inakzeptabel” sei das, so Gatterer. Schließlich gehe es um “eine der wichtigsten Kernindustrien” in Südtirol.

Das grundlegende Problem bei dem ganzen Schlamassel sieht Ingemar Gatterer dann aber doch in der schwachen politischen Führung des Landes. “Jeder fühlt es, jeder weiß es: Wir hatten noch nie eine so schlechte Regierung wie derzeit.” Das Land werde von einer “zweitklassigen Politik” verwaltet, der gesamte Nahverkehrsbereich werde “nicht geführt” und von den Gewerkschaften aufgewiegelt. Auch “vom Gatterer” sei der Bereich “leider” nicht mehr zu managen, “das gebe ich zu”, offenbart der SAD-CEO am Ende. “Auch, weil die Medien ihren Teil dazu beitragen.”

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Sigmund Kripp Mi., 17.01.2018 - 18:34

Ein CEO eines Unternehmens, dessen Einnahmen zu 100% von der öffentlichen Hand bzw. den BürgerInnen dieses Landes kommen, sollte sich nicht so benehmen. Das kann nicht lange gut (für ihn) gehen.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Begriff "rent-seeking" ihm und allen anderen Beteiligten deutlich erklärt werden sollte.
Wer könnte das machen?

Mi., 17.01.2018 - 18:34 Permalink
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Christian Mair Mi., 17.01.2018 - 20:21

Mit einer Zweckwidmung der Erlöse aus der Korridorstrategie könnte der Lastenverkehr der Zukunft nachhaltig gestaltet werden. Zusammen mit den historisch günstigen Zinsen ist es an der Zeit eine Euregio- Tirol- Bahngesellschaft zu gründen, die den Güterverkehr auf die Schiene verlegt und durch HGÜ Leitungen Speicherfunktionen für grün produzierte Energie am europäischen Strommarkt übernimmt.
Statt Rauch machen mit Doppelstaatsbürgergedöhns braucht es Möglichkeiten zur Identifikation mit zukünftigen Projekten, auf die alle Bürger der Region stolz sein können.
Also:
- Euregio Tirol Bahngesellschaft
- cargobeamer in Triest, Verona, Bozen, Innsbruck, Kufstein...
- Investitionen und Beteiligung am Hafen Triest zur Errichtung von Bahnterminals zur Güterabwicklung
- HGÜ Leitungen durch den BBT

P.S.: Der Gatterer darf dafür die Zuständigkeit fürn Korerlift übernehmen

Mi., 17.01.2018 - 20:21 Permalink
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Harry Dierstein Mi., 17.01.2018 - 22:11

Das absolute Hauptversagen der Landesregierung liegt insbesondere darin, dass sie es bis dato nicht geschafft hat, dem Bürger solche Pressekonferenzen, wie die heutige, endgültig zu ersparen.

Mi., 17.01.2018 - 22:11 Permalink
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Sigmund Kripp Do., 18.01.2018 - 07:13

Antwort auf von Harry Dierstein

Da ist was Wahres dran: das rent-seeking durch Herrn Dr. Gatterer ist nur möglich, weil irgendein ein früherer LH mit seiner Truppe es ermöglicht hat. Insofern wäre es richtig und konsequent, wenn die Regierung Kompatscher daran arbeiten würde, solche Monopole (Gewinne privatisieren - Verluste sozialisieren) zu beenden.

Do., 18.01.2018 - 07:13 Permalink
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Armin Mutschlechner Mi., 17.01.2018 - 23:26

OFFENER BRIEF
Werte SüdtirolerInnen die Schmiereinkomödie des COE der SAD ist keine Zumutung sondern eine Watsche ins Gesicht aller SüdtirolernInnen Punkt

Mi., 17.01.2018 - 23:26 Permalink
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alfred frei Do., 18.01.2018 - 08:55

Herr Kripp, man könnte Rent-Seeking mit einem Gier-Effekt umschreiben, aber dabei besteht die Gefahr daß ein früherer Begünstiger ein Schlatter-Knie (Morbus Osgood-Schlatter) bekommt. Auch die Gefahr einer Verbreitung des Morbus auf andere Statthalter sollte man nicht ausschließen. oder nicht ?

Do., 18.01.2018 - 08:55 Permalink
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Christian Mair Do., 18.01.2018 - 19:45

Gatterer wird immer mehr zu einer Hypothek für die politische KArriere Christoph Perathoners.
Nicht mal streng Konservative können diese Zustände dulden.

Do., 18.01.2018 - 19:45 Permalink