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Grillo, die Juden und wir

Über die mangelnde Sensibilität im Umgang mit dem Holocaust in Italien

Liebe salto.bz-Besucher!

Mit Interesse verfolge ich die Diskussion über den Umgang mit Symbolen und Werten von Religionen, Andersdenkenden und Minderheiten, die infolge meiner Kritik an Beppe Grillos „Umdichtung“ Primo Levis inklusive seiner geschmackslosen Fotomontage des Auschwitz-Portals (Arbeit macht frei wurde zu P2 macht frei) stattfindet. Jetzt gebe ich zu, dass ich - als spät in die Internetwelt Eingetretener – es ein bissl befremdend finde, dass sich insgesamt (nur) 5 Personen via salto über diese ernsten Dinge auseinandersetzen. Südtirol ist nicht New York, nicht Tokio und nicht London oder Paris – also keine Millionen-Metropole. Man würde meinen, es wäre einfacher, sich auf einen Kaffee oder ein Glasl zu treffen, um diesen Gedankenaustausch zu pflegen. Aber durch die Kommentare auf einer Webseite erhalten die eigenen Aussagen – so hofft wohl jeder – eine gewisse Öffentlichkeit. Deshalb möchte auch ich noch einmal meinen Senf dazugeben und ein paar wichtige Dinge in Erinnerung rufen.

Völkermord ist nicht gleich Völkermord.

Das sage ich, weil in den – meist sehr differenziert und wohl auch ehrlich gehaltenen – Threads von Manfred Gasser, Christoph Moar und MenschÄrgereDichNicht immer wieder die Frage gestellt wird, warum alles den Holocaust und die Juden Betreffende so eine Sonderstellung einnimmt.

Die nach jüngsten – wenn auch umstrittenen - Schätzungen der Historiker rund 30 Millionen Opfer des Stalinismus sind ohne Frage eine zutiefst erschütternde Katastrophe in der Geschichte des Menschen. Die Ausrottung der Indianer in Amerika ebenso. Der in Kambodscha von den Roten Khmer vollzogene Massenmord an 2 Millionen Mitbürgern (ich habe mir die Gedenkstätten mit den Gebeinen dort angesehen – schauerlich!) kann einen echt an der grundsätzlich „guten Natur“ der Spezies Mensch zweifeln lassen. Von den in nur dreieinhalb Monaten mindestens achthunderttausend hingemordeten Tutsi durch die Hutu-Mehrheit in Ruanda ganz zu schweigen. Die Liste ließe sich fortführen: Wie viele Millionen unschuldige Männer, Frauen, Kinder wurden in den Kolonialkriegen gefoltert, vergewaltigt, massakriert? Und die  Sklaven aus Afrika, die wie Vieh gehandelt und verfrachtet wurden? Und der berühmt-berüchtigte Dreißigjährige Krieg, der ganz Europa zum Schauplatz von blutigen Gemetzeln, Mord und Brandschatzungen der Söldnerheere machte? Kampf um Macht und Religionskrieg zwischen Protestanten und Katholiken zugleich.

Eine Aufrechnung der verschiedenen Grauensperioden macht keinen Sinn. Aber sie alle auf die gleiche Stufe zu stellen auch nicht.

Die stalinistische Diktatur ging gegen „Klassenfeinde“, gegen politische Widersacher und gegen Volksgruppen, die sich dem Zentralismus nicht beugen wollten, vor. Die Ureinwohner Amerikas wurden ausgerottet, weil sie sich den kolonialen Eroberern widersetzten. In Kambodscha wurden die Menschen nicht wegen ihrer Ethnie oder Religion umgebracht, sondern weil sie in den Augen der maoistisch-stalinistisch-nationalistischen Khmer-Herrscher eine Gefahr für ihr Machtsystem darstellten. In Ruanda haben die Militärs und die Nationalgarde der Hutus nicht nur die ethnische Minderheit der Tutsi abgeschlachtet, sondern auch jene ihrer eigenen Ethnie angehörenden Hutus, die bei diesem Blutrausch nicht mitmachen wollten. Im Dreißigjährigen Krieg verschoben sich die Grenzen und Bündnisse sowieso je nach Macht, Strategie und Geld andauernd.

Was will ich damit sagen?  Die von Adolf Hitler in seinem „Mein Kampf“ angekündigte und dann so konsequent durchgeführte Verfolgung und Ermordung von Millionen Juden stellt in der Geschichte der Menschen eine neue, nie dagewesene,  Stufe der Grausamkeit und Entmenschlichung dar.  Da ging es nicht um Krieg, nicht um Machteinfluss, nicht um Territorien, nicht um Klassenkampf und nicht um Religion – das Nazi-Regime war ja atheistisch. Es ging einfach darum, einen durch Religion, Geschichte, jahrhundertelange Diaspora und durch das Bestehen auf ihrer Eigenart als Bedrohung und als andersartig gebrandmarkten Sündenbock für alle Übel auszurotten. Und zwar weltweit auszurotten. Bis in die Wurzel auszurotten. Kinder, Mütter, Alte – alles keine gefährlichen Feinde, wenn man so will. Es genügte eine Spur von noch so ferner jüdischer Abstammung im Ahnenpass und das Todesurteil war gesprochen. Und im Unterschied zu den meisten anderen, teils schon erwähnten, Völkermorden ging es auch nie um Kampf. Bis auf wenige, seltene Ausnahmen haben sich die Juden ja nicht gewehrt, haben nicht gekämpft.

Nein, Hitler und sein Regime wollten die Juden, die sie fälschlicherweise als Rasse bezeichneten, schlicht und einfach vernichten, ausrotten. Und das taten sie mit einer bis dahin ungekannten Perfidie und Perfektion: geplant, systematisch, maschinell, industriell. Konzentrationslager, Einsatz der Opfer als Zwangsarbeiter für die Rüstungsindustrie solange sie dazu physisch in der Lage waren – dann Vergasung in den Öfen oder in mobilen Vergasungsanlagen –  LKWs, in deren luftdicht verschlossenen Laderäumen die Abgase via Schlauch geleitet wurden. Aber nicht ohne selbst dort noch Gewinn zu erzielen. Die Goldzähne, die Haare usw. usf. wurden „recycled“ würde man heute sagen. Seife, Knöpfe, Kämme und was weiß ich noch hat man aus den Vernichteten gemacht – und all ihr Hab und Gut, ihre Wohnungen, Häuser, Kunstgegenstände und Vermögen gingen natürlich in den „gesunden deutschen Volksbesitz“ über.

Diese hasserfüllte, obsessive, zynische und so perfekt-industriell betriebene Verfolgung, Marter und Vernichtung der Juden kennt nichts Vergleichbares, ist der Höhepunkt der Barbarei in der Geschichte der Menschheit. Begründet und gerechtfertigt hat das Nazi-Regime sein Vorgehen mit der Notwendigkeit, die arische Rasse zu retten und die Weltherrschaft des neuen Übermenschen zu errichten – eben das 3. Reich.

Aber warum sollten wir uns heute davon noch irgendwie betroffen oder gar dafür verantwortlich fühlen?

Wir haben doch „die Gnade der späten Geburt“, wie es der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl einmal definierte. Will heißen: wir sind nach dem Krieg geboren, wir können doch nicht für die Taten unserer Väter und Großväter, die zu Millionen - wenn nicht Mittäter zumindest Mitläufer – waren (auch in  Südtirol!), verantwortlich gemacht werden. Nein, können und sollen wir auch nicht. Aber wir haben die Verpflichtung des Erinnerns. Wir haben die Verpflichtung des Mitgefühls und des Respekts für die Opfer des Holocaust und deren Hinterbliebenen. Wir haben uns selbst gegenüber die Verpflichtung, alles zu tun, dass so etwas nie wieder geschehen kann. Antisemitismus und Rassismus müssen Tabus bleiben. Und deshalb ist es auch vollkommen inakzeptabel, die Symbole den Holocaust betreffend – ob in Wort oder Bild – leichtfertig zu verunglimpfen.

Womit wir wieder bei Beppe Grillo wären. Was ich über seine „Provokation“ denke, habe ich ja schon im Beitrag „Grillos Sündenfall“ kundgetan. Mir scheint aber ein anderer Aspekt noch viel wichtiger. Dass einem nicht unintelligenten und sehr medienbewussten Politaktivisten wie Grillo so etwas „passieren“ konnte, kommt nicht von ungefähr. In Frankreich, Deutschland (vor allem), aber selbst in Österreich wäre so etwas undenkbar, unvorstellbar. Nie würde dort ein – ursprünglich doch eher links angesiedelter – Polittribun so leichtfertig mit Symbolen des Holocaust und mit Gefühlen der jüdischen Gemeinschaft umgehen. Seine totale Unsensibilität bewies Grillo ja mit seiner Aussage, die jüdische Kultusgemeinde in Rom möge sich einen besseren Pressesprecher aussuchen, weil der derzeitige dumm und ignorant sei. Ein Affront, der für sich allein schon ein Skandal ist.

Aber wieso ist das in Italien möglich und in anderen europäischen Ländern nicht?

Frankreich hat mit rund achthunderttausend Mitgliedern nicht nur die größte jüdische Gemeinde Europas, Frankreich hat auch im Widerstandskampf gegen die Nazi-Besatzung eine Symbolfigur hervorgebracht – den General Charles de Gaulle – der, obwohl konservativ und kolonialistisch, nie von dem in Frankreich sehr weit verbreiteten antisemitischen Virus angesteckt war.                                                                                                                                                                                                    Deutschland wurde ab 1945 – nicht ganz freiwillig, sondern auf massivem Druck der alliierten Siegermächte und durch die Schmach der Verantwortung für das Nazi-Regime und den 2. Weltkrieg – zu einer jahrzehntelangen Vergangenheitsbe-wältigung  geradezu verdonnert. Man wird heute kein Schulkind im Alter von 14 Jahren finden, das nicht bestens Bescheid wüsste  über dieses fatale Kapitel der eigenen Nationalgeschichte.                                                                                                           Und selbst Österreich, das sich ja immer gerne als erstes Opfer des Nationalsozialismus (Anschluss 1938) darstellte, ist spätestens seit der Waldheimaffäre 1986 und der Beteiligung der Haider-Partei an der Schüssel-Regierung gezwungen gewesen, eine bis dahin gelassen verdrängte Aufarbeitung der eigenen Rolle im 2. Weltkrieg zu betreiben.

Machen wir uns nichts vor: zumindest in Frankreich und Österreich sind rechts-extrem-populistische und antisemitische Tendenzen und Anschauungen weit stärker verbreitet als in Italien. Aber, aber: in den drei genannten Ländern herrscht nach wie vor ein sehr starker gesellschaftlicher Konsens, dass solche Anschauungen und Tendenzen nicht salonfähig sind. „Ausrutscher“ oder Provokationen á la Grillo kommen dort lediglich aus der ganz rechten Ecke und selbst jene Protagonisten wissen genau, dass sie damit gegen die von Politikern und Medien akzeptierten Tabus verstoßen. Sie machen es zwar trotzdem, müssen aber jederzeit mit einer gerichtlichen Klage rechnen.                                                                                           In Italien habe ich hingegen den Eindruck, fehlt dieses kollektive Bewusstsein vollkommen. Die eigene Vergangenheit wurde nie mit ernsthafter Tiefe und Breitenwirksamkeit aufgearbeitet. Der Mussolini-Faschismus war in erster Linie gegen die Bolschewiken und Kommunisten gerichtet, die Partisanen der Resistenza werden zwar seit Jahrzehnten rituell geehrt, aber das war`s dann auch schon. Das eigentliche Übel fiel über Italien – nach Populärlesart – ja eigentlich erst mit der Besatzung durch die Deutschen, mit dem Einmarsch der „Schturrrmtruppen“, her. Und hätte sich Mussolini nicht von Hitler die Anti-Juden-Gesetze „aufzwingen“ lassen, wäre ja eh alles halb so schlimm gewesen. Das finde ich an der ganzen „Grillo-Affäre“ eigentlich das Erschreckende – dass nämlich durchaus demokratisch gesinnte und keinesfalls rassistische oder antisemitische Vertreter und Anhänger der 5stelle in hunderten posts die Umdichtung Grillos verteidigen und zwar mit erstaunlichen Argumenten: schließlich habe die korrupte Politik der „casta“ ja auch tausende Leben vernichtet; nur darauf wollte Grillo doch aufmerksam machen. Erschütternd. Da wird die schlimmste Barbarei der Menschheitsgeschichte einfach gleichgesetzt mit der für den Kapitalismus typischen, menschenverachtenden Ausbeutung. Eine Gleichung, die auf geschichtlicher Unwissenheit und letztlich gefährlicher Dummheit beruht.

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Oskar Egger Do., 17.04.2014 - 08:01

Ja, unbeschreibliche, unvergleichbare Grausamkeit und noch dazu unverarbeitete. Auch die Kirche, sowohl die katholische und, im besonderen, die protestantische, hat ihren Anteil an diesem industriellen Völkermord gehabt. Die späten Schriften Martin Luthers wurde zur Lieblingslektüre Göbbels & Co.
Ein Neffe von Papst Johannes XXIII hat ein Gebet gelesen, dass dieser kurz vor seinem Tode ausgesprochen hat, das aber bis heute auch im Netz als jüdische "Fälschung" bezeichnet wird:

Gebet:

Noi siamo oggi coscienti che nel corso di molti, molti secoli, i nostri occhi erano cosí ciechi che non erano piú capaci di vedere ancora la bellezza del Tuo popolo eletto, né di riconoscere nel volto i tratti dei nostri fratelli privilegiati. Noi comprendiamo che il marchio di Caino é scritto sulla nostra fronte. Nel corso dei secoli nostro fratello Abele giacque insaguinato ed in lacrime per colpa nostra, poiché avevamo dimenticato il Tuo amore.
Perdonaci per la maledizione che abbiamo ingiustamente attribuita al loro nome di Ebrei.
Perdonaci per averTi una seconda volta crocifisso in essi, nella loro carne, perché non sapevamo quello che facevamo.

Do., 17.04.2014 - 08:01 Permalink
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Oskar Egger Do., 17.04.2014 - 14:26

Antwort auf von Oskar Egger

Ich meinte auch Mitschuld, hab mich vielleicht falsch ausgedrückt. Allerdings, nach Aussage von R. Müller-Streisand und grundlegend für das richtige Verständnis von Luthers Wandlungen in der Judenfrage ist die Tatsache, dass Luther die gleiche Stellung zu den Juden einnimmt, wie die gesamte mittelalterliche Kirche; die Schärfe seiner Aussagen übertrifft sogar das traditionell Übliche erheblich.
Luthers antijüdische Polemik, die freilich niemals rassistisch begründet war, erfuhr 1543 eine schaurigen Höhepunkt in der Schrift „Von den Juden und ihren Lügen". Für Luther stellte die Absage der Juden an Christus das Hauptärgernis dar.

Luther fordert von der Obrigkeit:

Vernichtung aller Synagogen („mit Feuer, Schwefel und Pech")

Zerstörung aller Privathäuser der Juden

Entwendung aller liturgischen Bücher und der Bibel

Untersagung des Besuchs öffentlicher Gottesdienste und jeder Lehrveranstaltung der Rabbiner (ansonsten Todesstrafe)

Verbot, Gottes Namen auszusprechen

Juden nicht mehr als Händler wirken lassen; Verbot, sich frei auf der Straße zu bewegen

Verbot des Wuchers; Geld und Wertsachen wegnehmen

Zwangsarbeit für alle jungen Juden beiderlei Geschlechts.....

Do., 17.04.2014 - 14:26 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Do., 17.04.2014 - 10:11

Was würde man sagen wenn in deutsches Landstädtchen der Führer mit erhobenen Arm auf einen Platz die Leute begrüßt? Was würde mit den Politiker geschehen der dies als Kunst bezeichnen würde die gewahrt werden sollte? Was wenn in oberschlesischen Polen die deutsche Minderheit dort auf ein Siegesdenkmal beharren würde welches eine Inschrift beherbergen würde wo drauf stünde "wir brachten Sprache, Gesetze und Künste"?
Diese fragen beantworten sich von selbst. Bei uns gibt es keinen Aufschrei und auch keine Empörung, im Gegenteil: man kassiert eine ordentliche Dose Kritik wenn man sich erlaubt das Relief oder Sigesdenkmal in Frage zu stellen, sogar von Revanchismus war vor kurzem die Rede! Das geschieht weil eben auch bei uns die im Artikel beschriebene italienische Mentalität herrscht. Auch in Südtirol fehlt die Aufarbeitung der Geschichte und die Abstumpfung zum Thema ist schon so weit gekommen, dass wir bei Grillo schreien während wir pfeifend am Duce vorbeispazieren.

Do., 17.04.2014 - 10:11 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Do., 17.04.2014 - 10:12

Immerhin 5 verschiedene Meinungen, das ist doch schon mal was, oder?
Und zu einem guten Glasl Weissn als Beilage zu einer interessanten Diskussion, würde ich sicher nicht nein sagen, das wäre halt schon viel direkter als hier, da man nicht mehr löschen, retuschieren und ändern kann, was mal gesagt ist.

Do., 17.04.2014 - 10:12 Permalink
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Josef Pedevilla Do., 17.04.2014 - 10:42

Herr Gallmetzer, ich habe Ihren Beitrag sehr interessant gefunden und bis auf den letzten Absatz teile ich voll Ihre Meinung. Ich möchte sie aber dazu einladen diesen Satz noch einmal durchzulesen, aber von der Sicht eines in Bezug auf die Fünf-Sterne-Bewegung nicht voreingenommen Bürger.
"Das finde ich an der ganzen „Grillo-Affäre“ eigentlich das Erschreckende – dass nämlich durchaus demokratisch gesinnte und keinesfalls rassistische oder antisemitische Vertreter und Anhänger der 5stelle in hunderten posts die Umdichtung Grillos verteidigen..." Ich interpretiere diese Aussage folgendermaßen: "Eigentlich sind nicht alle Anhänger Grillos Rassisten und Antisemiten. Grillo auf jeden Fall und wenn seine Anhänger ihn verteidigen, dann sind sie es auch." So fängt jedes "Anti-irgendwas" an!

Do., 17.04.2014 - 10:42 Permalink
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Max Ernst Do., 17.04.2014 - 12:34

zum einen möchte ich wieder mal problematisieren in wie weit die einzigartigkeit von auschwitz wirklich etwas singuläres ist. die von lorenz aufgezählten beispiele haben in ihrem kern doch alle die tatsache gemein wie schnell, wie leicht menschen nicht mehr als menschen anerkannt wurden/werden. allen ist gemein dass menschen entmenschlicht, sprich verdinglicht wurden.

andererseits wird in den verschiedenen beiträgen auf die schwierigkeit eingegangen wie verschiedene gesellschaften nach 1945 ihre geschichte, ihre verstrickung (nicht) aufgearbeitet haben.
und hier möchte ich auf imre kertesz' frage "wem gehört auschwitz"eingehen. anstatt den umgang grillos, der italienischen gesellschaft mit auschwitz zu kritisieren, werfe ich hier mal ein inwieweit nicht die "anderen" eine falsche/verblendete vorstellung der bedeutung und des umgangs mit dem themenkomplex (mit dem bilderverbot) von auschwitz haben, sondern in wie weit, bzw. "wir" südtirolerinnen überhaupt uns "aufrichtig" mit dem thema konfrontiert haben.
meines erachtens bleibt gerade in südtirol extrem viel nachzuholen was in anderen ländern, in anderen regionen schon längst, sicher nicht adequat, seit jahrzehnten praktiziert wird.

Do., 17.04.2014 - 12:34 Permalink
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Lorenz Gallmetzer Do., 17.04.2014 - 12:37

Lieber Josef Pedevilla, Sie interpretieren meine Aussage leider falsch. Ich habe bewusst etwas lange ausgeholt in dem Beitrag - nicht um Grillo oder seine Anhänger des Antisemitismus oder Rassismus zu beschuldigen, sondern um darauf hinzuweisen, dass meiner Ansicht nach in Italien aufgrund mangelnder Vergangenheitsbewältigung ein Manko an Sensibilität bezüglich des Holocaust besteht. Und als erschreckend habe ich bezeichnet, dass dieses Manko nicht nur im rechten Eck, wie in anderen Ländern, zu finden ist, sondern eben auch bei gebildeten, nicht antisemitischen und nicht rassistischen, politisch aktiven Menschen wie den Anhängern von Beppe Grillo.

Do., 17.04.2014 - 12:37 Permalink
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Frank Blumtritt Fr., 18.04.2014 - 20:30

Kompliment, ein guter Artikel! Ich bin Deutscher und lebe seit rund 30 Jahren in Italien, die letzten 15 davon in Südtirol.

Auch ich bin der Meinung, dass der deutsche Nationalsozialismus mit nichts vergleichbar ist. Leider denken nur wenige so. Wer die radikale rechte Szene kritisiert, bekommt noch heute regelmäßig die Stalinopfer auf die Waagschale gelegt..
Während ich in Deutschland von der Grundschule bis zum Abitur mit unserer Vergangenheitsbewältigung konfrontiert worden war (den Film "Die Brücke" und die KZ-Dokus hat man uns schon in zarten Jahren einverleibt) und jegliche Art von nationaler Identität Tabu war (bis zum Mauerfall gab es keine deutschen Fahnen, außer vor Ministerien und auf Militärfahrzeugen), beschäftigte mich in Italien immer diese lockere und unbeschwerte Haltung zum Nationalsozialismus, wie ich sie zB aus Frankreich oder England nicht kannte. Witze und Ironien à la Grillo gab es hier schon immer und zwar sowohl von rechts, wie von links. Die einzige Ausnahme bildeten einige alte ex-Partisanen, die ich in Ligurien noch kennenlernen durfte. Aber sie waren den Konzentrationslagern entkommen...
Mich hat diese Unvoreingenommenheit oft geärgert, fast verletzt. Dann wieder fragte ich mich, ob nicht wir Deutsche das Problem sind, mit diesem krankhaften Tabu im Kopf und ob für uns der "Italian style" nicht viel besser wäre - denn mit dem wäre der Holocaust vielleicht nie geschehen...

Fr., 18.04.2014 - 20:30 Permalink
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Oskar Egger Sa., 19.04.2014 - 17:00

Antwort auf von Frank Blumtritt

Ich bin der Meinung, erstens dass Deutschland zu einer gewissen Aufarbeitung gezwungen wurde, aber sie noch nie bis in die nächsten Generationen geschafft hat, zweitens der preußische und protestantische Erziehungsstil das ganze Geschehen massgeblich geprägt hat, das Schlimmste aber der Drill durch Arbeitsdienst, Hitlerjugend usw. gewesen sein muss, denn das war eine grausame Gehirnwäsche. Um es mal zu verallgemeinern: der Deutsche ist obrigkeitshörig, während der Italiener Befehle nie so genau genommen hat, das ändert auch vieles. Der Deutsche kann in der gruppe sehr ungemütlich werden, der Italiener höchstens laut. Die deutsche Geschichte ist ohnegleichen, was den Holokaust anbelangt und da kann einem der Humor schon vergehen, auch wenn es z.T. Versuche gibt, durch Humor vor Nazi-Verherrlichung zu warnen, siehe z.B. Fahrschule Hitler auf youtube.

Sa., 19.04.2014 - 17:00 Permalink