Gesellschaft | Wohnbau

„Dann gibt es kein Zusammenleben mehr“

Wird mit dem neuen Wobi-Gesetz eine „Ghettoisierung“ in den großen Wohnsiedlungen verhindert oder bricht ein Kampf um die Sozial-Wohnungen aus?
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Foto: LPA/Wobi
Am vergangenen Freitag hat Landesrätin Waltraud Deeg gemeinsam mit dem Direktor der Landesabteilung Wohnungsbau, Stefan Walder, und Wobi-Vizepräsident Heiner Schweigkofler den Inhalt des neuen Gesetzes „Öffentlicher und sozialer Wohnbau“ vorgestellt. Ein Aspekt betraf die Öffnung der Wobi-Wohnungen bzw. sollten sie zukünftig nicht mehr nur den sozial schwachen Schichten vorbehalten bleiben. Damit will man, wie Schweigkofler erklärte, eine soziale Durchmischung erreichen und Ghetto-Bildungen in großen Wohnsiedlungen verhindern.
 
 
 
 
Kritisiert wurde dieser Ansatz im Vorfeld unter anderem von AFI-Direktor Stefan Perini, der im Rahmen eines Vortrages zum Thema „Teures Wohnen in Südtirol – Was tun, damit Wohnen leistbar wird?“ bezweifelte, ob das Budget ausreiche, um die notwendigen Ressourcen für eine Öffnung zu schaffen. Bereits jetzt gebe es deutlich mehr Gesuche von Personen mit einem akuten Wohnungsbedarf als Angebote. Dagegen würde der Bedarf nur zu rund einem Drittel erfüllt. „Es ist zwar löblich, wenn man eine Ghettoisierung“ vermeiden möchte, allerdings erhöht die Öffnung der Wohnungen für beispielsweise Studenten den Druck auf jene sozialen Schichten, die leistbaren Wohnraum brauchen“, so Perini, der einen Konkurrenzkampf um die Wobi-Wohnungen befürchtet. Der AFI-Direktor verwies dabei auch auf das Ungleichgewicht zwischen Bauen und Sanieren. Aus dem Wohnbau-Institut sei während der vergangenen zehn Jahre ein „Wohn-Sanierungs-Institut“ geworden. „Mit 13.000 zur Verfügung stehenden Wohnungen ist man letztendlich immer noch auf dem Stand der 80er Jahre“, erklärte Perini
 
 
 
Salto.bz hat Heiner Schweigkofler, Vize-Präsident des Wobi, auf diese Kritik angesprochen und nachgefragt.
 
Salto.bz: Herr Schweigkofler, bis 2025 gibt das Wobi 80 Millionen Euro für den Bau neuer Wohnungen aus. Wieviele Wohnungen sollen entstehen?
 
Heiner Schweigkofler: Wir planen den Bau von 280 neuen Wohnungen.
 
Vorwiegend in Bozen?
 
Nein, nicht nur in Bozen, sondern beispielsweise auch in Martell und anderen ländlichen Gemeinden. Die Neubauten sind relativ gut auf das gesamte Land aufgeteilt. In Bozen haben wir zwei große Projekte und der Rest ist auf andere Gemeinden verteilt.
 
Bei den Investitionen fällt die Diskrepanz zwischen Sanierungen (113 Millionen) und Neubau (80 Millionen) auf, was unter anderem auch von AFI-Direktor Stefan Perini kritisiert worden ist.
 
Hier ist prinzipiell einmal festzuhalten, dass die Entscheidung, wo gebaut wird, nicht wir treffen, sondern darüber entscheiden die Gemeinden. Sie stellen uns auch den Baugrund zur Verfügung. In Bozen ist es uns beispielsweise gelungen, am Bahnhofsareal Grund zur Verfügung gestellt zu bekommen. Das bedeutet, dass wir auf die politische Unterstützung zählen können. Ein großes Thema werden zukünftig die Militär-Areale und Kasernen sein …
 
Sie hoffen, dass das Wobi hier zum Zuge kommen wird?
 
Ich gehe davon aus, denn im neuen Gesetz für Raum und Landschaft ist vorgesehen, dass wir Bebauungsareale erhalten. Allerdings sind das sehr langwierige Geschichten.
Man darf aber nicht den Fehler machen, Neubau und Sanierung gegeneinander auszuspielen. Infolge der Preisexplosion bei Gas, Heizöl und Strom bedeuten Sanierungsmaßnahmen eine große Unterstützung für unsere Mieter.
 
Auch den Plan der sozialen Durchmischung sieht AFI-Direktor Perini nicht nur positiv. Er befürchtet, dass es in den untersten sozialen Schichten zu einem Konkurrenzkampf um die Wohnungen kommen könnte.
 
Ich kenne diese Kritikpunkte und darüber muss man auch diskutieren. Aber wenn man heute eine Wohnanlage mit rund 400 Wohnungen hat, wo rund 1.200 Personen zusammenleben, dann besteht die Gefahr, dass hier Brennpunkte entstehen könnten, wenn man nicht für eine soziale Durchmischung sorgt. Als der Zugang zu Sozialwohnungen noch einfacher war, hatten wir automatisch eine Durchmischung. In den vergangenen Jahren ist dieses System unter starken Druck geraten, weil man relative viele Punkte haben muss, um eine Wohnung zugewiesen zu bekommen.
 
Als Betreiber des Insituts plädiere ich natürlich dafür, dass die Mieter in unseren Häusern friedlich zusammenleben können.
 
Wenn man aber in die Zukunft denkt, dann muss man sich entscheiden, wie man den Zugang zu den Wohnungen regelt bzw. ob man möchte, dass in diesen Wohnanlagen die Lebbarkeit gegeben ist. Als Betreiber des Insituts plädiere ich natürlich dafür, dass die Mieter in unseren Häusern friedlich zusammenleben können. Die Bedenken von AFI-Direktor Perini kann ich nachvollziehen, allerdings muss man hier weiter in die Zukunft denken. Nicht nur das Wobi ist dazu da, um soziale Probleme zu lösen. Leistbaren Wohnraum für sozial Schwächere kann man auch mit konventionierten Wohnungen und Mietbeihilfe schaffen. Dieses Modell bietet die gleichen Vorteile wie eine Wobi-Wohnung. Hier muss die Problematik also in einem größeren Kontext gesehen werden und man darf nicht den Fehler machen, den gesamten Druck auf das Wobi zu legen. Wenn wir nicht für eine soziale Durchmischung sorgen, gibt es kein Zusammenleben mehr.