Kultur | Salto Weekend

Freunde im Bunker besuchen

Noch bis 15. Oktober ist der Bunker 23 in Tartsch ein Begegnungsraum. Immer wieder sonntags ist eine künstlerische Hommage an Sven Sachsalber und Benny von Spinn zu sehen
Bunker 23
Foto: Othmar Prenner
Die recht untypische Ausstellung widmet der Bunkerbesitzer Othmar Prenner seinen beiden 2019 (von Spinn) und 2020 (Sachsalber) verstorbenen Freunden. Ihren Titel „Benny, Sven und die Künstlermenschen“ bezieht sie dabei nach dem „und“ aus einer Arbeit Sven Sachsalbers, die an der Treppe von einem Stockwerk ins nächste, als Bindeglied dient. In aufgeklebten Lettern findet sich, als Anordnung in drei Zeilen ein Zitat von Joseph Boys „Jeder Mensch ist ein Künstler.“, von Martin Kippenberger der Umkehrschluss „Jeder Künstler ist ein Mensch.“ Und, von Sven Sachsalber gezeichnet eine Übereinanderlegung, die nur an den Enden, beim Wort „Jeder“ und beim Punkt zur Deckung kommt. Benny von Spinns Werkbeitrag ist nicht namentlich gezeichnet: Den Bunker - oder mehr, dass dieser nun ein Ort für Kultur und Begegnung ist - verdanken wir allein seiner Hartnäckigkeit und Vision, welche die Friedensterrasse von einem Zaun umfasst sieht, der auf die Soundwave von „Give Peace a Chance“ hinweist.
Die Schau ist überhaupt in gewisser Weise ein stilles Zusammentreffen, denn dass es hier von der Decke tropft ist nicht die einzige Galeriekonvention mit der gebrochen wird. Kärtchen an den Wänden, welche einen Werktitel oder den Namen einer Künstler:in verraten sucht man vergebens, sind sie doch alle nur Künstlermenschen. Ob das nun ein gelungener Kunstgriff ist, oder Improvisation nachdem ein Drucker den Dienst verweigert hat, würde ich mich nicht zu wetten getrauen.
Eine Liste der zumindest direkt ausgestellten Künstlermenschen aus Kunst, Kunsthandwerk und Design gibt es aber und so will ich sie an dieser Stelle alle einmal genannt haben: Charlotte Aurich, Antoinette Bader, Juliet Bremer, Daniel Costa, Tomas Eller, Michael Fliri, Julia Frank, Martino Gamper, Marianne Gostner, Hannelore Grassel, Katharina Hohenstein, Armin Joos, Margareth Kaserer, Clara Mayr, Sandra Neumann, Laura Pan, Gerald Pirner, Gabriel Plangger, Othmar Prenner, Andreas Rier, Anna Rüstig, Hubert Scheibe, Florian Slotawa, Laurenz Stockner, Walther Thöni und Ariel Trettel.
 
„Benny, Sven und die Künstlermenschen“
„Benny, Sven und die Künstlermenschen“: Was sich im Eingangsbereich noch recht ähnlich zu einer typischen Galerie aufmacht, verwinkelt sich immer weiter in viele kleine Bunkernischen. | Foto: Privat
 
Sicher geht man auf diese Weise ein gutes Stück unvoreingenommener an die Arbeiten heran, zum Teil, da die meisten Arbeiten aber nicht für diesen Kontext entstanden sind, hätte man sich aber ein bisschen Begleittext wünschen können. Den gibt es, wenn man sich direkt an die Fersen von Othmar Prenner heftet, einmal täglich in Form einer Führung und sonst im Austausch mit etwaigen Künstler:innen vor Ort. Man bewegt sich fast tastend durch die Bunkergänge, denkt vielleicht an Gerald Pirners Beitrag zur Ausstellung: Es handelt sich um einen als Sound-Installation wiedergegebenen Text, den der blinde Kunstkritiker zu Karl Plattners „Pietà“ verfasst hat. Anderes ist - zumindest scheinbar - leichter zu verstehen. Und auch die Geste des Austauschs ist omnipräsent: Zwischen Kleinformaten von Kaserer, Scheibe und Thöni stehlen sich immer wieder auch Sven Sachsalbers kleine Wölfe. Zwei Stühle scheinen ihm zwischen sich Platz zu bieten: In einer Rumpelkammer voll ungenutzter Stühle stehen sie wie bestellt und nicht abgeholt. Auf dem einen steht „Heimat“ auf dem anderen „lose“.
Im Umgang mit dem Anlass der Kunstausstellung sind dabei die Künstler:innen verschieden direkt, kaum jemand ist dabei aber so unmittelbar wie Julia Frank, „Schwarz Rot Tod“ lässt man sich sagen, heißt ihr Gemälde, was nicht verwundert. Die Arbeit bereits im Eingangsbereich zu platzieren ist auch nur deshalb denkbar, da ihr die benachbarten Arbeiten das Drückende ein Stück weit nehmen. Andere erinnern sich, auch der Bunker selbst hält in zwei Nischen Videodokumentationen Sven Sachsalbers bereit: Da ist er, zum einen mit Globus auf dem Kopf, sich langsam drehend, „What a Wonderful World“ auf den Lippen und, nur eine Nische weiter, im schwimmbar gemachten Sarg beim Paddeln um den Grauner Kirchturm. Sein Floß ist zurückgeblieben, liegt im Bunker vor Ort auf dem Relativtrockenen.
 
„Benny, Sven und die Künstlermenschen“
„Benny, Sven und die Künstlermenschen“: Sven Sachsalber als kleiner Punkt, links am Kirchturm und sein Floß im Bunker. | Foto: Privat
 
Die Widersprüchlichkeiten zwischen Tod und Leben muss man aushalten, die Risse flicken, bevor sie zu groß werden. Maria Gostner stickt dafür Fragmente aus Liedern in ihre Bilder ein. Unter anderem die vielzitierte und evokative Weisheit von Leonard Cohen: „There is a crack in everything, that's how the light gets in.“
Tritt man nach draußen ins Licht, so zeigt sich die Ausstellung am Dach wesentlich freigiebiger im Umgang mit dem zur Verfügung stehenden Platz. Drei Werke zeigen alle über den Kontext der Ausstellung hinaus. Ein entwaffneter Zentaur erinnert uns ebenso wie die Brüstung die uns umgibt, das mit dem Frieden noch einmal zu versuchen und eine Arbeit von Ariel Trettel „Blonde Faser“ hat der Wind im Vinschgau zu einem guten Teil schon mitgenommen, seit die Fahne aus Hanf Mitte März gehisst wurde. Laura Pans „Tappeto Magico“ hingegen, aus bemalten Euro-Paletten gestaltet, will einfach nicht abheben und passt damit gut zur leichten Schwere, die man beim Blick in die Landschaft verspürt.
Mir bleibt von der Ausstellung vor allem ein gewisses Gefühl der Dankbarkeit, dass ich Sachsalber, wenn auch nur kurz, kennenlernen durfte und dafür, dass Benny von Spinn, auch wenn ich ihn nicht kannte, einen Ort geschaffen hat, an welchem Begegnungen und Wiedersehen möglich sind.
 
Blonde Faser, Ariel Trettel
Blonde Faser, Ariel Trettel: Die Fahne so, wie sie aussah, als sie gehisst wurde. | Foto: Othmar Prenner