Politik | Bilanz

Deeg über ihre letzten fünf Jahre

Schutz vor Gewalt, Familie, Wohnungsnot, aktives Altern: Das Ressort der Landesrätin hatte und hat mit den Folgen der Pandemie und Inflation große Aufgaben vor sich.
Gegen Ende ihrer Amtsperiode zieht Landesrätin Waldtraud Deeg (SVP) heute (17. Juli) am Grieserhof in Bozen Bilanz über ihr Ressort Familie, Senior*innen, Soziales und Wohnbau - laut eigener Aussage "das schönste Ressort, das man haben kann". In der vergangenen Legislaturperiode seien fünf Schwerpunkte maßgeblich gewesen: Das Gewaltpräventionsgesetz (Nr. 13/2021) zu geschlechtsspezifischer Gewalt, das Rahmengesetz zum aktiven Altern (Nr. 12/2022), das Gesetz zum öffentlichen und gefördertem Wohnbau (Nr. 5/2022) sowie die Strategiedokumente "Familienförderplan" und "Landessozialplan", der Ende Juli vorgestellt werden soll;
 
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Waltraud Deeg: "In meiner ersten Amtsperiode als Landesrätin musste ich im Jahr 2014 mit Bürgermeistern diskutieren, ob es überhaupt Kindertagesstätten braucht." (Foto: LPA / Manuela Tessaro)
 
Am Grieser Hof sind neben dem Seniorenwohnheim und Wohnungen des betreuten und begleiteten Wohnens auch eine Kindertagesstätte, eine Hausarztpraxis, ein Friseursalon sowie ein frei zugängliches Café zu finden. "Meine Zuständigkeiten sind Themen der Gesellschaft in unterschiedlichen Lebensphasen. Und auch hier im Grieserhof finden wir diese Themen wieder, deshalb freut es mich besonders, dass wir heute hier sein dürfen", so Deeg. "Der Grieserhof ist ein Ort der Begegnung und des Austausches", erklärt Hausherr Christian Klotzner, Präsident der Stiftung St. Elisabeth (Trägerin des Seniorenwohnheims).
 

Familienpolitik 

 
Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Landesgesetzes zur Förderung und Unterstützung von Familien habe sich Südtirols Politik diesbezüglich in vielen Bereichen positiv entwickelt. "Es gab einen sehr guten, ständigen Austausch mit dem Ressort und wir konnten uns als Familienverband u.a. bei der Erarbeitung der Soforthilfen einbringen", hob Valentin Mair, Vizepräsident des Katholischen Familienverbandes (KFS), hervor. Es gelte u.a. bei der Vereinbarkeit nicht nachzulassen, auch müsse man weiter an Maßnahmen der Zeitpolitik arbeiten, forderte Mair.
Die Entwicklung der Südtiroler Familienpolitik erfolgt entlang eines Dreisäulenmodells, bestehend aus Unterstützung durch direkte finanzielle Leistungen, Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit und der frühzeitigen Stärkung von Familien. So können Südtirols Familien unter anderem um das Landesfamiliengeld oder um das Landeskindergeld ansuchen – im Vorjahr wurden insgesamt 71,9 Millionen Euro an direkten finanziellen Unterstützungsleistungen ausbezahlt.
Seit Juli 2021 gibt es in Südtirol die Großelternkarte. Dies ist eine Vorteilskarte für Großeltern von mindestens einem minderjährigen Enkelkind. Über 4.300 Omas und Opas haben seitdem diese Möglichkeit genutzt und können damit Vorteile bei über 100 Partnerbetrieben in ganz Südtirol in Anspruch nehmen.
 

Rentenbeiträge für Erziehung

 
Eltern mit Kindern von 0 bis 3 Jahren können aus Erziehungsgründen ihre Arbeitstätigkeit niederlegen und werden von der öffentlichen Hand mit Beiträgen für die freiwillige Weiterzahlung der Rentenbeiträge unterstützt. Dies haben im Vorjahr 1.622 Mütter und Väter genutzt, sie können dabei bis zu 18.000 Euro an Beitrag erhalten.
Wenn Arbeitgeber oder Gemeinden Familien u.a. bei der Vereinbarkeit unterstützen, können sie sich auf dem Weg zu mehr Familienfreundlichkeit einem Auditierungsverfahren unterziehen. Das Audit familieundberuf, das von über 100 Südtiroler Arbeitgebern erfolgreich absolviert wurde, gibt es seit 2004 und wird vom Land gemeinsam mit der Handelskammer Bozen umgesetzt. Im Herbst 2022 wurden erstmals fünf Gemeinden mit dem Audit "FamilyPlus – Familie leben, vivere la famiglia, viver la familia" ausgezeichnet, im Mai 2023 folgte eine weitere Gemeinde. Konkrete Verbesserungen für die Familien vor Ort umzusetzen, verfolge auch die Strategie der gemeindeorientierten Zeitpolitik für Familien, welche im Familienfördergesetz vorgesehen und seit März 2021 umgesetzt wird. "Familien brauchen Zeit, als politisch Verantwortliche müssen wir die Rahmenbedingungen dafür gestalten", so Landesrätin Deeg. Gemeinden sind auch bei der derzeit laufenden Sommerbetreuung mit ihren über 500 Projekten in ganz Südtirol wichtige Ansprechpartner für Familien. Finanziert wird diese überwiegend vom Land Südtirol, in diesem Jahr werden rund 17 Millionen dafür aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellt.
Um eine ganzjährige Kinderbetreuung zu gewährleisten, brauche es die Vernetzung von Arbeitgebern, Bildungsinstitutionen, Familienorganisationen und Vereinen. Dass die Zusammenarbeit bereits funktioniere, habe die Sommerbetreuung während der Corona-Pandemie gezeigt, als 70.000 Kinder betreut werden konnten.
 
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Wolfgang Obwexer: Der Präsident des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit fordert eine bessere Entlohnung. (Foto: LPA / Manuela Tessaro)
 
Während die Kindertagesstätten für Kinder bis zum Alter von drei Jahren in das Ressort von Deeg fallen und elf Monate geöffnet sind, gehören die Kindergärten seit 2000 in den Bildungsbereich und folgen den Öffnungszeiten der Schulen.
"In meiner ersten Amtsperiode als Landesrätin musste ich im Jahr 2014 mit Bürgermeistern diskutieren, ob es überhaupt Kindertagesstätten braucht. Diese Phase haben wir Gott sei Dank überwunden. Aber auch heute noch bleibt die Frage der Kinderbetreuung eine wichtige. Wir müssen hier das System neu denken, kein Erwachsener würde zehn Stunden am Tag in einer Einrichtung verbringen. Wir müssen deshalb auch die Bedürfnisse der Kinder berücksichtigen, die Zeit mit ihren Eltern brauchen", so Deeg. Das wiederum erfordere neue Arbeitszeitmodelle, wie etwa die Vier-Tage-Woche.
Darüber hinaus sollen mit dem 2021 vorgestellten Familienförderplan Familien frühzeitig gestärkt werden. Das umfasst sowohl die Förderung von Vereinen wie dem Elki und seinen (lokalen) Treffpunkten, als auch die (Teil-)Finanzierung der Familienberatungsstellen. Auch Präventionsprojekt wie Frühe Hilfen oder Family Support werden in diesem Zusammenhang gefördert.
 

Ältere Generation

 
"Soziale Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit ziehen sich durch mein Ressort, es geht darum, sich stark zu machen für jene, die keine starke Lobby hinter sich haben", so Landesrätin Deeg. Jene, die leider auch oft dazugehören, seien die Senior*innen. "Senior*innen in Südtirol sind von unschätzbarem Wert und von großer Bedeutung für die Gesellschaft", hob Christine Gostner von Stefenelli hervor, die sich seit vielen Jahren für Seniorenanliegen auf lokaler, aber auch auf europäischer Ebene einsetzt. Im internationalen Vergleich stehe Südtirol gut da, allerdings gebe es auch noch Maßnahmen, wie altersgerechte Arbeitsplätze für die Generation 60+, die Verbesserung der Absicherung der Pflegezeiten oder die Ermöglichung des Mehrgenerationenlebens, die es anzugehen gelte. Außerdem seien die Wartezeiten im Sanitätsbetrieb oft zu lange und es fehle an Unterstützung bei der Digitalisierung für ältere Menschen. Ein weiteres Thema für diese Generation sei die Einsamkeit, von der viele betroffen seien.
Um dem Fachkräftemangel im Pflege- und Sozialbereich entgegenzuwirken, brauche es laut dem Präsidenten des Dachverbandes Soziales und Gesundheit, Wolfgang Obwexer, eine bessere Entlohnung. Die Berufe in diesem Bereich müssten aufgewertet werden, bestätigt Deeg – das erfordere einen kulturellen Wandel.
 
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Leonhard Resch: "Wir benötigen dringend einen gemeinnützigen Mietmarkt für Südtirol." (Foto: LPA / Manuela Tessaro)
 

Wohnen

 
Leistbarer Wohnraum sei ein Thema, das ganz Europa beschäftigt. Deeg hat sich für Südtirol das Ziel gesetzt, Wohnraum für jene Menschen zu schaffen, die "hier ihren Lebensmittelpunkt haben und hier arbeiten". Welche Art von Wohnungen es in den jeweiligen Gemeinden braucht, etwa für ältere Menschen oder junge Familien, müsse im Rahmen der Gemeindeentwicklungsprogramme (GEP) erarbeitet werden. Dabei würden vor allem Mehrgenerationenhäuser ein großes Potential haben, so Leonhard Resch, Referatsleiter der Arche im KVW.  
"Wir benötigen dringend einen gemeinnützigen Mietmarkt für Südtirol. In Anlehnung an die Modelle in Österreich, Deutschland und der Schweiz sollte in Südtirol der gemeinnützige Wohnbau speziell für preiswerte Mietwohnungen gestartet werden. Wir arbeiten derzeit an einem Modell das preiswerte Mietwohnungen im so genannten Mehrgenerationenhaus vorsieht", so Resch.
Mit dem Landesgesetz 5/2022 wurde einerseits eine Modernisierung und Neuausrichtung des Instituts für den Sozialen Wohnbau (Wobi) in die Wege geleitet. Anderseits geht es darum, künftig mehr öffentlichen Wohnraum anbieten zu können, der sich positiv auf das leistbare Wohnen auswirkt, erklärt Wohnbaulandesrätin Deeg. Unter anderem wurde mit dem Gesetz die rechtliche Basis für die Einführung des bezahlbaren Mietzinses in den Wobi-Wohnungen geschaffen, zudem wurde der Rahmen für innovative und neue Wohnmodelle, unter anderem für Senior*innen oder Menschen mit Behinderungen, festgelegt. 
 

Soziales Netz

 
Die Coronapandemie und ihre Auswirkungen haben das Südtiroler Sozialwesen – ebenso wie andere gesellschaftliche Bereiche – stark in Anspruch genommen. Wie Soziallandesrätin Waltraud Deeg feststellte, sei es möglichst schnell gelungen ressort- und ebenenübergreifend die Zusammenarbeit zu organisieren, um damit konkrete Hilfestellung zu leisten. Deeg dankte allen, die sich hier eingebracht haben, vor allem aber den engagierten Mitarbeiter*innen im Sozialbereich, allen voran jenen in den Seniorenwohnheimen und den Sozialdiensten.
Herausfordernd sei es gewesen, allen Menschen in Südtirol finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Insgesamt 75,9 Millionen Euro sind seit Frühjahr 2020 in Form der Soforthilfe Covid-19, des Covid-19-Kindergelds und als Covid-19-Beitrag für Miete und Wohnungsnebenkosten vom Land ausbezahlt worden. Auch als es im Frühjahr 2022 durch die Energiekrise zu einem allgemeinen Preisanstieg kam, wurde das Land tätig und zahlte insgesamt 34,7 Millionen Euro im Rahmen des Entlastungspaketes an über 32.000 Familien und weitere 31.700 Einzelgesuchstellerinnen und -gesuchsteller aus.
"Wir bauen auf einer guten Basis auf und schauen hoffnungsvoll in die Zukunft", so Deeg. Dabei sei es wichtig, das soziale Netz zu stärken und zu verdichten. "Man kann nur mit einem sicheren Kompass in eine ungewisse Zukunft segeln."
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G. P. Mo., 17.07.2023 - 20:47

Besser wäre, Frau Deeg würde über die letzten fünf Jahre Ihres Wirkens bzw. Nicht-Wirkens den Mantel des Schweigens hüllen.

Mo., 17.07.2023 - 20:47 Permalink
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Profil für Benutzer Albert Pürgstaller
Albert Pürgstaller Di., 18.07.2023 - 07:20

Dass das Regierungsprogramm vorwiegend die Handschrift der Wirtschaft trägt ist klar; hier unterscheidet sie sich nicht von früheren Landesregierungen. Wer eine Richtungsänderung erwartet hatte, wurde enttäuscht. Dass Frau Deeg sich für die sozialen Belange einsetzt, kann man ihr nicht absprechen; nur ist sie als Solistin nicht so wirkungsvoll, wie es eine ausgewogene Gesellschaftspolitik verlangen würde.

Di., 18.07.2023 - 07:20 Permalink