Politik | Großraubwild

„Wolfsgesetz ist noch keine Lösung“

SVP-Bauernvertreter Vallazza begrüßt die Neuregelung, Staffler von den Grünen vermisst Ehrlichkeit und Spitzenbeamte Unterthiner blickt sorgenvoll nach Brüssel.
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Foto: Seehauserfoto
Die jüngsten Bestimmungen in Sachen Großraubwild werden in der Bauernfraktion der Südtiroler Volkspartei (SVP) mehr als begrüßt. „Es war höchste Zeit, damit man endlich mit der Entnahme starten kann. Denn der Herdenschutz ist auf den felsigen und steilen Flächen in Südtirol aus technischen und finanziellen Gründen nicht möglich“, erklärt der Landtagsabgeordnete der SVP Manfred Vallazza.
Wir werden auch in Zukunft mit der Präsenz des Wolfes leben müssen.
Die Abteilung Forstwirtschaft hat hierzulande beinahe alle Almen als Weideschutzgebiet deklariert, weil der Schutz der Herden nicht möglich ist. Denn die Errichtung von angemessenen Zäunen, der Einsatz von Herdenschutzhunden und die ständige Anwesenheit von Hirt*innen in Begleitung von Hirtenhunden sei nicht zumutbar. Nur 18 Südtiroler Almen erfüllen die gesetzlich definierte Voraussetzung, mit Zäunen ihre Viehherden schützen zu können. Die Behirtung und der Einsatz von Herdenschutzhunden sei für Schaf- und Ziegenherden laut dem Direktor der Abteilung Forstwirtschaft, Günther Unterthiner, hingegen in ganz Südtirol laut der Durchführungsverordnung der Landesregierung „nach vernünftigem Ermessen“ nicht möglich, weil unter anderem die in Südtirol aufgetriebenen Herden mit mehr als 500 Stück von mehr als 10 Viehhaltern stammen.
 
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Günther Unterthiner: „Das ‚Wolfsgesetz‘ ist noch keine Lösung, weil es nur eine Entnahme erlaubt, wenn es bereits Risse gegeben hat.“ (Foto: Seehauserfoto)
 
Ziel sei es, laut Vallazza, dass „so wenig Wölfe wie möglich“ in Südtirol unterwegs sind. Ansonsten rentiere sich die Weidewirtschaft nicht mehr. Er hält es für wenig wahrscheinlich, dass die Abschussdekrete wie im Trentino von Tierschutzorganisationen vor Gericht angefochten werden. „Im Trentino hat man sich auf das alte Gesetz aus dem Jahr 2018 berufen. In Südtirol hingegen hat der Landtag im Juni ein neues Wolfsgesetz verabschiedet, das auf die schwierigen Bedingungen für den Herdenschutz eingeht und damit etwaige Einwände von Tierschutzorganisationen vorwegnimmt“, so Vallazza.
 

Zunehmende Verwaldung

 
Laut dem 2020 veröffentlichen Landwirtschaftsreport der Eurac wird etwa die Hälfte der auf den Weideflächen produzierten Futtermenge derzeit nicht genutzt. „Die nicht mehr beweideten Flächen verbrachen langsam, teilweise hat sie sich bereits der Wald zurückgeholt. Damit nahm der Einfluss des Menschen im Almbereich deutlich ab und die Flächen entwickeln sich wieder zur natürlichen Form zurück. Diese Entwicklungen sind aus ökologischer Sicht nicht unmittelbar nachteilig, jedoch verschwinden damit diese artenreichen Kulturlandschaften zunehmend und das Erscheinungsbild der Almregionen verändert sich grundlegend“, so die Autor*innen des Eurac-Reports.
Neben den hohen Personalkosten für Behirtung und Milchverarbeitung im Gebirge sei laut dem SVP-Bauernvertreter Vallazza auch die Angst vor Wolfsrissen ein Grund für die sinkende Stückzahl von Rindern, Schafen und Ziegen auf Südtiroler Almen. Daher seien die Wolfsentnahmen ein dringend notwendiges Mittel, um die Weidewirtschaft langfristig erhalten zu können.
 
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Almwirtschaft, hier mit Hirtin: Laut Eurac-Report ist die Anzahl der Nutztiere auf Almen im Jahr 2010 im Vergleich zum Jahr 1880 um 14 Prozent gesunken. (Foto: Seehauserfoto)
 
Unterthiner, Direktor der Landesabteilung Forstwirtschaft und zuständig für die Ausweisung der Weideschutzgebiete, stellt allerdings klar: Da das im Juni verabschiedete Wolfsgesetz nur die Entnahme von Schadwölfen erlaubt, sei man von einer Regulierung des Großraubwildes – wie sie etwa bei Rehen oder Rotwild hierzulande umgesetzt wird – noch weit entfernt.
„Wir werden auch in Zukunft mit der Präsenz des Wolfes leben müssen. Das ‚Wolfsgesetz‘ ist noch keine Lösung, weil es nur eine Entnahme erlaubt, wenn es bereits Risse gegeben hat. Für eine Regulierung des Wolfsbestandes fehlen die rechtlichen Rahmenbedingungen, da er laut der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU unter dem höchsten Schutzstatus steht“, erklärt er.
 

Das neue Wolfsgesetz

 
Von einem Schadwolf ist laut Wolfsgesetz (13. Juni 2023, Nr. 10) dann die Rede, wenn im Streifgebiet des Wolfes in den letzten vier Monaten mindestens 25 Nutztiere oder im letzten Monat mindestens 15 Nutztiere gerissen (verletzt oder getötet) wurden. Wenn bereits früher Schäden durch Wölfe zu verzeichnen waren, reicht die Anzahl von acht gerissenen Nutztieren innerhalb der letzten vier Monate. Bei Rinder-, Pferde- oder Neuweltkamelidenherden kann schon bei zwei gerissenen Nutztieren die Wolfsentnahme beantragt werden, da bei größeren Nutztieren der Herdenschutz noch schwieriger umsetzbar ist, so Unterthiner.
Moderne Hochleistungskühe sind halt nicht almtauglich.
Hanspeter Staffler, Landtagsabgeordneter der Grünen sowie Forst- und Landschaftsökologe, will an der strengen Unterschutzstellung des Wolfes nicht rütteln. Die FFH-Richtlinie erlaube die Entnahme von Schadwölfen, die gelernt haben, den Herdenschutz auszutricksen, oder sich regelmäßig Siedlungen nähern und diese Regelung sei gut so. Die Entwicklung der Artenvielfalt im Land aber werde vom Wiederaufkommen der Wölfe weder stark positiv noch stark negativ beeinflusst. Das sollte auch der Südtiroler Bauernbund zur Kenntnis nehmen, der nun die Biodiversität auf den Almen für sich entdeckt hat.
„Nachdem die Wolfspopulationen um 1850 ausgerottet wurden, konnten sich Rot- und Rehwild in den letzten Jahrzehnten vermehrt ausbreiten, auch weil  viel weniger Vieh auf die Almen gebracht wurde und viele Flächen vom Wald zurückgeholt wurden. Dieser Trend ist nur mit einer Änderung des gesamten landwirtschaftlichen Systems umkehrbar, denn moderne Hochleistungskühe sind halt nicht almtauglich. Am meisten profitieren würde die Artenvielfalt übrigens nicht durch die Rückkehr des Wolfes oder die Almbewirtschaftung, sondern durch das Beenden der Monokulturen in den Südtiroler Talböden“, so Staffler.

 

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Robert Hölzl Do., 17.08.2023 - 19:14

Laut einer Studie aus Vorarlberg, bei der die Risse auf Almen untersucht wurden, auf denen Herdenschutzmaßnahmen angewandt wurden, wurden auf diesen Almen im Gegensatz zu jenen ohne Maßnahmen keine Risse festgestellt. Größter Nachteil der Herdenschutzmaßnahmen sind die Kosten, die sich auf ca. 104 Euro pro Tier und Saison belaufen. Das ist auch der Grund, warum sich in Südtirol niemand für den Herdenschutz interessiert hat, obwohl er funktioniert und auch durchführbar ist. Aber dann hätte man auch schon vor Jahren mit der Ausbildung von Hirten und Herdenhunden beginnen müssen. Aber es ist natürlich viel einfacher, nach dem Abschuss von Raubtieren zu schreien und dann kurz vor den Wahlen ein Gesetz herauszubringen, das, selbst wenn es funktionieren sollte, kein Problem löst. Was auch alle wissen von Kompatscher über Schuler bis zum letzten Bauernvertreter.

Do., 17.08.2023 - 19:14 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Do., 17.08.2023 - 21:43

Früher hat es sehr wohl funktioniert. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass klandestiner Herdenschutz heutzutage europaweit praktiziert wird; und die Staaten schauen wissentlich weg. Einfach Absurdistan.

Do., 17.08.2023 - 21:43 Permalink
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Salto User
Günther Alois … Fr., 18.08.2023 - 06:50

Alles Quatsch mit viel Svp Getöse,reine Wahlwerbung. Wer informiert ist,weiss dass dieses Gesetz nichts,oder wenig bringt. Und Rekurse zum Abschuss von Wolf und Bär sind immer noch möglich Herr Valazza!

Fr., 18.08.2023 - 06:50 Permalink
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Manfred Klotz Sa., 19.08.2023 - 10:23

Antwort auf von G. P.

Die "beiden" haben überhaupt keinen Spielraum. Dieses ominöse Gesetz und die diesbezüglichen Durchführungsbestimmungen wurden ihnen vom Bauernbund aufgezwungen (der das Gesetz auch geschrieben hat!). Aber wenn die zuständigen Stellen auch nicht sicher sind, ob das Gesetz haltbar ist (wie von Euroaprechtlern bereits festgehalten), dann kann man sich vorstellen welchen Wert es hat. Die Dolomiten werden den Misserfolg dann sicher wieder auf Kompatscher schieben.

Sa., 19.08.2023 - 10:23 Permalink
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Manfred Klotz So., 20.08.2023 - 07:10

Antwort auf von G. P.

Er hat nicht nirgends Spielraum, sondern nur dort, wo es hierarchisch übergeordnete Regelungen gibt. In diesem Fall die EU-Verordnung. Da ich den LH als äußerst intelligent einstufe, kann ich mir nur vorstellen, dass er sich dieses von einer Lobby geschriebene Gesetz aufschwatzen hat lassen, weil er weiß, dass es das Papier nicht wert ist auf dem es geschrieben steht und er nach dem Reinfall die Befürworter in die Schranken verweisen kann. So quasi "Ich hab es ja gesagt". Selbstverständlich nur dann, wenn er auch LH bleibt.

So., 20.08.2023 - 07:10 Permalink
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Peter Gasser So., 20.08.2023 - 07:34

Weiterhin wird die Tatsache verschwiegen, dass es sich bei einem nicht unerheblichen Teil dieser „Wölfe“ um Hybride (Wolf-Hund-Bastarde) handelt, die dem europäische Artenschutzprogramm in hohem Maße schaden und schon deshalb entnommen werden müssten.
Wenn diese besonders in Italien teils erheblich hybridisierten „Wölfe“ in die Nachbarländer wandern, gefährden sie die dort lebenden Rudel in deren genetischer Identität.
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Warum gibt es in Südtirol keine Veröffentlichung zum Hybridisierungsstand der hier lebenden Wölfe? Schutz genießt nur der Wolf, nicht der Hybrid.

So., 20.08.2023 - 07:34 Permalink