Kultur | Salto Afternoon

Der Traum vom Kinomachen

Die IDM-Filmförderung lud zum Zehnjährigen. Viel Lob, wenig Tadel, lokale Pioniere und ein Vergessener. Ein Nachtrag.
Frame Trenker
Foto: Frame

Der Nervöse

„Das größte Kompliment ist, dass nach 10 Jahren, die Filmförderung, die ja eine reine Wirtschaftsmaßnahme war und so konzipiert war, auch eine Kulturmaßnahme geworden ist,“ sagte der auf der Bühne etwas unsicher wirkende Philipp Achammer bei seiner Rede zum 10jährigen Geburtstag der Filmförderung im Auditorium Haydn in Bozen. Nervös war der Landesrat wohl deshalb, weil er nicht nur seine Jubel-Rede zur Filmförderung halten sollte, sondern nach ihm auch jene zum Mikrofon gebeten wurden, die ihn noch vor einigen Monaten heftig kritisierten, nachdem es den Anschein hatte, die Politik möchte den IDM-Geldhahn für Film still und unauffällig abdrehen. „2020/2021 waren harte Jahre“ legte also Achammer vor, „und ich weiß auch, die Filmförderung hat gelitten. Aber seien sie sich eines bewusst, das waren außerordentliche Zeiten, die sich hoffentlich nicht mehr wiederholen. Und die Filmförderung steht nicht zur Diskussion. Wir wollen nicht, was in 10 Jahren hart erarbeitet wurde, auf`s Spiel setzen. Deswegen kann ich garantieren, dass wir hoffentlich noch etwas sicherer und beständiger und konstanter werden, in der Vorhersehung der Mittel, für die Zukunft. Und dass wir an dem weiterbauen was entstanden ist.“


Zusätzlich streute Achammer noch Blumen in Richtung Parteikollege Thomas Widmann und dem ehemaligen BLS-Mann Ulrich Stofner, die vor über einem Jahrzehnt der Südtiroler Filmförderung (damals BLS) laufen lernten. Widmann streute in seiner Rede die Blumen Richtung Achammer zurück, sprach von den beachtlichen „5 Millionen Förderung“, (die es ja schon seit einigen Jahren nicht mehr sind) und dass er die „Filmförderung bei Achammer in guten Händen“ weiß.
Der Abend im Ping Pong zwischen Politik und IDM hatte manchmal etwas von einem Reenactment eines DDR-Genossenabends. Cineastisch empfehlenswert und um ein vielfaches spannender ist in diesem Zusammenhang allerdings der Spielfilm Nahschuss mit Lars Eidinger (derzeit im Kino).

10 Jahre Filmförderung? 

Stimmt nicht ganz. Der Film Bergblut unter der Regie von Philipp J. Pamer wurde eigentlich schon 2009 gefördert und zwar direkt vom Land, also noch vor der offiziellen Gründung der Südtiroler Filmförderung. Die war dann 2010. Nachdem die 10 Jahresfeier 2020 aus Corona-Gründen abgesagt werden musste, wurde somit 2021 gefeiert. Gefeiert? Vor allem wurde geredet. Zwei Stunden lang, mit zwei Moderator*innen dazwischen, zwei, drei kurzen Videoeinspielungen und etwas Musik zum Ein- und Ausklang. 
Positiv ist die IDM-Entwicklung zum Zertifikat Green Shooting für nachhaltige Dreharbeiten, in Sachen Diversity bzgl. der Verankerung von Gendermainstreaming-Richtlinien (als Auswahlkriterium) sowie zur neuen Förderschiene für Kurzfilme.

Die Besten

Wären da nicht die Filmschaffenden selbst, die den Abend noch irgendwie retteten. Beispielsweise die Reden der Vertreter*innen des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses der Filmschaffenden FAS: Nela Märki und Georg Zeller. „Wir hatten Angst“, sagte Zeller in Richtung Landesrat Achammer, „dass alles von dem, was wir bisher aufgebaut hatten, plötzlich eine Ende hat, dieser Traum vom Kinomachen in Südtirol. Ich denke wir wurden nun verstanden, dass es eben auch um Verantwortlichkeit für jene geht, die hier investieren.“ 


Nach den beiden „nicht-autochthonen“ Südtiroler*innen – Nela Märki hat sich die beste Rede des Abends ausgedacht und Georg Zeller kam mit dem besten Italienisch aller Redner*innen daher – , folgte am Ende der Veranstaltung die Übergabe einer Anerkennung für die Filmschaffenden und einst federführenden FAS-Mitstreiter*innen Andreas Pichler und Eva Lageder

Der Vergessene

Einer wurde an diesem Abend aber vergessen, auch wenn er während des PowerPoint-Vortrages von Vera Leonardelli auf einem Foto kurz zu sehen war: Karl Baumgartner (Baumi). Der 2014 verstorbene und international erfolgreiche Produzent war es mitunter gewesen, der zum einen den skeptischen Landeshauptmann Luis Durnwalder von der Idee einer Filmförderung überzeugte, der damals der noch kleinen Gruppe an lokalen Filmemacher*innen Mut machte weiterzukämpfen, und der wesentliches Filmförderung-Know-how für das Südtiroler Film(Neu)land einbrachte.

 

„Das große Anliegen von Baumi war, dass hier von innen heraus was passiert, dass hier auch Projekte langfristig realisiert werden, die auch von Südtirolern getragen werden und auch ein langfristiges Ziel haben“ erinnerte einst die BLS-Filmförderung-Frontfrau Christiana Wertz an Karl Baumgartner.
War man von der IDM 2019 noch drauf und dran einen Baumi-Preis für das Bolzano Film Festival Bozen zu forcieren, wurde daraus bisher noch nichts, der große (Mit)-Wegbereiter ist sogar vollkommen aus dem Gedächtnis der Filmförderung-Erinnerungen gefallen. 

Gegen Ungleichheit, Ausbeutung und jede Form von Lüge.

„Er war jemand, der ständig auf der Suche nach Geschichten war, Geschichten aus dem Leben, die authentisch sind“, erinnert sich Siegfried Baur, ein Freund aus Baumis Brunecker Clique: „Der Baumi war ein unglaublich neugieriger Mensch und gleichzeitig sehr offen, er war getragen von der Überzeugung, dass alle Menschen gleich sind, dass sich die Kulturen nicht essentiell unterscheiden, und dass auf einer bestimmten Ebene etwas entstehen kann, was man als Weltgesellschaft bezeichnen könnte – eigentlich war er ein exzellenter interkultureller Pädagoge.“ 
Mit prophetischer Kraft hat Baumi die lokale und internationale Filmszene wie kaum ein anderer geprägt, stets vermittelnd und mit politisch korrektem Ansatz: Gegen Ungleichheit, Ausbeutung und jede Form von Lüge. Danke Baumi und natürlich: Alles Gute der IDM-Filmförderung.