Kultur | Salto Weekend

Traurige Leichtigkeit

Im Jänner vor 30 Jahren verstarb Klaus Menapace. Wie seine Lyrik ihn überlebt hat und warum er als "Claas" Eingang in die Erzählung "Cortaccia-Kurtatsch" gefunden hat.
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Foto: Klaus Menapace

Die feine Sentenz „Versuche einfacher zu denken  / es ist einfacher als du denkst“ hat Klaus Menapace einmal zu Papier gebracht. Nachzulesen ist sie im Buch Gedichte. 1975-1990, das 1992 in der Edition Sturzflüge erschienen ist, zwei Jahre nach dem frühen Tod. Der Lyriker Sepp Mall hat diese Zeilen Menapaces als „so eindringlich und poetisch“ beschrieben, „dass sie nie mehr aus meinem Kopf gelöscht werden können.“

In den 1970er Jahren begann der 1954 in Tramin geborene Klaus Menapace Gedichte zu verfassen. In diesen Jahren war er auch Teil der revoluzzenden Jugendgruppe Action Admiral, die das traditionsbewusste Südtiroler Unterland im Geist der 68er aufmischte. In Innsbruck studierte er Geschichte und Germanistik, engagierte sich während des Studiums als Pressereferent der Südtiroler Hochschülerschaft, arbeitete beim Rundfunk und als Lehrer.


„Eine Kultur, die zum Klischee, zur Karikatur ihrer selbst wird, die sich auf die Tradition beschränkt und diese verselbstständigt,“ schrieb Menapace 1978 in der Zeitschrift der Südtiroler Hochschülerschaft skolast, „kann kein Verständnis mehr aufbringen für die Probleme, die die Gegenwart mit sich bringt, sie wird anachronistisch und läuft sich selbst tot.“ Ebenfalls im skolast erschien ein Jahr später erstmals seine Poesie, die beiden Bluesgedichte und die Gedichte Rechtfertigung und Sommer 77.

1981 ging Menapace als Sieger des Literarischen Wettbewerbs des Südtiroler Künsterlbundes hervor und nahm den Preis barfuß entgegen. Ein Jahr später, drei Tage vor seinem 28. Geburtstag, kam er mit seinem großen Vorbild Erich Fried (1921-1988) zusammen und ins Gespräch. Fried war für eine Lesung nach Lana gekommen. 


Ein Brief, den Menapace wenig später, im Jänner 1983, Erich Fried zukommen ließ, belegt, was die beiden in Lana Wochen zuvor besprochen haben. So erzählte Fried dem nachfragenden Studenten zu seinem Frühwerk und über die Entstehungsgeschichte des Nachkrieggedichtes Ton aus dem Jahr 1946.

1983 publizierte Klaus Menapace einige Gedichte in der von Gerhard Mumelter herausgegebenen Kulturzeitschrift Arunda, 1984 folgte der Preis der Stadt Innsbruck für sein Künstlerisches Schaffen

der Vorsichtige

er zweifelt
um nicht zu verzweifeln
er mißtraut
um nicht umsonst zu vertrauen
er gibt sich nicht preis
um nicht preisgegeben zu werden
er überlegt sich seine Gefühle
um nicht unterlegen zu sein
er geht nicht tief
um nicht tief zu fallen
er läßt sich nicht ein
um nicht verlassen zu werden
so lebt er
um nicht wirklich zu leben

 


Der frühe Tod von Klaus Menapace wurde von Ulrich Zieger (1961-2015) in die Erzählung Cortaccia-Kurtatsch eingearbeitet. Der Schriftsteller aus der ehemaligen DDR, war im Winter vor dreißig Jahren – wenige Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer – für ein Theaterprojekt nach Südtirol gereist. „Ein wesentlicher Auslöser für die vorliegende Gestalt dieser Erzählung war zweifellos der Tod von Klaus Menapace, wenige Tage nach unserer ersten und einzigen Begegnung“ erzählte Zieger 2008 in einem Interview, „die Bestürzung, die auf die Nachricht von Klaus Menapaces Freitod folgte, war entsprechend. Ich erinnere mich an ein Gefühl großer Leere, an das urplötzlich sehr auf uns lastende Schweigen der uralten Berge...“

Kannst du dich noch auf die Nacht auf den fünfzehnten Jänner besinnen.
In dieser Nacht starben drei Menschen.
Ja, richtig. Drei Menschen.
Die Alte am Geiz. Der Fahrer. Und Claas.

[aus: Cortaccia-Kurtatsch]

Auch Claudio Magris setzte Klaus Menapace im Buch Microcosmi (Die Welt en gros und en détail) ein Denkmal, wenn er Menapaces Gedichte als „außergewöhnliche Momentaufnahmen des Zaubers und der Mühsal des Lebens“ beschreibt. Seine von trauriger Leichtigkeit durchtränkte Lyrik, hat seinen frühen Tod überlebt.