Kultur | Bozen Filmfestival

Aus Doku mach Spielfilm

Als ein Local Hero ist im Festivalprogramm „Michael Gaismayr“ anzutreffen. Spannend dabei nicht nur der Protagonist, sondern auch der Zugang. Interview mit dem Regisseur.
Michael Gaismayr
Foto: Mowo Production
Nachdem die Dreharbeiten eigentlich hätten abgeschlossen sein sollen, fällte Regisseur Wolfgang Moser die Entscheidung aus seiner Gaismayr Dokumentation mit nachgestellten Szenen gleich ganz einen Spielfilm zu machen. In die Rolle des in Tschöfs bei Sterzing geborenen Bauernführers schlüpft dabei Peter Schorn. Wie es zu der drastischen Entscheidung kam und welchen doch recht ungewöhnlichen Werdegang das „Made in Südtirol“-Produkt hatte, erzählte uns der Regisseur.
 

 
Salto.bz: Michael Gaismayr war als hybride Mischform zwischen Dokumentar- und Spielfilm geplant. Wie kam es, dass Sie sich im Schnitt ganz für einen Spielfilm entschieden haben und ist das nicht ein wenig so, wie wenn ich eine Rezension plane und am Ende ein Gedicht über einen Theaterabend schreibe?
 
Wolfgang Moser: Das ist ein guter Vergleich. Anfangs sollte es eine Doku mit Reenactments werden, aber es waren von Anfang an viele dieser Szenen geplant, welche der Großteil des Filmes waren. Geplant war aber auch, das zu ergänzen durch Interviews und Archivmaterial. Im Schnitt kam dann Milena Holzknecht zum Team, eine Cutterin und Dramaturgin, die mich auch dramaturgisch beraten hat. Kurz vor der Einreichung beim Bolzano Filmfestival Bozen brachte sie mich auf die Idee noch einmal an der Geschichte zu arbeiten, was ich aus Zeitmangel bis dahin nicht getan hatte. Die Entscheidung zum Spielfilm fiel in meinem Denkprozess, als ich sah, dass mit zwei Drehtagen und drei Schauspielern die Informationen aus den Interviews von den Schauspielern erzählt werden könnten. Dann würde ein Spielfilm aus dem Projekt werden. Das war auch nur möglich, weil wir schon viele Szenen hatten.
 
 
Hat Sie darin vielleicht ein wenig der Erfolg von „Joe der Film“ angespornt, der gezeigt hat, dass Filme aus Südtirol für ein heimisches Publikum einen Markt haben?
 
Absolut nicht, das war zu keinem Zeitpunkt eine Überlegung, da es ja zwei komplett verschiedene Genres sind. Hätte man von Anfang an geplant, einen Spielfilm zu machen, dann hätte man das sicher anders gemacht, aber wir haben gesehen, dass das funktioniert. „Joe“ hat dabei keine Rolle gespielt.
 
Ein Prinzip in der Literatur, wie auch beim Film lautet „Show don’t tell“ und meint, dass man nicht erzählen soll, was sich zeigen lässt. Gibt man nun die Informationen von Historikern an Schauspieler ab, kommt man darum herum oder gibt es Szenen in denen man erzählen muss, was aus Budgetgründen nicht auf der Leinwand gezeigt werden kann?
 
Auf jeden Fall, deswegen wäre es auch anders geworden, wenn man von vorne herein einen Spielfilm gemacht hätte, dann würde man viel weniger erzählen und viel mehr zeigen. Es musste sein, da wir bei den Reenactments einige Szenen ohne Ton gedreht hatten, da wir wussten, es würde ein Historiker erklären, was wir da zeigen. Das Erzählen mussten dann die Schauspieler übernehmen, aber ich denke, es ist ein eigener Stil dadurch entstanden. Wir haben eine gute Geschichte entwickelt, wie sie uns das erzählen konnten.
Es sind drei Schauspieler und Rollen, mit denen wir nachgedreht haben: Zum einen ist da Magdalena Gaismayr (Alexa Brunner), die Frau von Michael Gaismayr, sowie Stefan Ganner, ein Bauernsoldat (Günther Götsch), der Seite an Seite mit ihm gekämpft hat und, wer neu dazu kam, der Sohn von Michael Gaismayr (Philipp Seppi), der fünfzehn, sechzehn Jahre alt ist. Magdalena und der Bauernsoldat erzählen dem Sohn, zehn Jahre nach dessen Tod, die Geschichte seines Vaters. Das wurde gut, denke ich.
Der Sohn will anfangs nichts wissen von seinem Vater und befindet sich in einer Krise, weil er ohne ihn hat aufwachsen müssen. Der Bauernsoldat beharrt dann darauf, meint, er würde die Geschichte sonst von Gaismayrs Feinden hören und die würden sie anders erzählen, als sie war. Das funktioniert nur, weil die Schauspieler sehr gut gespielt haben.
 
 
Denken Sie durch den Zuschnitt als Spielfilm wurde das Endprodukt zugänglicher und erreicht ein breiteres Publikum?
 
Die Idee war es, dass ich feststellte, mit zwei Drehtagen einen Spielfilm machen zu können. Dadurch, dass es mein erstes Projekt ist, wollte ich das unbedingt auch für die Referenz als Autor und Regisseur machen. Die Dokumentation wird auch noch gemacht, nur nicht im gleichen Ausmaß, wie wir es geplant hatten, da die Szenen ja bereits für den Spielfilm Verwendung fanden. Wir werden einige Szenen ohne Dialog auch einbauen, mit den Stimmen von Autoren und Historikern. Das Paket finde ich gut, da wir bei den Reenactments der Dramaturgie wegen nicht immer ganz der Wahrheit entsprochen haben. Der Großteil ist schon die Wahrheit, aber ein paar Sachen haben wir dazu erfunden, damit der Spielfilm funktioniert. Die Doku ist dagegen eine wissenschaftlich-historische Belegung der Fakten. Ich finde die Kombination gut, dass man zuerst den Spielfilm schaut und dann durch die Doku noch mehr erfährt.
 
 
Eine klassische Hollywood-Taktik ist es, in einer Geschichte, die als nicht massentauglich genug gilt eine Liebesgeschichte dazu zu erfinden. Gibt es in eurem Film eine Liebe, die nicht historisch belegt ist?
 
Es gibt eine Liebesgeschichte, aber es ist historisch belegt, dass Michael Gaismayr sehr stark für seine Frau eingetreten ist, was für die damalige Zeit nicht normal war. Das ist belegt. Wir haben die Liebesgeschichte eingebunden, auch weil belegt ist, dass Magdalena Gaismayr eine starke Frau war und diese Facette wollten wir mit einbinden. Wir haben da etwas dazu erfunden, aber es ist belegt, dass die beiden wahrscheinlich ein nettes, verliebtes Paar waren, bis zum Tode.
 
 
Ein historischer Spielfilm ist recht eng und kann sich vielleicht weniger über einen regionalen Kontext hinausbewegen. Michael Gaismayr war historisch ein Arbeiterrechts-Kämpfer unter vielen. Wird er in der Dokumentation aus diesem Blickpunkt betrachtet?
 
Ein Kämpfer für die Rechte war er schon, was ihn aber besonders machte, war dass er ein Konzept hatte. Seine Landesordnung, die damals nicht so hieß, sah die Gründung eines neuen Staates vor, ohne die Habsburger und mit einer Trennung von Kirche und Staat. Gaismayr glaubt zwar an Gott und hielt sich an dessen Gebote, aber was ihn von anderen Kämpfern unterschied, war sein Konzept: Was ist, nachdem wir die Habsburger vertrieben haben?
Im Spielfilm wird beschrieben, wie er in die Schweiz flüchtete und von dort aus versuchte mit Venedig und Frankreich in Kontakt zu treten. Er kam auch den Salzburger Bauern zur Hilfe und als Schauplätze sind auch Venedig und Padua zu sehen, wo er letztendlich auch umgebracht wurde.
Natürlich gehen wir in der Dokumentation mehr darauf ein, auch weil wir nicht viele Szenen außerhalb Südtirols gedreht haben, was eine Budgetfrage war. In der Dokumentation kann man dann mehr darauf eingehen, wie weit sein Netzwerk gereicht hat, im Spielfilm ist das nur angedeutet.
 
 
Richtet sich der Film eher an deutschsprachige Südtiroler oder dürfte er auch für Menschen mit italienischer Muttersprache interessant sein? Wird an eine Synchronfassung gedacht?
 
Wir überlegen auf alle Fälle diese zu machen, da Gaismayr in Italien sehr angesehen ist, als Geschichtsfigur. Er war für die Dogen von Venedig ein erfolgreicher Heeresführer in ihren Diensten, der einige Erfolge feierte. Deswegen ist Gaismayr in den Geschichtsbüchern in Italien besser dargestellt als hier in Tirol. Das hat lange gedauert, da er lange Zeit als Volksverräter und Ketzer abgestempelt wurde. Erst in den 60er und 70ern begann man zu verstehen, dass er eigentlich für den armen Menschen und nicht gegen ihn gekämpft hatte.
Ob wir wirklich synchronisieren oder mit Untertiteln arbeiten ist dann eine Kostenfrage, aber das gehen wir in nächster Zeit an.