Politik | Raum und Landschaft

„Innen fatal, außen katastrophal“

Südtirols Heimatpfleger rufen dazu auf, den Gesetzesentwurf für Raum und Landschaft zu versenken.:"Mit solch einem Gesetz wird das Land ruiniert."
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Foto: Heimatpflegeverband

Es ist ein Hilferuf in letzter Minute und zugleich ein verheerendes Zeugnis für eines der großen Reformvorhaben der auslaufenden Legislatur, das der Südtiroler Heimatpflegeverband am Donnerstag im Bozner Hotel Laurin zum Gesetzesentwurf für Raum und Landschaft ausstellte. „Dieser Gesetzestext ist absolut nicht ausgereift und voll mit bewusst eingeschleusten Interpretationsmöglichkeiten“, erklärte Obfrau Claudia Plaikner.  Wenige Tage, bevor am kommenden Dienstag die Sondersitzung beginnt, in der Richard Theiners opus magnum kurz vor dem Ende seiner politischen Karriere in Gesetzesform gegossen werden soll, versuchen die Heimatpfleger noch einmal die Notbremse zu ziehen. Völlig inakzeptabel und verantwortungslos der nächsten Generation gegenüber sei das Ergebnis des Bestrebens, die RaumUnOrdnung aufzuräumen. Sprich: den nicht mehr lesbaren und von Interpretationsmöglichkeiten strotzenden aktuellen Gesetzestext zur Raumordnung zu reformieren und mit dem Landschaftsschutz zusammenzulegen.  

Was mit guter Vision und Inhalten begonnen worden war, sei vor allem aufgrund der Lobbyarbeit der Bauern und der Hoteliers in vielen Teilen schlimmer als zuvor, finden die Heimatpfleger. „Innen fatal, außen katastrophal“ wandeln sie Richard Theiners plakativen Grundsatz „innen flexibel, außen penibel“ um„Wir haben Sorge, dass das Land mit solch einem Gesetz ruiniert wird und langfristig auch als Urlaubsland unattraktiv wird“, sagt Claudia Plaickner. Die bei der Pressekonferenz nicht vergaß, dem Urheber des Gesetzesentwurfes „herzlich“ zu seinem gestrigen 60. Geburtstag zu gratulieren. „Ich weiß, Persönliches und Fachliches auseinanderzuhalten“, meinte die Obfrau des Heimatpflegeverbandes. „Doch wenn sich Richard Theiner überlegt, was er mit einem Gesetz in dieser Form anrichten kann, kann er heute nicht ganz fröhlich sein.“ 

Gemeinsam mit den Fachleuten Albert Willeit und Rudi Benedikter hinterlegte Plaickner solche Breitseiten auch tatsächlich fachlich. Und zwar nicht erst kurz vor 12. Bereits in der gesamten Entstehungsphase des Reformgesetzes habe man regelmäßig Inputs und konstruktive Kritik vorgebracht, unterstrich Rudi Benedikter. Doch im Gegensatz zu jenen der großen Wirtschaftsverbände hätten sie keinen Niederschlag im Entwurf gefunden. Deshalb versandte der Heimatpflegeverband nun noch einmal sämtliche Kritikpunkte samt Änderungsvorschlägen an die Landesregierung und alles Landtagsabgeordneten. 

Weg mit der Siedlungsgrenze

Ein Konvolut aus vielen Details und Abänderungen, die sich aber in mehrere große Themenblöcke zusammenfassen lassen. Wie etwa das fehlende Bekenntnis zum Schutz von Landschaft, Natur und Ökologie, dem bereits in den Grundsatzbestimmungen in Artikel 1 keine Priorität eingeräumt werde, wie Benedikter kritisiert. Statt dessen werde das große Ansinnen, den Bodenverbrauch einzuschränken ins Gegenteil verkehrt und durch zahlreiche Aufweichungen weiter gefördert.  Allem voran mit den bereits vielfach kritisierten Ausnahmen oder Sondergenehmigungen für die Landwirtschaft. Doch auch die Tatsache, dass der vieldiskutierte Wertausgleich innerhalb der Siedlungsgrenzen nur für den Wohnbau, nicht aber für Gewerbe- und Tourismuszonen gelte, stehe beisielsweise dem Ansinnen im Weg, bestehende Kubatur zu fördern und wiederzugewinnen. 

 

Völlig streichen würden die Heimatpfleger das Konzept der Siedlungsgrenze, das nicht nur Konflikte, sondern auch Spekulation vorprogrammiere. Der de facto fehlende Ensembleschutz bereitet ihnen genauso Bauchweh wie die einseitige Besetzung der Grün-Grün-Kommission. Die fast überall mögliche Ausweisung neuer Tourismuszonen beurteilt der Verband ähnlich besorgniserregend wie die Tatsache, dass geschlossene Höfe ihre Wohnkubatur unabhängig von ihrer Größe auf 1500 m3 erhöhen dürfen. „Wenn wir in einem Gebiet wäre wie dem Cadore wären, wo es wirklich Investitionen braucht, könnte man manches noch verstehen“, meinte Albert Willeit. Doch in Südtirol sei man in einer Hochkonjunktur und wisse „jetzt schon nicht mehr, wohin mit den Gästen“. „Und dennoch schaffen wir nun die Voraussetzungen, dass alles genauso weiter geht und überall möglich ist statt die Verbauung der Landschaft endlich einzubremsen“, so Willeit. Auch verfahrenstechnisch sehen seine Kollegen und er keine Verbesserungen, sondern das Gegenteil auf Südtirol zukommen. „Die Planungsverfahren und Planungsinstrumente werden mehr, komplizierter, teurer und langwieriger, und durch viele Detailregelungen auch unklarer“, sagt Claudia Plaickner. Und prognostiziert: „Sowohl die Gemeinden als auch das Land werden durch die Verfahren völlig überfordert sein.“

Spekulative Vorarbeiten

Dass das Gesetz erst im Jahr 2020 in Kraft treten soll, sieht der Heimatpflegeverband als eindeutiges Zeichen dafür, dass "man sich selber nicht sicher sei und daher diese halbherzige Lösung wähle". „In der langen Übergangsphase bis zum Inkrafttreten des Gesetzes wird es Unmengen an spekulativen Vorarbeiten und vollendeten Tatsachen geben“, warnen die Obfrau und ihre Mitstreiter. Nachdem eine Korrektur der vielen kritischen Punkte auch für sie unrealistisch zu scheint, gibt es für den Heimatpflegeverband in der aktuellen Situation nur einen Ausweg: Sie legen den Landtagsabgeordneten nahe, mit Nein zu stimmen, um die Verabschiedung des Gesetzes auf die nächste Legislatur zu verschieben und dann mit ausreichend Zeit einen besseren Wurf auf den Weg zu bringen. 

Zumindest bei der Volkspartei werden sie damit keine Chancen haben. Sowohl Parteiobmann Philipp Achammer wie Landesrat Richard Theiner verteidigten den Gesetzesentwurf am Donnerstag.  Theiner kündigte aber an, dass die SVP-Fraktion im Landtag noch einige Änderungsvorschläge vorbringen werde.  „Es handelt sich um die komplexeste Materie, die in den vergangenen Jahren zu behandeln war“, rechtfertigte dagegen der SVP-Obmann den „wichtigen Bauplan für die Zukunft Südtirols“. Dieser sei unter Einbindung aller erdenklichen Interessensgruppen sehr professionell erarbeitet worden. „Der Text darf nun nicht in seine Einzelteile zerlegt werden – er muss als zusammenhängendes Ganzes betrachtet werden“, warnt Achammer. Aus solch einer Perspektive weise der Gesetzesentwurf sehr wohl in die  Zukunft – und übernehme jetzt Verantwortung für eine Entwicklung, „die wahrscheinlich erst von den kommenden Generationen erkannt wird“.