Gesellschaft | Aus dem Blog von Frank Blumtritt

Transparente Gehälter im Sanitätsbetrieb

An Transparenz muss es wohl lange Zeit gefehlt haben im Lande, sonst würden sich die Medien nicht so draufstürzen, auf die Gehälter. Nachdem ich nun auch ein "Transparenzopfer" geworden bin, musste ich mir Gedanken machen...
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Gastronomie
Foto: Rene Asmussen

Wie fühle ich mich dabei, wenn Kollegen und Kolleginnen, Nachbarn und Nachbarinnen oder wer auch sonst immer mag, wissen darf, wie viel mir Herr/Frau Steuerzahler jährlich rüberschieben für meinen Job. Peinlich? Angst? Neid? Zorn? Ein Haufen Gefühle kommen in Frage und wechseln sich zunächst ab. Dann aber beruhigt sich mein Bauch und das Hirn schaltet sich zu. Immerhin, sage ich mir, ist diese Publikation zur Abwechslung wahrheitsgetreu und somit eine Gelegenheit für interessante sozio-ökonomische Überlegungen zum Thema "Sanität".

Zur Vorbeugung allgemeiner Missverständnisse sei vorausgeschickt, dass alle Gehälter Brutto sind ("imponibile") und somit in der Oberliga fast die Hälfte dem Staat wieder zurückgegeben wird. Es sei aber auch gesagt, dass eventuelle Zusatzverdienste noch dazu kommen können, wie z.B. freiberufliche innerbetriebliche Zusatztätigkeiten, oder, wie in meinem Fall, ein Lehrauftrag für die Universität Verona (steuerlich eine Kathastrophe, aber ein paar Euro kommen noch dazu...). 

Auffällig ist sofort, dass die Führungsspitze nicht unbedingt mehr verdient als die "mittlere Führungsebene" (sprich: Primare). Das wäre in privaten Unternehmen undenkbar und Bill Gates würde lachen. Es erklärt aber einiges über die Funktionsweise unseres Gesundheitssystems. Zum Beispiel, warum Veränderungsprozesse so mühsam umsetzbar sind. Der Marktwert eines Angestellten sagt etwas über seine Wichtigkeit, seine Macht, seinen Einfluss aus. Wer teuer ist, darf, muss, soll mitreden, wer sehr teuer ist bestimmt einfach vieles selbst. Ärzte haben in Südtirol gute Verträge, weil sie nur bei uns exklusiv für den Betrieb arbeiten, während sie im Rest Italiens freiberuflich Zusatzverdienste haben dürfen. Das ist an sich eine gute Garantie für den Bürger, hat aber seinen Preis und nicht nur in Euro gerechnet, sondern auch in Machtzuweisung, bzw. -abtretung.

Nun wäre auch dies durchaus positiv zu sehen, wenn die gut bezahlten Spitzenkräfte gut unter der Kontrolle des Top-Managements stünden. Letzteres ist aus verschiedenen Gründen oft nicht der Fall. Da spielen die geschichtliche Entwicklung der Medizin, oder die gesellschaftliche Rolle der Ärzteschaft genauso eine Rolle, wie die Macht der Gewerkschaften und anderer Lobbys, und nicht zuletzt die unklare Zuständigkeit, bzw. Durchmischung von Politik und Betriebsführung, wo sich so mancher Ball gegenseitig zugespielt oder abgeluchst wird. Das Ergebnis sind die medienwirksamen Zwistigkeiten zwischen Direktion und einzelnen Primaren, durchmischt mit einer guten Prise Kirchturmpolitik (s. Problem Basiskrankenhäuser). Man müsste Herrn und Frau Steuerzahler aber schon mal erklären, weshalb Spitzenverdiener mit über 200.000 € Brutto "frustriert" sein können/dürfen, während z.B. Krankenpflegerinnen im 24-Stunden-Dienst mit einem Viertel dieses Betrages augenscheinlich zufrieden sind - und wenn nicht, wäre das wohl kein interessantes Zeitungsthema. Sicher könnte man/frau sich ein noch klareres Bild der Realität machen, wenn zumindest die Durchschnittsgehälter auch der anderen Berufskategorien im Gesundheitswesen veröffentlicht würden.

Fazit: Dank dem Transparenzgesetz kann nun Jedermann und -frau die Anomalie verstehen, dass wir hier einen kolossalen Betrieb mit rund 9.000 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von über einer Miliarde Euro haben, in dem die mittlere Führungsebene mehr Marktwert hat, als jene, die den Betrieb managen sollen. Wir Organisatoren bitten um Verständnis. (work in progress...)