Gesellschaft | Freiheit

„Des weard nimmer mear guet“

Erwin Demichiel, von Beruf Psychologe und ehemaliger Vorsitzender der Initiative für mehr Demokratie, über Meinungsfreiheit und die Zukunft der Demokratie.
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Foto: Salto.bz
Salto.bz: Herr Demichiel, Sie sind nicht nur Mitbegründer der Initiative für mehr Demokratie, Unterstützer der Plattform Zukunftspakt – Patto Futuro, sondern nun auch Kandidat für die Liste Vita. Der Einsatz für die Bürgerrechte zieht sich wie ein roter Faden durch Ihren Lebenslauf.
 
Erwin Demichiel: Das ist auch der Grund, weshalb ich mich entschlossen habe, für die Liste Vita zu kandidieren. Im Ethik-Kodex und im Programm sind der Schutz der Demokratie, der Verfassung, der Menschenrechte und der individuellen Rechte festgeschrieben. Bedroht werden sie vor allem von der neuen Dreifaltigkeit: großes Kapital, große Digitalmacht, große Biotechnologie. Wir müssen nicht nur das bisschen schützen, das uns an Demokratie noch geblieben ist, sondern wir müssen mehr fordern. Die Liste Vita ist meiner Meinung nach die einzige, welche diese Problemfelder konkret und kompetent dokumentiert beim Namen nennt und auch die lokalen Auswirkungen aufzeigt
 
 
Kann man in Südtirol seine Meinung frei äußern?
 
Ich würde diese Frage nicht nur auf Südtirol beschränken. Die Meinung frei äußern? Man wird nicht eingesperrt.
 
 
Sondern?
 
Man wird beispielsweise totgeschwiegen, nicht veröffentlicht. Zum einen gibt es in unserem Land ein Medienmonopol, und zum anderen hat sich in den vergangenen drei Jahren etwas herauskristallisiert, das eine Art Bereich des „Nicht Sagbaren“ darstellt. Darüber gibt es offenbar einen großen politisch-medialen Konsens. Äußert man sich trotzdem über das „Nicht Sagbare“, so wird man dafür mit einem Begriff bedacht, der in den letzten drei Jahren eine steile Karriere gemacht hat, nämlich „Verschwörungstheoretiker“. Von einem sozialwissenschaftlichen Begriff hat sich dieser zu einem „Totschlag-Begriff“ gewandelt, der im Grunde genommen alles und nichts sagt. Zugeschrieben wird er beispielsweise jenen, die Veränderungen und Tendenzen in unserer Welt benennen und etwas völlig Neues darstellen. 10.000 Jahre Patriarchat, gefolgt von 600 Jahre Kapitalismus und 40 Jahre neo-liberaler Kapitalismus. Nun befinden wir uns mitten in einem Prozess, den man als digitalen Kapitalismus bezeichnen kann. Dokumente und Aussagen in diese Richtung kann man bei offiziellen Institutionen wie der EU, WHO, WWF, diversen Stiftungen und Think-Tanks nachlesen.
 
 
Zum einen gibt es in unserem Land ein Medienmonopol, und zum anderen hat sich in den vergangenen drei Jahren etwas herauskristallisiert, das eine Art Bereich des „Nicht Sagbaren“ darstellt.
 
 
Wie ist es dazu gekommen, dass dieser „Moralwächter-Fundamentalismus“ einiger Gruppen in unserer Gesellschaft Einzug halten konnte?
 
Ich weiß nicht, ob man von einer bestimmten Gruppe sprechen kann. Hilfreicher scheint mir der Begriff der Eliten. Es ist diese Wechselwirkung zwischen technischen, ökonomischen, politischen, kulturellen, medialen Veränderungen, die über die jeweiligen Eliten und ihrem Austausch untereinander schließlich in einen normativen Kodex münden, der sich subtil und wenn es sein muss brachial über die Medien in die Gesellschaft ergießt. Und über allem schwebt immer als heiliger Geist das Prinzip des Machterhalts und der Profitmaximierung.
 
 
 
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Erwin Demichiel: „Das, was in der Ukraine passiert, hat eine Geschichte. Um sie zu verstehen, muss man zumindest bis zum Fall der Berliner Mauer zurückgehen.“ (Foto: Salto.bz)
 
 
 
Sie sprachen von digitalen Kapitalismus  andere Bewegungen wie Fridays For Future postulieren einen System Change und „Umbau der Gesellschaft“, was eher an die kommunistische Lehre erinnert.
 
 
In diesem Zusammenhang fällt mir eine Aussage von Klaus Schwab ein, den Vorsitzenden des Weltwirtschaftsforums. In seinem Buch „The great reset“ schrieb er: „Im Jahr 2030 werden Sie nichts besitzen und glücklich sein.“ Schwab spricht vom grundlegenden Umbau der Gesellschaft. Demokratien, Verfassungen, Menschenrechte sowie individuelle Rechte stellen ein Hindernis auf dem Weg zu dieser Transformation dar. Ziel ist die Schaffung eines neuen Menschen, der nicht mehr als bio-psycho-soziales – und eventuell spirituelles – Wesen begriffen wird, sondern als ein Algorithmus, den man – frei nach Yuval Harari – hacken, programmieren und umprogrammieren kann. Bezeichnend dafür sind die transhumanistischen Schlagworte „Schnittstelle Mensch-Maschine“ oder „Internet der Körper“. Geplante Bausteine sind zum Beispiel Zensur, totale digitale Überwachung, Zentralbankgeld, Übergabe von staatlicher Souveränität an supranationale und niemandem rechenschaftspflichtige Institutionen. Vor Kurzem ist unter allgemeinem Schweigen die EU-Bestimmung „Digital Services Act“ in Kraft getreten, mit welcher unter anderem nationale und supranationale Behörden geschaffen werden, deren Aufgabe die Identifikation und Löschung im Internet von sogenannter Desinformation, von sogenannten ungesetzlichen und irreführenden Informationen ist. Argumentiert wird, dass diese Maßnahme dem Schutz der Demokratie gilt, da Menschen nicht zu unerwünschten Handlungen verleitet werden sollen, die ihnen schaden und sogenannte systemische Risiken bergen.
 
 
Wir müssen wieder zu den Prinzipien zurückfinden, auf die sich unsere Gesellschaft geeinigt hatte
 
 
Was sind systemische Risiken? Menschen, die auf den Straßen für Frieden mit Russland demonstrieren?
 
 
Ja, das ist ein systemisches Risiko. Ich habe in einem Südtiroler Medium vor Kurzem ein Interview mit dem Historiker Karl Schlögel zum Ukraine-Krieg gelesen. In den vier Seiten werden weder die USA noch die NATO erwähnt. Eine Meisterleistung von Journalist und Historiker. Ich habe in meiner Schul- und Studienzeit gelernt, in Zusammenhängen zu denken. Wie will man die Geschichte sonst verstehen? Und dann will man den Vortrag von Daniele Ganser, der genau zu diesen Zusammenhängen in Meran gesprochen hat — im übrigen teile ich seine Meinung nicht zu jedem Punkt – verbieten? Weil es sich um Desinformationen und ein systemisches Risiko handelt?
 
 
Darf man das sagen?
 
(Lacht) Das, was in der Ukraine passiert, hat eine Geschichte. Um sie zu verstehen, muss man zumindest bis zum Fall der Berliner Mauer zurückgehen. Wladimir Putin hat einen illegalen Akt gesetzt und ist in die Ukraine einmarschiert, man muss aber fragen, im Rahmen welcher Zusammenhänge es dazu gekommen ist. Die Erklärung, dass es sich um die Tat eines psychisch gestörten Individuums handelt, wird dem Thema nicht gerecht.
 
 
In der Diskussion stehen wir allerdings vor verschiedenen Positionen, die nicht miteinander interagieren und sich austauschen, sondern die Deutungshoheit über die eigene Version einfordern.
 
Wir müssen wieder zu den Prinzipien zurückfinden, auf die sich unsere Gesellschaft geeinigt hatte, wie beispielsweise die in Verfassungen verankerten Prinzipien, dass Wissenschaft bedeutet, in Zusammenhängen zu denken und dass sie immer ein Austausch von konträren Positionen ist. Wie soll man sich sonst der Wahrheit nähern, wenn nicht durch Rede und Wiederrede? In der Wissenschaft bestand eigentlich ein Konsens über die Gültigkeit von Karl Poppers Prinzip, dass jede Theorie nur dann gut ist, wenn sie falsifiziert werden kann. Wenn dieser Konsens außer Kraft gesetzt wird, gibt es kein Halten mehr.
 
 
 
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Erwin Demichiel: „Linke und liberale Kräfte haben sich schon lange von den Anliegen der Mehrheit der Menschen abgekehrt und beschweigen aktuelle große Themen.“ (Foto: Salto.bz)
 
 
 
In der Vergangenheit kam den Vertretern der Kirche bzw. den religiösen Führern als übergeordnete moralische Instanz die Aufgabe zu, Risse in der Gesellschaft zu kitten und die Spaltung zu überwinden.
 
Dieses Potential ist kaum mehr vorhanden. Papst Franziskus unternimmt noch Versuche in diese Richtung. Aber wahrscheinlich wird die künstliche Intelligenz für uns eine neue Einheitsreligion erschaffen.
 
 
Von der Spaltung scheinen derzeit insbesondere populistische Bewegungen und Bewegungen, die sich am rechten Rand formieren, zu profitieren.
 
Linke und liberale Kräfte haben sich schon lange von den Anliegen der Mehrheit der Menschen abgekehrt und beschweigen aktuelle große Themen. Da sind Ängste und Ohnmachtsgefühle, die durch die derzeitigen multiplen Krisen hervorgerufen und zum Teil gezielt verstärkt werden. Die sogenannte Mitte, die eigentlich das ganze Gefüge zusammenhalten soll, wird geschwächt, sei es wirtschaftlich wie auch durch eine intellektuelle Delegitimierung. Abgewertet wird unter anderem die konservative Haltung, die sich gegen das globale, grenzenlose Diverse ausspricht. Da hat die Rechte leichtes Spiel.
 
 
Aber wahrscheinlich wird die künstliche Intelligenz für uns eine neue Einheitsreligion erschaffen.
 
 
In der Klima-Debatte spricht man von Kipp-Punkten. Sehen Sie analog dazu auch in der gesellschaftspolitischen Entwicklung Zäsuren? Die Abschaffung des Glaubens und dessen Ersetzung durch Ideologien, in jüngster Vergangenheit die Corona-Pandemie und eine weitere Schwelle scheint sich mit der Selbstbestimmung anzubahnen siehe Beispiel Deutschland.
 
Es handelt sich um Phänomene, die uns auf dem Weg zur neuen Welt und zum neuem Menschenbild begegnen. Das Menschenbild, das durch 600 Jahre Humanismus geprägt ist, ist mit dieser Entwicklung nicht mehr vereinbar. Ein Beispiel am Rande: Welchen Sinn macht es, den Menschen, Kindern und Jugendlichen 50 oder mehr Geschlechtsidentitäten anzubieten? Sieht man sich die Rezeption in den Medien an, möchte man glauben, dass es sich um eines der zentralen Themen der Gegenwart handelt. Aber das ist es nicht. Überhaupt nicht. Das trägt nur zur Verwirrung darüber bei, was der Mensch ist. Je mehr Verwirrung, desto mehr Angst und umso leichter ist es, vom Wesentlichen abzulenken.
 
 
Wichtiger wären die Themen Wohnen, Arbeit, soziale Gerechtigkeit?
 
Und natürlich Frieden. Es werden ungeheure materielle und menschliche Ressourcen in den Krieg investiert. Und diese und die Folgen bezahlen wir alle täglich und in Zukunft in vielen Formen. Aber darüber darf man nicht sprechen.
 
 
 
Je mehr Verwirrung, desto mehr Angst und umso leichter ist es, vom Wesentlichen abzulenken.
 
 
 
Wir beobachten zunehmend eine Spaltung der Gesellschaft in verschiedene Realitäten bzw. sogenannten „Blasen“. Diese diskutieren nicht mehr miteinander, sondern schreien sich – vor allem auf den Social Media-Plattformen – nur mehr an. Wie ist uns der „Raum“, in dem gemeinsam diskutiert werden kann, abhanden gekommen? Und vor allem wie könnte man diesen wieder öffnen?
 
Vor 2020 hat ich den Eindruck, dass man nicht nur über alles frei reden konnte, sondern dass eine öffentliche Auseinandersetzung sogar erwünscht war. Und dann ist etwas passiert – ich spreche hier von meiner ganz persönlichen Erfahrung – plötzlich ist ein Hass und eine Hetze losgetreten worden gegen abweichende Meinungen, die ich nicht für möglich gehalten habe. Während der Coronazeit wurden öffentlich Dinge geäußert, und zwar nicht von irgendwelchen Besoffenen, sondern von ehrenwerten Bürgerinnen und Bürgern, Intellektuellen und auch Medienvertretern, die regelrechte Vernichtungsphantasien widerspiegelten. Ich hatte das Gefühl, eine Situation zu erleben, die ich nur aus den Geschichtsbüchern kannte.
Diesen Moment habe ich persönlich als Bruch erlebt. Eine Erstarrung hat bei den Menschen eingesetzt. Wie es in einem Volksstück heißt: „Do drin hots iatz weah getun, und des weard nimmer mear guet.“
 
 
Wie lässt sich das wieder richten?
 
Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall nicht durch dröhnendes Schweigen, so wie es jetzt passiert..
 
 
Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt sprach im Zusammenhang mit den sozialen Medien und der Informationsflut von einer „Gefahr der Hysterisierung“ der Gesellschaft. Nur noch mit Satire zu ertragen, erklärte der deutsche Comedian Dieter Nuhr. Ihre Einschätzung?
 
Die große Frage ist tatsächlich, wie wir damit umgehen. Denn eigentlich dürfte uns das alles nicht mehr ruhig schlafen lassen. Satire ist eine Möglichkeit …
 
… das zu sagen, was man nicht sagen darf.
 
Ja, und Humor. Humor ist etwas anderes als Satire und beinhaltet die Fähigkeit, sich von sich selber und von dem, was in der Welt vor sich geht, distanzieren zu können. Das einzige, das wir mit Sicherheit wissen, ist, dass nichts in dieser Welt von Dauer ist. Dinge kommen und gehen, das war immer so und wird immer so sein. In dieser dualen Welt, die nur existiert, weil es von allem sein Gegenteil gibt – Licht und Schatten, gut und böse, oben und unten – müssen wir uns entscheiden, wofür wir einstehen wollen. Es gibt keinen Ort ohne Widersprüche.
Wir Menschen sind zu Gemeinschaft befähigt und deshalb auch für Demokratie – für parlamentarische, partizipative und direkte Demokratie. Auch wenn wir Manipulationen ausgesetzt sind, können wir zusammenarbeiten und uns überlegen, wie wir den Bedürfnissen des Einzelnen und der Gemeinschaft gerecht werden können. Wir können es wirklich. Das ist das einzige, das uns wirklich helfen kann.
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Josef Fulterer Di., 19.09.2023 - 06:33

Auch in der Vergangenheit hat es immer wieder Krebs-artig wuchernde Ausreißer, im friedlichen und Konflikt-freiem zusammen-Leben der Menschen gegeben, der bei der Enstehung eine viel zu große Schar von Begeisterten, ohne selber zu denken gefolgt sind.
Der Griff zu den Waffen, die seit Abel von seinem Bruder Kain mit einem Stock erschlagen wurde, von der perfiden überaus profitablen Waffenindustrie, überforderten VERANTWORTUNGs-losen und im Wahn-Sinn verirrten Herrschern zugeschoben, hat ...

Di., 19.09.2023 - 06:33 Permalink
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Peter Gasser Di., 19.09.2023 - 07:00

Hans Joachim Friedrichs sagt am 28. Dezember 2013 sein inzwischen berühmtes Credo:
“Das hab' ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, **sich nicht gemein machen mit einer Sache**, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, daß die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören”:
.
und dann kommt DAS:

“Wie ist es dazu gekommen, dass dieser „Moralwächter-Fundamentalismus“ in unserer Gesellschaft Einzug halten konnte und scheinbar unwidersprochen akzeptiert wird? Dass eine bestimmte Gruppe, die vorbehaltlose Narrenfreiheit genießt, darüber bestimmen kann, was man zu denken, zu sagen, wie man es zu sagen und –  am Ende noch – worüber man zu lachen hat? Dass diese Gruppe auch darüber bestimmt, wer zu den „Aussortierten“ gehört?”
.
Damit verliert das ganze Interview an Substanz, an Wert - wenn sich die Journalistin als Verbrüderte im Geiste zeigt mit dem Interviewten und sich gemein macht mit einem ganz bestimmten Gedankengut und dieses als Tatsache einbaut - so zeigt es sich dem Leser. Sie fragt nicht, sie behauptet die Sachlage (“Dass eine bestimmte Gruppe, die vorbehaltlose Narrenfreiheit genießt, darüber bestimmen kann, was man zu denken, zu sagen, wie man es zu sagen ... hat”) - darüber muss ich, und sollte nicht nur ich, jetzt nachdenken.

Di., 19.09.2023 - 07:00 Permalink
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Profil für Benutzer △rtim post
△rtim post Di., 19.09.2023 - 12:43

Antwort auf von Peter Gasser

Hans Joachim Friedrichs Ethos und Selbstanspruch hat mit Handwerkskunst des Journalismus, Qualitätsjournalismus zu tun.
Als spontane Antwort auf die (indirekte) Frage, warum dieser heute auf dem Medienmarkt (kaum) abgebildet ist bzw. wieso nicht (mehr), wie Peter Gasser offenbar meint, verkennt u.a., dass die Social-Media-Variante des Lesens einfach anders funktionieren, keine Arena für den Austausch von sachlichen Argumenten sind usw. Im Mittelpunkt stehen vielmehr Emotionen, die der Identitätsbildung und Identitätsabsicherung dienen. Denn soziale Medien, die Social-Media-Variante des Lesens bringen uns dazu, außerhalb unserer lokalen Blasen zu agieren. Sie konfrontieren uns mit unterschiedlichen und gegensätzlichen Welten, Weltanschauungen und Meinungen. Wenn nun im globalen digitalen Raum unsere lokale Verwurzelung wegbricht, muss an diese Stelle ein anderes Identitätsmerkmal treten. Das ist in den sozialen Netzen die politische Überzeugung. Dieser wird dann alles andere untergeordnet: selbst private Präferenzen. ("Kein Mensch ist privat". Vgl.a: B. Plagg, "Barfuss". Es gilt sich ständig zu verhalten.)
Es entsteht dabei der Eindruck, wir könnten die gesellschaftliche Polarisierung überwinden, indem die Plattformen Nutzer-innen mit konträren Meinungen konfrontieren. Doch wenn z.B. Törnbergs Studienergebnisse zutreffen, würde gerade das die Polarisierung erst so richtig anheizen. (Vgl.a.: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2207159119 )

Di., 19.09.2023 - 12:43 Permalink
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Peter Gasser Di., 19.09.2023 - 07:58

Antwort auf von Lollo Rosso

Das habe ich mich bei diesem Interview auch gefragt - und frage mich noch immer...
... so macht man das doch nicht, oder sehe ich das falsch??
.
Auch diese weitere Frage sehe ich nicht dem objektiven Journalismus verpflichtet, sondern subjektiv:
“Was sind systemische Risiken? Menschen, die auf den Straßen für Frieden mit Russland demonstrieren?”:

Nicht “Menschen, die auf der Strasse für Frieden mit Russland” sind, erzeugen ein systemisches Risiko. Wohl aber Menschen, die die Kapitulation der Ukraine wollen und damit eine Welt heraufbeschwören, in der das Recht des Stärkeren gilt, und nicht mehr die Stärke des rechts. Wer die größere Bombe hat oder die größere Anzahl an Granaten, darf sich nehmen, was er will, auch das Leben der Menschen, der darf vergewaltigen, foltern, morden, deportieren, zerstören, ohne dass er dafür zur Verantwortung gezogen wird.
Und was bedeutet die “Frieden mit Russland”? ... dass wir Frieden mit Russland haben (also unsere Ruhe), oder dass die Ukraine Frieden mit Russland hat, also dass die Menschen in der Ukraine Frieden mit Russland haben.
Und dass nur ein gerechter Frieden ein Frieden ist, und dass es keinen Frieden gibt ohne Freiheit?.
.
Es geht doch nicht um unseren “Frieden mit Russland”, sondern um den (tagtäglichen) Angriffskrieg gegen und in der Ukraine. Man merke den Unterschied im Klang:
einmal ‘Frieden mit Russland’, und einmal ‘Angriffskrieg gegen die Ukraine’: ersteres suggeriert, wir würden keinen Frieden mit Russland halten, also wir sind die Täter; beim zweiten ergibt sich der korrekte Zusammenhang, so meine Sicht auf die Sachlage.

Di., 19.09.2023 - 07:58 Permalink
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Peter Gasser Di., 19.09.2023 - 08:29

Antwort auf von Arne Saknussemm

“In welcher Welt leben sie eigentlich?” fragen Sie ...
... in unserer ( mit all ihren Schwächen und Fehlern) und ich bin froh, nicht in der russischen und nicht in der chinesischen Welt mit deren Diktatoren leben zu müssen - und ich möchte, dass dies so bleibt.
Und ich wünsche dies auch den Ukrainern.
Slava Ukraini!

Di., 19.09.2023 - 08:29 Permalink
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Felix von Wohlgemuth Di., 19.09.2023 - 10:06

Antwort auf von Peter Gasser

Nein, Du siehst das nicht falsch. Ich habe mich auch gewundert.

Hier wird zB die Verschwörungstheorie (JA es ist eine!) zum Great Reset wiedergegeben, ohne dass irgendwie kritische Nachfragen gestellt wurden. Sogar das angebliche Zitat von Klaus Schwab "Im Jahr 2030 werden Sie nichts besitzen und glücklich sein.“ ist eine reine Erfindung und wurde von ihm nie gesagt - geschweige denn im Buch geschrieben.

Auch weitere Falschinformationen, wie zB über den „Digital Services Act“ bleiben einfach unkommentiert stehen. Anstatt zu verstehen, dass dieser Rechtsakt ein wahres „Grundgesetz für das Internet“ darstellt und die Rechte der Menschen stärkt, wird die EU als neue Zensurbehörde dargestellt. Aber vermutlich sehen einige es ja als Errungenschaft an, dass wir von Staatspropaganda anderer Staaten (Russland, China &Co) ungeschützt geflutet werden können.

Sicher werden sich einige jetzt wieder furchtbar aufregen, wenn man dieses – entschuldigt den nicht sehr sympathischen den Ausdruck – Gelabere als das bezeichnet, was es ist: eine Ansammlung von Verschwörungstheorien, genährt von Telegram, Youtube und Epoch Times & Co.

Di., 19.09.2023 - 10:06 Permalink
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Stefan S Di., 19.09.2023 - 11:25

Antwort auf von Felix von Wohlgemuth

"Verschwörungstheorie (JA es ist eine!) zum Great Reset"
Und täglich grüßt das Murmeltier der Verschwörungsneurotiker
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/wef-schwab-101.html
Bei den Rechtsextremen ist man sich ja einig diese auszugrenzen aber was machen wir mit denjenigen wo sich quer durch unsere Gesellschaft ziehen und mit Ihrer panischen Ich- Einstellung auch ständig unsere Demokratie in Frage stellen.
Der Schrei nach mehr Demokratie erfolgt meistens dann wenn einem Einzelnen Mehrheitsentscheidungen missfallen, dabei wird vergessen das Demokratie uns täglich Kompromissbereitschaft abverlangt. Wer diese nicht mehr aufbringen kann wird dann unweigerlich an den Rand der Gesellschaft gedrückt. Die "Ausgegrenzten" welche Herr Demichiel meint sind nicht wegen der Meinungselite ausgegrenzt sondern stellen Ihre eigene persönliche Meinung über die Meinung der Mehrheit.
Ich stimme dem Kommentar von Felix von Wohlgemuth vollumfänglich zu.

Di., 19.09.2023 - 11:25 Permalink
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Peter Gasser Di., 19.09.2023 - 11:54

Antwort auf von Arne Saknussemm

Zitat: “Soviel unausgegorenen Mist wie auf "Salto" liest man sonst nirgends!”:
Sie befinden sich im Widerspruch - ich bin der Ansicht, dass auch Sie nicht gerade dorthin gehen zu lesen, wo der meiste “unausgegorene Mist” zu finden ist, da würden Sie Ihre Zeit ja verantwortungslos verschwenden.
Ihr Tun widerspricht Ihrem Wort, so meine Schlussfolgerung.
Salto scheint Ihnen wichtig, und das ist doch gut so, finde ich.

Di., 19.09.2023 - 11:54 Permalink
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evelin tschenett Mi., 20.09.2023 - 08:24

Gehen wir davon aus (was nicht passieren wird), dass sich Russland zurück zieht, hat dann die Ukraine wirklich gewonnen? Wie viele junge Menschen sind mittlerweile gestorben, verstümmelt, das Land ist dermaßen vermint, dass ein Leben dort auch nach dem Krieg unmöglich sein wird. Das wäre dann der große Sieg? Das erklären sie dann mal den vielen Müttern, den Waisenkindern und den verstümmelten Soldaten. Amerika wird sich langsam aber sicher aus dem Krieg zurück ziehen, was dann?

Mi., 20.09.2023 - 08:24 Permalink
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Peter Gasser Mi., 20.09.2023 - 08:51

Antwort auf von evelin tschenett

Sie schauen für Russland in Putins Wunsch-Glaskugel (Putin dankt’s Ihnen sicher)?:
- “Gehen wir davon aus (was nicht passieren wird), dass sich Russland zurück zieht...”
- “Amerika wird sich langsam aber sicher aus dem Krieg zurück ziehen...”
Gut, dass Sie die Zukunft kennen.

Erinnert irgendwie an Sarah Wagenknecht (sinngemäß): ‘Putin ist nicht so durchgeknallt, in die Ukraine einzumarschieren”.

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Zitat: “Amerika wird sich langsam aber sicher aus dem Krieg zurück ziehen...”, ich dachte Russland führt dort einen brutalen Angriffs-, Eroberungs- und Vernichtungskrieg, bei Ihnen ist es Amerika, das dort kämpft und Krieg führt?
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Ich versuche den Sinn, den Kern Ihres Kommentars zu verstehen: Sie wollen sagen, die Ukraine müssen der Gewalt weichen, kapitulieren, sich unterwerfen und assimilieren lassen, und Folter, Vergewaltigung, Mord, Deportation, Raub und Vernichtung bleiben alle ungesühnt?
Also auf zu weiteren Eroberungen, Sie stehen Putin zur Seite?
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Zitat: “Das erklären sie dann mal den vielen Müttern, den Waisenkindern und den verstümmelten Soldaten”: seltsam, das OPFER muss das erklären? In meinem Weltverständnis ist es der angreifende TÄTER, der das “erklären” und verantworten muss.
(Ein Beispiel für Sie als Frau: eine Frau wird vom stärkeren Mann überfallen, genötigt, wehrt sich und bricht sich dabei beide Arme. Bei der Gerichtsverhandlung sagt Richter Tschenett zur Frau: ‘Schauen Sie sich Ihre Kinder an, durch Ihre Gegenwehr haben Sie sich beide Arme gebrochen und konnten nicht mehr für die Kinder kochen. Warum nahmen Sie diese Schuld auf sich?’
Sie erkennen in Ihrem Kommentar diese gleichermaßen klassische wie brutale Täter-Opfer-Umkehr?: das Opfer und seine Unterstützer sind Ursache und Schuldige am Leid, der Täter wird stillschweigend geschont und freigesprochen.
Übel, sehr übel ist das... Man stelle sich vor, dieses Prinzip, das Sie für die Ukraine geltend machen wollen, gelte auch bei uns: jeder Stärkere nimmt sich, was er will, kein Verbrechen wird verfolgt, Hilfe in der Bedrängnis wird geächtet: was für eine Welt, die Ihre.... aber natürlich wollen Sie das nur für die Ukrainer, oder doch auch für Sie selbst, für uns hier...?

Mi., 20.09.2023 - 08:51 Permalink