Politik | Banca d'Italia

Renzis Eigentor

Matteo Renzi stellt dem Chef der Notenbank im Parlament ein Bein - und provoziert damit ein politisches Eigentor
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Foto: Hannes Prousch

Matteo Renzi hat dem italienischen Notenbankchef Vincenzo Visco ein Bein gestellt - freilich auf etwas unorthoxe Art. In einem überraschend in der Kammer eingereichten Beschlussantrag fordert er den Rücktritt Viscos, dessen Amtszeit in zwei Wochen ohnedies abläuft und deren stillschweigende Verlängerung bereits im Gespräch war.  Mit dem brisanten Antrag  fiel Renzi  Finanzminister Padoan in den Rücken. Auch Staatspräsident Mattarella war darüber nicht darüber informiert worden.  Dass der Partito Democratico sich damit de facto drei Anträgen der verhassten Oppositionparteien M5S, Lega und Fratelli d'Italia anschloss, ist für eine Regierungspartei ungewöhnlich genug. "Ditemi che non é vero", stöhnte Minister Pier Carlo Padoan, als er vom Antrag erfuhr. Premier Gentiloni zog die Notbremse und bestand auf einer sofortigen Bereinigung des Textes - ohne expliziten Antrag auf Rücktritt Viscos. Auch Mattarella stellte sich schützend vor den Notenbankchef "Bisogna evitare un conflitto istituzionale." Der Antrag wurde zweimal korriegiert und verpflichtet die Regierung schliesslich mit unverbindlicher Formulierung, "ad individuare nell ambito delle proprie prerogative la figura piú idonea a garantiere nuova fiducia nell'istituto". Rund 60 PD-Parlamentarier stimmten dagegen. Matteo Renzi sorgte damit in gewohntem Stil  für eine weitere Zerreissprobe in seiner gespalteten Partei.

Für den Parteichef war es eine persönliche Vergeltungsaktion gegen die Notenbank, die im Falle der Banca d'Etruria "ihre Aufsichtspflichten vernachlässigt" und seine toskanischen Freunde wie Staatssekretärin Maria Elena Boschi in die Bredouille gebracht hatte. Deren Vater sass im Aufsichtsrat der Bank. Renzi: "Chi ha sbagliato, paghi".  

Visco konterte umgehend. Er sei bereit, dem unlängst eingesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschuss (dem auch SVP-Senator Karl Zeller angehört),  4200 Seiten Aktenmaterial zu unterbreiten, um zu beweisen, dass die Banca d'Italia ihre Aufsichtspflicht sehr wohl wahrgenommen habe. Erwähnenswert ist, dass der Partito Democratico noch im Sommer einen ähnlichen Antrag der Fünfsterne-Bewegung abgelehnt hatte.  Es dauerte nur wenige Stunden, bis Renzi ungelegene Unterstützung durch Silvio Berlusconi erhielt, der die Notenbank seinerseits beschuldigte, in der sattsam bekannten Bankenkrise ihre Kontrollfunktion sträflich vernachlässigt zu haben.

Premier Gentiloni versicherte umgehend, dass bei der Besetzung von Viscos Posten die Unabhängigkeit der Banca d'Italia gewahrt werde. Der Premier fürchtert zu Recht, dass die gesamte Bankenkrise jetzt zum Wahlkampfthema wird - vor allem die Geschichte der Banca d'Etruria.  Renzis parteiinterne Rivalen üben scharfe Kritik. Andrea Orlando lehnt den umstrittenen Beschlussantrag als "inopportun" ab, Dario Franceschini zeigt sich ungehalten. Der langjährige Parteichef Pier Luigi Bersani spottet: "Si vogliono lasciare tranquilli guardie e ladri." Doch es steht zu vermuten, dass der Angriff Renzis auf Ignazio Visco in Wirklichkeit auf die Schwächung eines anderen zielt: auf  Claudio Gentiloni, der in Umfragen besser abschneidet als der stets polemische PD-Chef und der sich in den Augen vieler als  Spitzenkandidat  besser eignet als Renzi.

Staatspräsident Mattarella befürchtet, dass ein neues Aufkochen der Bankenkrise im Wahlkampf den wirtschaftlichen Aufschwung beeinträchtigen könnte. Für den ehemaligen Generaldirektor der Banca d'Italia Lamberto Dini sind die Hintergründe klar: "Der Antrag ist ein gezielter Schuss auf Gentiloni." Fest steht, dass der PD-Chef mit seinem Vorstoss das genaue Gegenteil erreicht hat: Visco ist nach dem Angriff fest entschlossen, die Notenbank für eine weitere Amtszeit zu führen und deren Unabhängigkeit zu verteidigen.

Wie auch immer: im bereits beginnenden Wahlkampf werden wir uns auf rüde und populistische Töne einstellen müssen. Dafür ist Matteo Renzi immer zu haben. Ob diese Kraftmeierei seiner schwächelnden Partei nützt, darf freilich bezweifelt werden. Der Partito Democratico liegt derzeit gleichauf mit dem M5S bei 26 Prozent.