Kultur | Zur Erinnerung

Applaus für ein Leben

Heute ist Rudi Ladurner, Direktor des Theater in der Altstadt Meran, einer schweren Krankheit erlegen. Im Juni 2008 erschien im Meraner "Cactus" nachfolgendes Porträt.
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Advocatus Diaboli

Ein Mann - eine Institution: der Theatermacher Rudi Ladurner

Seine liebste Rolle spielt der Theatermacher Rudi Ladurner selbst, nämlich den Advocatus Diaboli. Niemand schafft es mit ihm zu diskutieren, ohne sogleich auf schärfsten Widerstand zu stoßen. Nichts macht  Rudi nämlich lieber, als konträre Positionen einzunehmen, als auf lustvollste Weise gestikulierend und in hohem Tonfall zu streiten. Ein Miesepeter? Im Gegenteil: Rudi ist einer der freundlichsten und großzügigsten Menschen überhaupt. Wenn Leute zu spät zur Vorstellung kommen und das Theater schon voll ist, pflegt er zu sagen: „Gehen’S nur hinein, wenn Sie was gesehen haben, zahlen’S danach!“

Mit allen reden

Vor etwa 20 Jahren kam Rudolf, so heißt er amtlich und in den Theaterkritiken, nach Meran zurück. Er hatte fünf Jahre als Regieassistent am Burgtheater und anschließend weitere fünf als freier Regisseur in der Schweiz und Österreich gewirkt. In seiner Heimatstadt, eigentlich ist er ein Untermaiser vom Lichtenthurnhof, fand er zunächst vor allem im „Theater in der Klemme“ mit Franco Marini einen Anknüpfungspunkt. Schon bald eröffnete er aber sein eigenes Haus, das „Theater in der Altstadt“ im Kellergeschoß des frisch renovierten Kursaals. Was für Kenner der Meraner Verhältnisse fast wie ein Wunder wirkte, war nicht etwa das Ergebnis politischer Nähe zur Mehrheitspartei. Rudi zählt sich selbst zur Linken. Der Schlüssel zum Erfolg lag in seiner Glaubwürdigkeit, seiner Professionalität, in seinem Engagement und seiner Bereitschaft, mit allen zu reden. Wer immer mit Rudi zu tun hatte, musste merken: Diesem Mann geht es um die Sache.

Unschlagbar sozial

Hier über den Publikumserfolg von Rudis Theater zu schreiben, führte uns weit. Zehntausende Menschen haben sich inzwischen in der winzigen Arena gedrängt. Nicht alle wussten, dass hinter vielen Aufführungen im Wesentlichen nur  ein Mann stand, der von der Stückauswahl, der Organisation, der Regie bis zum Bühnenbau, zur Beleuchtung und zum anschließenden Reinigen der Klosetts alles selbst besorgte: Rudi, der Mann an der Kassa. Apropos Kassa: Die Eintrittspreise bei Rudi sind unschlagbar sozial. „Ich will, dass die Leute sich Kultur auch leisten können!“ Gesund ist so ein selbstausbeuterischer Job natürlich nicht. Rudi kam die ganze Woche nicht aus seinem Keller heraus, aß zu viel, ungesund und unregelmäßig, wurde immer beleibter und blasser. Bis er sich bei Filmaufnahmen ein Bein brach, als er einem Schauspieler etwas vorspielen  wollte. Unbeweglichkeit war die Folge, aber die  Zwangspause bot auch die Chance zu reflektieren.

Mehr Ruhe

Rudi hat die richtigen Schlüsse gezogen und wirkt heute jünger als vorher. Das Theater läuft wie eh und je, aber es gibt nun auch Tage, an denen Rudi nicht mehr selbst im Hause ist. Er gönnt sich jetzt ein Wochenende und fährt mit seiner Petra in den Urlaub. Und zu Silvester fühlt er sich nicht mehr verpflichtet, die Stadt zu unterhalten. Seit er vor Jahren die Wiener Tradition des Neujahrswalzers in die Stadt gebracht hat,  kümmern sich jetzt andere um das Spektakel zum Jahreswechsel. Unser Rudi, jetzt 57, ist rechtzeitig weise geworden.