Politik | Wolfsmanagement

„Wir müssen den Nachweis liefern!“

Wenn der Wolf die SVP nicht zerfleischt, dann zerfleischt sie sich selbst? Dieser Eindruck drängt sich einem derzeit nach den letzten Stellungnahmen zum Thema Wolf auf.
Lupo, Wolf
Foto: Flickr/_ Liquid
Meinhard Durnwalder forderte die Landesregierung kürzlich in einem Interview in der Tageszeitung auf, Abschussgenehmigungen für Wölfe auszustellen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Der SVP-Senator aus dem Pustertal fordert damit von Landeshauptmann Arno Kompatscher etwas, was politisch kaum umsetzbar erscheint. „Unter den derzeitigen Umständen würde das die gesamte geleistete Vorarbeit zunichte machen“, sagt Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. Auch das Bundesland Tirol habe mit Abschussgenehmigungen versucht vorzupreschen. Diese seien allerdings wieder auf dem Gerichtswege aufgehoben worden. Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit würde Südtirol das gleiche Schicksal ereilen, so Schuler, der davon überzeugt ist, dass man mit einer solchen Aktion das genaue Gegenteil erreichen würde.
 
 
Der auf einen Abschuss folgende Riesenaufschrei in der nationalen Presse sei vorhersehbar, die Verhandlungen und eine diplomatische Lösung auf römischer Ebene würden dadurch erschwert – zumindest in dieser heiklen Phase, in welcher laut Schuler Schritte in Richtung der Zielgeraden gemacht wurden. Würde man das Landesgesetz 11/18, in welchem die Leitlinien im Umgang mit Großraubwild festgelegt sind bzw. in welchem auch die Entnahme von Problemwölfen vorgesehen ist, anwenden, stehe der Ausgang bereits jetzt fest: Dafür fehlt nämlich das Gutachten seitens des Höheren Instituts für Umweltschutz und -Forschung (ISPRA). „Wir müssen keine Juristen sein, um uns die Folgen ausmalen zu können“, betont Landesrat Schuler. Würde auf Anordnung eines Beamten hin ein Wolf erlegt werden, würde er mit sehr großer Wahrscheinlichkeit vor dem Richter landen. „Damit wäre niemandem gedient“, so Schuler, der eine realistischere Sichtweise einfordert. Aussagen von Mitgliedern der eigenen Regierungspartei, die unerfüllbare Hoffnung und Erwartungen wecken, seien folglich nicht hilfreich.
 

Fehlendes ISPRA-Gutachten

 

Auf das fehlende Gutachten angesprochen, erklärt der Landwirtschaftslandesrat, dass man seitens der ISPRA die Mitteilung erhalten habe, dass die dafür notwendigen Daten und Informationen fehlen würden. Zwar könnte theoretisch auch mit einem negativen Gutachten eine Abschussgenehmigung erteilt werden – bei einem anschließenden Verfahren müsste man zwar mit Schwierigkeiten rechnen, nur sei das Gutachten per se die Voraussetzung dafür. „Wir können nur Dokumentationen einreichen, die uns auch zur Verfügung stehen“, erklärt Schuler und spricht damit das zentrale Problem an: Nur auf zwei Prozent der Almen bzw. auf 29 von rund 1.400 Almen, die mit Vieh bestoßen werden, sind mittlerweile Herdenschutzmaßnahmen umgesetzt worden.
 
 
 
„Wir sind uns im Klaren darüber, dass es in manchen Gebieten schwierig oder sogar unmöglich ist, Schutzmaßnahmen umzusetzen“, betont der Landesrat und erklärt, dass es jedoch mehr sein müssten, um der ISPRA glaubhaft zu vermitteln, dass ein Wolfsmanagement notwendig ist, „so ist die Datenlage allerdings sehr dürftig.“ Beinahe gebetsmühlenartig habe man ständig wiederholt, dass Herdenschutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, deshalb müssten auch die Bewirtschafter im ländlichen Gebiet ihren Teil dazu beitragen. „Ich verstehe, dass sich viele sagen ‚Hilft eh nichts!‘ Aber wir müssen diesen Nachweis liefern!“, so Schuler.
 
Ich verstehe, dass sich viele sagen ‚Hilft eh nichts!‘ Aber wir müssen diesen Nachweis liefern!
 

Anlass zur Hoffnung?

 
„Wir verstehen, dass die Bauern und Bäuerinnen Angst um ihre Zukunft haben und sich fragen, weshalb wir beim Thema Wolf nicht vorankommen“, erklärt der Landesrat. Jetzt gelte es, einen kühlen Kopf zu bewahren und das Machbare umzusetzen. An Lösungen gearbeitet wird derzeit auf  Brüsseler, römischer und auf Landesebene sowie gemeinsam mit anderen Regionen. Zwar dauere es länger, als man erwartet habe, allerdings würden die Entwicklungen in Rom berechtigten Anlass zur Hoffnung geben. Ein wesentlicher Schritt in der Umsetzung des Wolfsmanagements sei bereits erreicht worden. So ist im Entwurf beispielsweise festgeschrieben, dass die Spezies Wolf in Italien einen guten Erhaltungszustand erreicht habe.
 
Bis dato waren die italienischen Behörden weit davon entfernt, diesen Sachverhalt überhaupt zuzugeben.
 
„Bis dato waren die italienischen Behörden weit davon entfernt, diesen Sachverhalt überhaupt zuzugeben“, so Schuler. Ein weiteres Novum ist, dass auch die Entnahme erstmals vorgesehen wird. „Unser Ziel ist es, dass nicht nur Einzelentnahmen damit ermöglicht werden, sondern festgelegt wird, welche Maßnahmen in bestimmten Situationen gerechtfertigt sind.“ Damit würde vermieden, dass bei jedem Auftauchen eines Problemwolfes um ein eigenes Gutachten angesucht werden muss. „Wir würden riskieren, dass das Tier möglicherweise bis dahin weiterzieht oder eines natürlichen Todes stirbt“, so Schuler, der betont, dass man an weiteren Verbesserungen des Entwurfes arbeite.
 

Stimme der Bauern

 

Was tun die Bauern? Wolfsfeuer werden entzündet, Ahrntaler Bauern weigern sich, Durchfahrtsrechte für die Loipen-Präparierung zu genehmigen und die Bauernbund-Jugend präsentierte gestern ihr Positionspapier.
„Auch wenn die direkt Betroffenen eine kleine Minderheit sind, muss auch ihre Stimme gehört und ernst genommen werden“, so Schuler, der betont, dass es sogar wünschenswert ist, wenn die Bauern sich zu Wort melden – sofern es in einem bestimmten Rahmen stattfindet. Aktionen wie die Übergabe des Poisitionspapieres der Bauernbund-Jugend oder auch die Mahnfeuer gegen den Wolf machen auf das Problem aufmerksam. „Loipen sperren hingegen bringt nichts“, ist Schuler überzeugt. Dies würde nur zu Konfliktsituationen im eigenen Land führen. „Insbesondere, wenn es um Fragen der Autonomie geht, sollten wir – auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind –, Geschlossenheit demonstrieren, anstatt nach dem Motto zu handeln: Wenn der Wolf uns nicht zerfleischt, dann zerfleischen wir uns selber.“

 

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Robert Hölzl Do., 20.10.2022 - 19:37

Das große Problem wird nicht die Entnahme von "Problemwölfen" sein, sondern dass die Bauer in Süd-, Nord- und Osttirol, Bayern und Kärnten usw. einen raubtierfreien Alpenbogen (mindestens!) fordern. Und während Herdenschutzmaßnahmen (die Kombination ! aus Hirten, Schutzhunden und Pferchen und nicht nur Zäune) einen guten Schutz bieten würden, aber natürlich auch Kosten verursachen, wird nur in Ausnahmefällen (siehe Soyalm) versucht, solche umzusetzen. Und ich bin auch dafür, dass die öffentliche Hand einen Großteil dieser Kosten übernehmen sollte, aber dies interessiert die Bauern nicht. Abschießen ist die Losung.

Do., 20.10.2022 - 19:37 Permalink
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G. P. Do., 20.10.2022 - 21:00

Hahaha, der Wolf lacht uns doch aus, bei so viel Unvermögen. Und Schuler schwafelt etwas von Zielgeraden, wo man in den letzten fünf Jahren praktisch keinen einzigen Schritt weiter gekommen ist. Und auch in den nächsten fünf Jahren wird man - wartet man auf das Gutachten der ISPRA - keinem Wolf ein Haar krümmen können.

Möchte sehen, was beim ersten Wolfangriff auf einen Menschen passiert. Ach so, gar nichts wird passieren. Hat sich sicherlich der Mensch falsch verhalten ...

Do., 20.10.2022 - 21:00 Permalink
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Manfred Klotz Fr., 21.10.2022 - 07:36

Antwort auf von G. P.

Würde man das Wolfsmanagement, wie es sich die Bauern vorstellen, auf Hunde umlegen, müsste man alle Vierbeiner abknallen. Hunde sind nämlich viel häufiger für Angriffe auf Menschen und andere Tiere verantwortlich als Wölfe. Wurde diese Vorgangsweise schon einmal in den Raum gestellt?
Nur 29 von 1400 Almen haben Herdenschutzmaßnahmen umgesetzt. Man macht es sich ein bisschen zu einfach, weil man gewohnt ist, das man nur laut genug schreien muss, um sich durchzusetzen.

Fr., 21.10.2022 - 07:36 Permalink
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M Ma Sa., 22.10.2022 - 07:47

Wir können froh sein, dass die Menschen am Land das Problem selbst angehen und den ein oder anderen Wolf selbst entnehmen.

Sa., 22.10.2022 - 07:47 Permalink
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Manfred Klotz Sa., 22.10.2022 - 08:17

Es gibt keine "Ansiedlung von Wölfen" Frei. Hat es nie gegeben. Sie verwechseln das mit dem Projekt Life Ursus. Wölfe wandern, bis zu 100 km am Tag. Wenn Sie bis jetzt noch nie verstanden haben, worin der Unterschied im Umgang mit dem Wolf zwischen heute und vor 150 Jahren besteht, ist jede weitere Diskussion sowieso zwecklos.

Sa., 22.10.2022 - 08:17 Permalink
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Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Sa., 22.10.2022 - 09:39

In der Diskussion geht ein Faktum völlig unter:
viele (zu viele) der “Wölfe” in Oberitalien sind gar keine Wölfe, sonder Hund-Wolf-Hybride, welche weder schutzbedürftig noch schützenswert sind: in Wirklichkeit sind sie eine große Gefahr für echte Wölfe (nördlich) der Alpen, indem sie deren Rudel bzw. Populationen genetisch gefährden.
Da man die Wölfe genetisch untersucht und identifiziert, weiß man um diesen Umstand, zu dem aber aus unbekannten Gründen beharrlich geschwiegen wird.

Sa., 22.10.2022 - 09:39 Permalink