Wirtschaft | Arbeitsmarkt

„Ansparen ist kaum mehr möglich"

Aus der Herbstausgabe des AFI-Barometers geht Erstaunliches hervor: 46% der Arbeitnehmer/Innen kommen nur mehr schwer über die Runden.
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Foto: Salto.bz
Die Zwischenbilanz für Südtirols Wirtschaft im Jahr 2022 ist mehr als zufriedenstellend. Jedoch sind die Aussichten für die Entwicklung der Südtiroler Wirtschaft alles andere als gut. Das Problem sind die klammen Klassen der ArbeitnehmerInnen: 46 Prozent von ihnen geben an, nur mit Schwierigkeiten über die Runden zu kommen. So einen hohen Wert hat das  AFI noch nie gemessen. Durch den starken Kaufkrafteinbruch rutscht Südtirols Wirtschaft in die Rezession ab. Dies ist aber kein Grund zur Panik, sondern laut AFI-Direktor Stefan Perini, ein Anlass über eine neue Form des Wirtschaftens nachzudenken.
 
 

Konsumeinbruch zu erwarten

 

Das AFI rechnet im Jahr 2023 mit einem merklichen Konsumeinbruch, bedingt durch den massiven Einbruch der Kaufkraft aufgrund der hohen Inflation. In Südtirol ist diese im September auf 10,8 Prozent gestiegen. „Bei einem Kaufkrafteinbruch von mehr als 10% reicht kein Hilfspaket mehr, sondern es braucht Lohnerhöhungen in annähernd derselben Größenordnung“, so AFI Präsident Andreas Dorigoni. Weiters wird die Lohndynamik nicht in der Lage sein, den Kaufkraftverlust auszugleichen. Eine problematische Wintersaison ist vorprogrammiert und die Kreditzinsen steigen. Für 2023 sagt das AFI eine BIP-Prognose für die Südtiroler Wirtschaft von -0,5 Prozent voraus. Dies bedeutet aber nicht, dass die Wirtschaft vollständig „abrutscht“, einige Rahmenbedingung bleiben in der Südtiroler Wirtschaft auch 2023 bestehen: Vollbeschäftigung, solide Betriebe, ein solides Kreditsystem und eine bessere funktionierende internationale Lieferketten.
 

Wunsch nach weniger Arbeit

 
Vor kurzem hat das AFI | Arbeitsförderungsinstitut in Zusammenarbeit  mit  dem AK Tirol und der Agenzia del Lavoro Trentino eine Studie zur Arbeitszeit vorgestellt. Derzufolge werden in der Europaregion Tirol im Schnitt 38,1 Stunden pro Woche gearbeitet. Mit 39,2 Stunden liegt Südtirol vor dem Bundesland Tirol und (38,1 Stunden) Trentino (36,9 Stunden). Von einer 5-Tage Woche kann man jedoch noch nicht sprechen, zumindest in einigen Branchen nicht, so AFI Präsident Andreas Dorigoni. Dazu zählen vor allem Arbeiter im Bereich der Landwirtschaft, der Gastronomie und des Baugewerbes. Der Wunsch, die Arbeitswoche zu verkürzen, betrifft aber alle Berufsgruppen. Durchschnittlich beträgt die gewünschte Reduzierung 4,1 Stunden. Im Jahre 2021 wurde eine Befragung in der Europaregion durchgeführt, in der es vor allem um die Arbeitszeiten, einschließlich der Überstunden, Nachtarbeit und Pendelzeiten ging und um die Frage, wie lange die Arbeitnehmer arbeiten möchten. Daraus ergab sich für die Projektpartner AK Tirol, Agenzia del Lavoro Trentino und das AFI folgendes Resultat: Unzufriedenheiten gibt es vor allem im Gastgewerbe, Baugewerbe und in der Landwirtschaft. Im letzteren Bereich werden am meisten Stunden pro Woche gearbeitet, denn 60 % der dort Beschäftigten arbeiten mehr als 40 Stunden pro Woche, während es im Gastgewerbe 44 % und im Baugewerbe 43 % sind. Weiters werden in der Landwirtschaft sowie im Gastgewerbe bzw. Hotellerie 6 oder sogar 7 Tage in der Woche gearbeitet. Die meisten Überstunden werden übrigens in Südtirol geleistet, und zwar durchschnittlichen 2,3 pro Woche. Dagegen liegt der Wert im Trentino und Tirol bei 1,7 Überstunden pro Woche.
 

Starke Diskrepanz zwischen Mann und Frau 

 
Keine Überraschung ist der starke Unterschied zwischen den Geschlechtern: 39 Prozent aller befragten Männer arbeiten mehr als 40 Stunden pro Woche. Bei den Frauen ist dieser Prozentsatz deutlich niedriger; er liegt bei 16 Prozent der befragten Arbeitnehmerinnen. Bei den Arbeitszeiten bis zu 30 Stunden stechen die Frauen deutlich hervor, der Prozentsatz liegt bei 41, dagegen sind es bei den Männern nur 11 Prozent der Befragten. Zusammenfassend kann man sagen, dass die durchschnittliche Arbeitszeit bei Männern 42,1 Stunden pro Woche beträgt und bei den Frauen 33,7 Stunden. Dies liegt möglicherweise an den immer noch bestehenden geschlechterspezifischen Rollenverteilungen. Die Frauen sind nämlich nach wie vor für einen großen Anteil der Haus- und Erziehungsarbeit verantwortlich. Damit geht eine schlechtere Vereinbarkeit von Beruf und Familie einher.