Gesellschaft | Warten auf den Bus

Verkehrswende in Südtirol

„Erhöhung der genutzten (...) Personenkilometer im öffentlichen Personennahverkehr um 70% bis 2030, Verdoppelung der genutzten Personenkilometer bis 2037. Reduktion des motorisierten Individualverkehrs außerorts um 26% und innerorts um 34%", so der Klimaplan.
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  • In letzter Zeit häufen sich die Streikaufrufe im ÖPNV. Nur gut, dass im Klimaplan Südtirol 2040 ein so hochgestecktes Ziel angegeben wird. Seit einiger Zeit gibt es zudem aufgrund einer Erneuerung des alten Systems Probleme mit den Entwertungen an Bord der Stadt- und Überlandbusse, eine Lösung zeichnet sich langsam ab. Pendlern, die stetig stempeln, fielen vormals schon die Personen auf, welche Südtirols ÖPNV gratis benutzen, da seit langem angemessene Kontrollen fehlen, vor allem in den Stadtbussen – so erblickte ich in den Stadtbussen während der letzten drei Jahre, trotz täglicher Fahrt, nur ein einziges Mal Kontrolleure. Damals waren noch die Corona-Maßnahmen aufrecht, da kamen zwei Kontrolleure in einem Überlandbus im Doppelpack, um die Tickets zu kontrollieren. Seitdem sind sie für mich nicht mehr zu sehen gewesen, nun kann man den Nicht-Entwertenden kaum einen Vorwurf machen, wenn sie keine Möglichkeit im Bus haben, sich an die Vorschriften zu halten. Die verhältnismäßig wenigen, dennoch bei fast jeder Busfahrt beobachtbaren Schwarzfahrer bewirkten bei mir schon lange die Frage nach der Rentabilität des Dienstes und der Ungerechtigkeit jenen gegenüber, die jeden Kilometer fleißig bezahlen und sich dann auch noch in teils überfüllte Busse quetschen müssen. Davon bin ich als Student und somit Inhaber des Abo+ für 150 Euro im Jahr weniger betroffen als viele, mit denen ich gesprochen hatte, die sich über diese Zustände aufregten. Auf der anderen Seite wurde immer wieder betont, und das will ich nicht vorenthalten, dass der Dienst im Grunde genommen gut funktionierte, wenn man von diesen Schwächen absah. Wegen der bisher schlecht funktionierenden Systemumstellung können nun Verluste in Millionenhöhe angenommen werden. Die Möglichkeit des Erwerbs eines Tickets an den Münzautomaten in den Stadtbussen wird schon seit Jahren abgebaut, immer weniger Busse verfügen über solche Automaten. Die scheint’s aber auch nicht zu brauchen, so fahren Touristen in unserem Land mit der GuestCard gratis, Südtirolpass-Inhaber sollten gefälligst online ihr Ticket entwerten und nicht davon ausgehen, dass das System nach etlichen Monaten der Umstellung funktionieren würde, und Schwarzfahrer können genauso unbescholten mitfahren wie in den letzten Jahren. 

    Mag sein, dass ich als Pendler in den Stadtbussen ein verzerrtes Bild von der Gesamtsituation des ÖPNV in Südtirol habe, doch die letzten Entwicklungen bringen mich zum Verfassen dieses Artikels. So beobachtete ich vor rund einem Monat, als an der Systemumstellung noch auf Hochtouren gearbeitet wurde, wie eine Frau im mittleren Alter in einen Stadtbus stieg und ihr Ticket am Münzautomat kaufen wollte, der war jedoch mit der Nachricht „Defekt“ überklebt, wie die meisten mittlerweile. Sie meldete dem Busfahrer, dass sie kein Ticket habe, und wurde zum Aussteigen überredet, der nächste Bus wäre schließlich nach zehn Minuten gekommen, vielleicht würde es da funktionieren. Sie war ausgestiegen und der Bus weitergefahren, ehe wir übrigen Mitfahrenden realisierten, was vorgefallen war. Die meisten Busfahrer hätten in dieser Situation einfach abgewunken und die Frau mitfahren lassen, wie schon oft beobachtet. Die Frau saß sich an die Bushaltestelle und verschwand aus unserem Sichtfeld. Wie so oft sind die Ehrlichen, auch in Südtirol, zugleich die Leidtragenden. Denn hätte sie, wie viele andere, nichts gesagt, hätte sie unbescholten mitfahren können. Daneben sind auch noch jene Busfahrer zu nennen, die auf die strategische Frage von Einsteigenden, ob in diesem Bus die Automaten funktionierten, mit „Nein“ antworten, obwohl die Realität eine andere ist, sodass Personen, die zahlen könnten, gratis fahren. Die Wirtschaftlichkeit des Südtiroler Personennahverkehr muss unglaublich sein.

    Zudem geschieht es immer wieder, dass in der suedtirolmobil-App an Tagen, an denen nicht gestreikt wird, bestimmte Abfahrten und Verspätungen angezeigt werden, auf die man dann umsonst warten kann. Diese Erfahrungen beziehen sich noch immer auf die Stadtbusse, vertrauen kann man dem ÖPNV in Südtirol nur sehr schwer.

    Für diesen Freitag, 20.10.2023, wurde wiederum ein 24-stündiger Streik vom Personal der SAD-Bahn, trenitalia, und sasa angekündigt. Als jahrelanger Nutzer des ÖPNV zwar ärgerlich, aber akzeptabel, zumal die Entlohnung der Busfahrer und weitere Mängel, etwa bezüglich der Sicherheit, diese Ankündigung irgendwie nachvollziehbar machen. Was mir aber von Herzen leidtut, ist die Tatsache, dann mit dem Auto rund 100km aufgrund eines unaufschiebbaren Termins zurücklegen zu müssen, wobei ich fest damit gerechnet hatte, die Öffentlichen nutzen zu können. Spricht man zudem mit Personen, die wegen der Arbeit oder ähnlichem alternativlos darauf angewiesen sind, hört man die Wut und Geringschätzung heraus, die vor allem auf die Hauptverantwortlichen projiziert werden. Und ich frage mich, warum im so perfekten und reichen Südtirol diejenigen, die aufs Auto freiwillig oder gezwungenermaßen verzichten, benachteiligt werden. Ich frage mich wirklich, wie auf solche Art und Weise eine „Erhöhung der genutzten (…) Personenkilometer im öffentlichen Personennahverkehr um 70% bis 2030“ erreicht werden soll. 


     

    Quelle Zitat: https://www.klimaland.bz/wp-content/uploads/Klimaplan-Suedtirol-2040_DEU_WEB-pagine-singole.pdf, Seite 40.