Gesellschaft | Interview

„Mehr zuhören als reden“

Zum internationalen Tag gegen Rassismus: Die Jungautorin Manar Lardjane über ihr Buch, die algerische Freiheitskämpferin Djamila Bouhired und die Südtiroler Sensibilität.
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Foto: OEW; Anna Mayr
  • Die OEW-Organisation für Eine solidarische Welt und die Straßenzeitung zebra. präsentierten im Rahmen der Südtiroler Aktionswochen gegen Rassismus „Stop Racism!“ gestern mit Autorin Manar Lardjane das zweite Buch der Jugendbuchreihe „Revolutionary Stories“. Während im ersten Buch von Asmaa Abdelfattah im vergangenen Jahr der ägyptische Widerstandskämpfer Saad Zaghloul im Fokus stand, erzählt das neue Buch von Manar Lardjane die Geschichte der algerischen Widerstandskämpferin Djamila Bouhired. Manar Lardjane, 2002 als Kind algerischer Eltern in Perugia geboren, lebt, seit sie sechs Jahre alt ist, in Brixen. Das Buch ist ab heute, am Tag gegen Rassismus, bei Verkäuferinnen und Verkäufern von zebra. erhältlich.  

    SALTO: Frau Lardjane, worum geht es in Ihrem Buch?

    Manar Lardjane: Es geht um Djamila Bouhired, sie war eine Freiheitskämpferin für Algerien, die sich vor allem gegen den französischer Kolonialismus eingesetzt hat. Das Coole daran ist, dass sie eine Frau ist. Normalerweise hat man immer die Idee, dass es Männer sind, die in erster Linie gegen Unterdrückung und Kolonialismus kämpfen. Aber hier war es eine Frau. Es geht um ihre Geschichte, es hat ein bisschen was von einer Biografie, aber vermengt mit Fantasie. Es ist so geschrieben, dass es auch für Jugendliche geeignet ist.

    Welche Bedeutung hat Djamila Bouhired für Sie persönlich?

    Eine große Bedeutung, weil meine Eltern aus Algerien sind und ich habe von klein auf die Geschichte mitbekommen. Französischer Kolonialismus ist ein riesiges Thema in Algerien für die Bevölkerung. Hingegen aus europäischer Sicht, ich habe hier die deutsche Schule besucht, wird Kolonialismus zwar angesprochen, aber schnell innerhalb einer Woche abgehandelt. Man versteht nicht, was für einen Impact das in anderen Ländern hatte. Von klein auf habe ich die Geschichten mitgekriegt und es hat mich einfach so fasziniert, weil ich dachte, das ist echt cool, auch weil sie immer noch lebt. Sie ist 1935 geboren und sie kämpft teilweise jetzt noch für Rechte und vor allem für Frauenrechte. Deshalb hat sie eine große Bedeutung für mich. Auch als inspirierende Figur.

    „Afrikanische Geschichte oder asiatische Geschichte sollten in der Welt gleich so wichtig sein wie europäische oder amerikanische Geschichte.“

  • Manar Lardjane: Die Jungautorin mit ihrem Buch Foto: OEW
  • Was glauben Sie, wie sensibel Südtirol derzeit zu solchen Themen wie Rassismus oder Kolonialismus ist? 

    Südtirol ist sensibler geworden, so kommt es mir vor. Man kann schon noch daran arbeiten, vor allem in dem Schulen, weil die Geschichte hier von einem wirklich eurozentrischen Blick ausgeht. Man muss sich mehr die Frage stellen, wie war es eigentlich in anderen Ländern? Ich weiß zum Beispiel, dass Italien Äthiopien kolonialisiert hat, aber ich weiß nicht, wie es den Leuten in Äthiopien tatsächlich erging. Und ich glaube, da kann man wirklich noch viel arbeiten und man kann mehr machen, wie mit einen veränderten Blickwinkel auf die Ereignisse schauen.

    Glauben Sie, dass speziell Kolonialismus zu wenig in Schulen behandelt wird?

    Imperialismus allgemein wird zu wenig behandelt. Afrikanische Geschichte oder asiatische Geschichte sollten in der Welt gleich so wichtig sein wie europäische oder amerikanische Geschichte, weil das auch so ein großer Teil der Geschichte ist, der einfach komplett unterdrückt, vergessen und vernachlässigt wird und nicht angesprochen wird.

    Aus Ihrem Blickwinkel, was sind noch Stolpersteine oder Hindernisse, wenn es um Themen wie Rassismus oder Kolonialismus geht?

    Ein großer Stolperstein ist vielleicht, dass die Gesellschaft nicht wirklich so informiert ist und deshalb hat man eine andere Idee. Das, was man in der Schule mitbekommt, ist für uns so gang und gäbe und das ist Gesetz und das stimmt so. Vielleicht sollte man die Narrative auch wieder wechseln und die Dinge den Schülern nicht aus einer einzelnen Perspektive beibringen, sondern auch aus anderen Blickwinkeln. Meiner Meinung nach ist das die Hürde, dass die Gesellschaft in diesem Thema nicht genug ausgebildet ist oder nicht alles, was man in der Schule lernt, in Frage stellt.

    „Ich hoffe, dass die Leute offener werden und mehr zuhören als reden, sich niedersetzen und mehr diskutieren.“

    Glauben Sie, dass es die letzten Jahre besser geworden ist oder schlechter?

    Ich glaube es ist ein bisschen besser geworden. Meine Schwester ist in der Oberschule, da haben sie Kolonialismus oder allgemein Imperialismus inzwischen ein bisschen besser durchgenommen als es bei mir noch der Fall war. Heute war ich in einer Mittelschule und ich muss sagen, für eine dritte Klasse sind sie gut informiert. Sie wissen was Kolonialismus ist, was das für Nachfolgen in anderen Ländern hatte und was passiert ist. Nicht alles detailliert, aber im Vergleich zu dem, was ich in der dritten Klasse Mittelschule wusste, sind sie viel besser dran. Ich würde sagen, es hat sich letztendlich schon verbessert.

    Heute ist der Tag gegen Rassismus. Welche Botschaft würden Sie gerne vermitteln?

    Das ist sehr utopisch, was ich jetzt sage, aber ich hoffe, dass es einen Tag geben wird, wo die Leute sich nicht diskriminiert fühlen müssen, weil sie von einem anderen Land stammen oder eine andere Religion praktizieren, eine andere Hautfarbe haben. Ich hoffe, dass die Leute offener werden und mehr zuhören als reden, sich niedersetzen und mehr diskutieren anstatt die eine Idee im Kopf zu haben, die durchzusetzen und zu sagen: „Das stimmt so, weil ich das so gelernt habe.“