Di Maio
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Politik | Regierung im Sumpf

Die Feindbilder der Fünf Sterne

Italiens Regierung feuert vermeintliche Gegner an den Schaltstellen der Macht
Alles wie gehabt: wenn sie an die Macht kommen, besetzen Politiker aller couleurs die wichtigen Schaltstellen. Dabei ist das richtige Parteibuch meistens wichtiger als Sachkompetenz. Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega machen da keine Ausnahme - in Gegenteil. Sie erweisen sich  als  durchaus hemmungslos.
Der erste, der dem spoil-system zum Opfer fiel, war Bahnchef Renato Mazzoncini. Mit ihm entliess Verkehrsminister Toninelli gleich den gesamten Vorstand der Ferrovie della stato.  Am 25. Juli teilte er in einem tweet mit:"Ho appena firmato la decadenza dell'intero consiglio di amministrazione di FS per chiudere con il passato." Einen konkreten Vorwurf nannte er nicht. Dass ein Bahnchef  nach Neuwahlen vor dem Ende seiner Amtszeit entlassen wird, ist in anderen Ländern unvorstellbar.  Der nächste war der Präsident der Börsenaufsicht Consob, Mario Nava, der unter dem Druck der Regierung sein Amt niederlegte - nicht ohne vorher zu präzisieren: "E' una questione puramente politica." Vizepremier Di Maio beschuldigte Nava, ein "servitore della finanza internazionale" zu sein. Confindustria Präsident Vincenzo Boccia sprach von einem unerhörten Vorgang:  "E' un pessimo segnale." 
Doch die Zahl der vom Staat kontrollierten Aufsichts- , Regulierungsbehörden und Unternehmen ist hoch und reicht von der authority per la concorrenza über staatliche Kozerne wie Eni und Enel bis zu Mediobanca. Der langjährige Präsident des Verfassungsgerichts  Sabino Cassese  befürchtet ein "repulisti generale" und spricht von "ambigue invasioni di campo da parte del governo."
Jüngstes Ziel der Grillini ist der ragioniere dello stato Daniele Franco.  Der oberste Buchhalter des Staates soll zurücktreten:
"Fa resistenze sul bilancio, se ne deve andare," schimpft Di Maio. Franco, ein langähriger Finanzexperte der Notenbank, bekleidet ein institutionelles Amt und ist für Kontrolle des Staatshaushalts verantwortlich.
Keiner freilich bekommt die Angriffe der Fünf-Sterne-Bewegung so massiv zu spüren wie Wirtschaftsminister Giovanni Tria,
der sich weigert, das Defizit im Staatshaushalt weiter zu erhöhen.  Laut Di Maio ein Kinderspiel: "Si attinge a un po' di deficit per poi far rientrare il  debito l'anno dopo o tra due anni, tenendo i conti in ordine." Bereits den Begriff "attingere al deficit" findet der Ökonom Mario Deaglio bizarr: "In realtà è un pozzo senza fondo che da trent'anni risucchia le risorse nazionali."  Die Fünf-Sterne-Bewegung wirft dem Ministerium " boicottaggio e assenza di comunicazione", vor und droht für 2019 mit einem "repulisti di tutti che  al ministero dell'economia hanno opposto resistenza al movimento".  
Darüber, dass auch Matteo Salvini das umstrittene und auf rund 15 Milliarden Euro veranschlagte Grundeinkommen ablehnt, schweigt die Bewegung. Der Lega-Chef :  "Non ha senso pagare qualcuno per stare su divano a guardare la TV."
 
Am Donnerstagabend kam für die Regierung eine weitere kalte Dusche: die OECD senkte Italiens Wachstumsprognose auf 1,2 Prozent und forderte Rom auf, die Fornero-Pensionsreform nicht abzuschaffen.
 
Neuen Ärger für die Fünf-Sterne-Bewegung brachte ein Treffen, bei dem Salvini, Berlusconi und Meloni eine gemeinsame Kandidatur bei den Europawahlen und bei den nächsten Regionalwahlen In Piemont, Sardinien und Basilicata ankündigten. Meloni: "Stiamo facendo passi avanti per liberare Salvini dalla morsa del M5S."  
Die römische Regierung ist derzeit kaum beneidenswert: beim EU-Gipfel steht sie mit ihren Migrationsplänen völlig isoliert da, ihre Vorstösse zur Erhöhung des Defizits stossen auf Ablehnung und Lega-Chef Salvini frischt das Bündnis mit Berlusconi auf.  Die OECD verwirft ihre Reformpläne. Und bis zur Vorlage des Haushaltsgesetzes bleibt ihr nur noch eine Woche Zeit.