Umwelt | Landschaftsschutz

Schluss mit Bagatelleingriffen

Die Südtiroler Grünen fordern im Landtag, dass das Verwaltungsverfahren zur Genehmigung von geringfügigen Eingriffen grundsätzlich geändert wird.
Moor
Foto: Dachverband für Natur und Umweltschutz
"Der Begriff „Bagatelleingriff" hat sich in Südtirols Gemeindestuben breit gemacht und gehört gewissermaßen zum Verwaltungsinventar“, sagt Hanspeter Staffler. Der grüne Landtagsabgeordnete ist Ersteinbringer eines grünen Beschlussantrages mit dem das Verwaltungsverfahren zur Genehmigung von geringfügigen Eingriffen im Sinne des Landschaftsschutzgesetzes grundsätzlich geändert werden soll. Bagatelleingriffe werden von den Bürgermeistern mittels eines vereinfachten Verfahrens genehmigt. Sie sind in diesem Fall eine Art verlängerte Arm der zuständigen Landesbehörden – der Landschaftsschutzbehörde und der Forstbehörde.
Genehmigungen von Bagatelleingriffen werden dem Begriff entsprechend als harmlos wahrgenommen, es handelt sich dabei um kleinere Instandhaltungs- und Sanierungsarbeiten an Gebäuden und um geringfügige Eingriffe in die Landschaft“, sagt Staffler. Und weiter: „Leider ist der Begriff Bagatelleingriff aber äußerst irreführend.
 

Die gesetzliche Entwicklung


Die drei grünen Landtagsabgeordneten Hanspeter Staffler, Brigitte Foppa und Riccardo Della Sbarba zeichnen in ihrem Beschlussantrag zunächst die historische Entwicklung des „Südtiroler Spezifikums“ nach.
Das Landschaftsschutzgesetz vom 25. Juli 1970, Nr. 16 regelt die Erhaltung von Landschaften und Gebieten, die besondere Werte aufweisen oder ein typisches Naturbild darstellen. Im Jahr 1998 kam es dann zu einer Abänderung des Landschaftsschutzgesetzes, in dem Art. 8 Absatz 1/bis eingefügt wurde, welcher jene „Kategorien von Arbeiten festlegt, die wegen ihrer Natur und ihres Umfanges geringfügige Eingriffe in die Landschaft darstellen” und die Materie an eine Durchführungsverordnung bindet.
Es die Geburt der sogenannten Bagatelleingriffe. Das im selben Jahr erlassene Durchführungsdekret des Landeshauptmannes Nr. 33/1998 listet dann genau jene Arbeiten auf, die als „geringfügige Eingriffen im Sinne des Landschaftsschutzgesetzes“ vom Bürgermeister genehmigt werden können.
„Schaut man sich diese Bestimmungen an, klingen die Eingriffe zwar harmlos sie sind im Kern aber substantielle Eingriffe in die Landschaft sind, weil sie zum Rückgang und zur Zerstörung der Artenvielfalt führen“, kritisiert jetzt Hanspeter Staffler.
 
 
Dazu wurde im Jahr 2010 das höchst überfällige Naturschutzgesetz (LG 6/2010) vom Landtagbeschlossen: in diesem Gesetz wurde definiert, welche Lebensräume, welche Tierarten und welche Pflanzenarten vollkommen oder teilweise geschützt sind. Die im Naturschutzgesetz aufgelisteten Lebensräume wie Nass- und Feuchtflächen sowie Trockenstandorte befinden sich häufig im landwirtschaftlichen Grün (Grasland und bestocktes Grasland), dürfen weiterhin genutzt aber nicht verändert oder gar zerstört werden.
 

Die Bestimmungen

 
Die Südtiroler Grünen legen in ihrer Kritik den Fokus auf einige Eingriffe, die seit über zwei Jahrzehnten als solche Bagatelleingriffe durchgeführt werden.
 
  • Erdbewegungen für die unterirdische Verlegung von Leitungen, sofern die während der Bauzeit besetzte Fläche schmäler als 5 Meter ist. Im Falle von Wasserleitungen muss die Wasserkonzession vorliegen. In den Naturparken ist ein Gutachten des Landesamtes für Naturparke einzuholen;
 
Die grüne Kritik: „Mit dieser Bestimmung werden auch Drainageleitungen verlegt, die zur Entwässerung von Wiesen dienen. Nass- oder Feuchtflächen sind aber durch Naturschutzgesetztes vollkommen geschützt und gehören mittlerweile in Südtirol zu den am stärksten gefährdeten Lebensräumen."
 
  • Ablagerung von Aushubmaterial von maximal 1.000 Kubikmetern auf einer Fläche von 1.000 Quadratmeterm sofern damit keine Nutzungsänderung verbunden ist;
 
Die Grünen: „Mit dieser Bestimmung ist es möglich, kleine Landschaftselemente wieTümpel, Lesesteinhaufen, Trockenmauern, Kleinstgewässer und Böschungen zuzuschütten, weil eine
Fläche von 1000 Quadtratmetern um einen Meter angehoben werden kann."
 
  • Materialentnahme von maximal 200 Kubikmetern auf maximal 500 Quadratmetern, sofern damit keine Nutzungsänderung verbunden ist;
  • Planierungen von Flächen mit intensiver Landwirtschaftsnutzung unter 1600 m Meereshöhe, sofern die Flächen insgesamt nicht mehr als 5.000 Quadratmetern betragen oder die Hangneigung im Durchschnitt nicht mehr als 40 Prozent beträgt oder eine Nivellierung von nicht mehr als +/- 1 m vorgesehen ist.
Mit diesen Bestimmungen ist es möglich, kleine bis mittelgroße Hügel in den Wiesen, welche häufig Trockenstandorte sind, einzuebnen. Diese Trockenstandorte sind ebenfalls durch das Naturschutzgesetz geschützt“, meinen Foppa, Staffler und Dello Sbarba.
 

Negativbeispiel Olang

 
Die Grünen führen in ihrem im Landtag eingereichten Beschlussantrag aber auch ein aktuelles Beispiel in der Gemeinde Olang an. „Hier hat sich gezeigt, dass das Verfahren der Bagatelleingriffe trotz des Schutzstatus seltener Lebensräume, seltener Tier- und Pflanzenarten weiter angewendet wird“, schreiben die Landtagsabgeordneten.
 
 
In Olang wurden zwei Moore, das Kranebitten und das Schwarze Moor mittels einer Genehmigung des Bürgermeisters im Jahre 2019 endgültig zerstört. Endgültig deshalb, weil es bereits in derVergangenheit mehrere Eingriffe gab, die Stück für Stück die Moore entwässerten und planierten. Fast wie durch ein Wunder hat sich ein kleiner Teil dieses Moores von mehreren 100 Quadratmetern mit seltenen Pflanzen und Tierarten bis ins Jahr 2019 retten können. lm Juni 2019 wurde auch dieser Rest durch einen Bagatelleingriff, genehmigt durch den Bürgermeister, endgültig vernichtet.
Der Lebensraum wurde zufällig vor seiner Zerstörung ausführlich fotografisch dokumentiert und als Moor, bzw. Hangmoor definiert. Dieses kleine Rest-Moor genoss also nicht nur den Schutz des Naturschutzgesetzes (sondern auch den europäischen Schutzstatutsgemäß FFH-Richtlinie. „Beides hat den dort lebenden Pflanzen und Tieren nichts genutzt“, ärgert sich die Grünen.
Die Südtiroler Grünen fordern in ihrem Beschlussantrag deshalb die Eingriffe in die Natur und Landschaft neu zu definieren.
Vor allem sollen die kritisierten und problematischen Bestimmungen aus dem Dekret des Landeshauptmannes ersatzlos gestrichen werden.