Gesellschaft | Sanität

10 Minuten, 1 Jahr

Der Bozner Schauspieler Martin Maria Abram schildert seine Erlebnisse am Bozner Krankenhaus. Eine Episode, die zeigt, wie es in der Südtiroler Sanität zugeht.
Krankenhaus
Foto: Seehauserfoto
  • Martin Maria Abram hatte in seinem Leben bereits viele Rollen gespielt.  Der Bozner Schauspieler stand in Bern und Freiburg auf der Bühne, drehte mit Karin Brandauer, Xaver Schwarzenberger oder Wolfram Paulus und spielt in Fernsehserien wie „Rosenheim Cops“, „Tatort“, „Der Bergdoktor“, „Forsthaus Falkenau“ oder „Polizeiruf 110“ mit.
    Seit einigen Wochen findet sich Abram jetzt aber in einem anderen, surreale Film. Der Titel: Das Südtiroler Sanitätssystem. Es ist eine absurde Episode, die deutlich macht, wie es im Südtiroler Gesundheitssystem zugeht. 
    Ich bin überzeugt, dass es Dutzenden Menschen täglich so ergeht“, sagt er jetzt zu SALTO, „deshalb will ich mit dieser Geschichte an die Öffentlichkeit gehen“.

  • Gelber Aufzug, 2. Stock

    Martin Abram meldet sich im Frühjahr über das einheitliche Vormerksystem für eine neurologische Visite an. Es geht darum die Leitfähigkeit der Nerven in den Extremitäten zu testen. Für die Untersuchung beträgt die Wartezeit 6 Monate. Er bekommt einen Termin am Bozner Krankenhaus: 29. September 2023, 9.30 Uhr.
    Ich habe dann am Grieser Platz den Bus versäumt“, sagt er heute, „deshalb bin ich 10 Minuten zu spät ins Krankenhaus gekommen“. Abram zeigt am Informationsschalter seine Vormerkung vor. Man sagt ihm: Gelber Aufzug, 2. Stock und dort zuerst zur Anmeldung.
    Als der Schauspieler dort ankommt, hat er vier Personen vor sich. Auch hier zeigt er seine Vormerkung vor. Die freundliche Dame gibt ihm eine Nummer, und erklärt ihm den Gang und die Tür in der Abteilung, wo er hingegen muss. 

  • Schauspieler Martin Maria Abram: „Ich bin überzeugt, dass es Dutzenden Menschen täglich so ergeht“. Foto: Le telegrammé

    Weil die Tür geschlossen war, habe ich davor gewartet“, sagt Abram. Nach 15 Minuten kommt der Techniker heraus, der die Untersuchung machen soll. Als er ihm den Zettel zeigen will, wehrt der Mann ab: „Sie sind zu spät dran, ich halten mich an die Zeiten“.
    Er müssen sich eine neuen Termin geben lassen. 
    Doch Martin Abram lässt sich nicht abwimmeln. Es gibt nur eine weitere Patientin, die vor der Tür wartet. Diese bietet dem Schauspieler großzügig an, vor ihr die Untersuchung zu machen. Doch davon will der Sanitätsbedienstete nichts wissen. Wenn schon müssen er warten.
    Das tut Abram dann auch. 

    Er sei zu spät dran. Man könne die Untersuchung nicht mehr durchführen. Er müsse sich neu anmelden.

  • „Sie sind zu spät“

    Krankenhaus Bozen: Ein Jahr warten auf die Untersuchung. Foto: upi

    Als er dann endlich in den Untersuchungsraum kommt, wird die Geschichte noch bunter. 
    Er will sich auf die Liege legen, doch der Techniker wehrt ab. Er solle sich setzen. „Sie haben Probleme mit dem Karpaltunnel?“, fragt ihn der Sabes-Bedienstete. Dabei geht es um eine anerkannte Krankheit bei der ein Nerv im Handgelenk eingeengt wird. Abram verneint und erklärt, dass er zur Untersuchung der Leitfähigkeit der Nerven da sei.
    Martin Abram: „Zum erstmal schaut sich jetzt der Techniker den Vormerkungszettel an“. Die Überraschung: Der Mann erklärt dem Patieten jetzt lapidar, dass er im falschen Untersuchungsraum sei. Die von ihm vorgemerkte Untersuchung sei im selben Stockwerk aber auf der anderen Seite.

    "Zum erstmal schaut sich jetzt der Techniker den Vormerkungszettel an

  • Martin Abram geht sofort dorthin. Inzwischen ist es 11 Uhr geworden. Als er dort seine Zettel abgibt, heißt es salopp. Er sei zu spät dran. Man könne die Untersuchung nicht mehr durchführen. Er müsse sich neu anmelden.
    Genau das tut Abram noch am selben Tag in der zentralen Vormerkstelle des Sanitätsbetriebs. Den Termin, den er für die Untersuchung erhält: 28. August 2024.
    Dann kann doch nicht sein“, ärgert sich der Schauspieler, „zuerst schaut sich keiner den Vormerkzettel genau an und dann soll man ein weiteres Jahr auf die Untersuchung warten“.
    Martin Maria Abram jedenfalls fühlt sich als Steuerzahler und Bürger verschaukelt.
    Und er weiß, dass er nicht der Einzige ist, dem es so ergeht. 
    Am Ende des Gesprächs sagt er nachdenklich: „Bei mir geht es um eine Routineuntersuchung, was aber, wenn es wirklich um ein ernsthaftes Problem geht?“.
    Eine Frage, die man sich besser nicht stellt.

Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Sa., 21.10.2023 - 16:11

Es kommt in der Tat zu Vorgängen, die man kaum glauben kann.

Selbst hatte ich heuer an einem Dienstag eine Operation im Krankenhaus Bruneck, und musste dafür am Sonntag davor einen Corona-Test im Krankenhaus Bozen machen; ich müsse für den Test dafür nicht extra nach Bruneck fahren, so sagte man dort, ich könne diesen Coronatest mit Verschreibung der Hausärztin auch im Krankenhaus Bozen in der 1. Hilfe machen.
Ich war also am Sonntag um 9 Uhr im Krankenhaus Bozen: man weigerte sich dort sowohl in der 1. Hilfe als auch in der Orthopädie den Coronatest zu machen, auch nirgends sonst im Krankenhaus.
Man muss sich das vorstellen: das gesamte Krankenhaus Bozen war nicht im Stande (oder nicht Willens), einen von der Sanitätseinheit verpflichtend vorgeschriebenen Coronatest für eine festgesetzte Operation durchzuführen.
Punkt.

Sa., 21.10.2023 - 16:11 Permalink
Bild
Profil für Benutzer rotaderga
rotaderga Sa., 21.10.2023 - 17:05

Dem Patienten muss in jedem Falle auch bei einer Verweigerung eines vorgemerkten Termins Name des Verantwortlichen und Motiv der Abweisung schriftlich ausgehändigt werden.

Sa., 21.10.2023 - 17:05 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Joachim Oberrauch
Joachim Oberrauch Sa., 21.10.2023 - 18:22

Glück gehabt, eigentlich muss er die Untersuchung zur Gänze selber bezahlen.

Wo Geld ist, ist Korruption. Mich wundert in der Medizin gar nichts mehr, wohl aber bei jenen, die ihr immer noch geradezu blind in sie vertrauen - follow the science 🤣.

Sa., 21.10.2023 - 18:22 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Heinrich Tischler
Heinrich Tischler Sa., 21.10.2023 - 22:41

Erfolgsmeldung vom 11.10.2023 in den SABES news:
"Frühzeitiges Identifizieren von Risiken kann Schäden vermeiden. Der Südtiroler Gesundheitsbetrieb hat als erster Sanitätsbetrieb in Italien die strengen Kriterien nach dem Risk-Management „Phoenix 5.0“ bestanden; heute (11. Oktober) wurde das Zertifikat dazu im Rahmen einer Pressekonferenz überreicht. "
Was, wenn bei Herrn Abram im August 2024 doch etwas Pathologisches an den Nerven festgestellt werden sollte? Nach über 1 Jahr?
Anderes Beispiel: was, wenn nach fast einem Jahr Wartezeit für eine dermatologische Untersuchung ein Melanom, ein hoch maligner Tumor, der oft rasch zum Tode führen kann, festgestellt werden sollte?
Weitere Beispiele könnten noch viele aufgezählt werden.
Was nützt da das Risk-Management- Zertifikat?

Sa., 21.10.2023 - 22:41 Permalink
Bild
Profil für Benutzer monika sinn
monika sinn Di., 24.10.2023 - 16:58

Schmerzmittel bekommt man schnell verschrieben, bis zur orthopädischen Visite wartet man im Schnitt ein halbes Jahr, inzwischen ist der Magen kaputt, dann wartet man weiter einige Monate bis zur gastro Visite und irgendwann landet man in der Psychiatrie. Das Gesundheitssystem Südtirol!

Di., 24.10.2023 - 16:58 Permalink
Bild
Profil für Benutzer monika sinn
monika sinn Di., 24.10.2023 - 16:59

Schmerzmittel bekommt man schnell verschrieben, bis zur orthopädischen Visite wartet man im Schnitt ein halbes Jahr, inzwischen ist der Magen kaputt, dann wartet man weiter einige Monate bis zur gastro Visite und irgendwann landet man in der Psychiatrie. Das Gesundheitssystem Südtirol!

Di., 24.10.2023 - 16:59 Permalink