Film | Premiere

Hoffnungssch(w)immer

Der prominent besetzte Film "8 Tage im August" feiert demnächst Südtirol-Premiere. SALTO hat vorab mit Produzent und Setfotograf Martin Rattini gesprochen.
Am Set
Foto: Martin Rattini
  • Am Anfang tappt ein Teenager ins offene Meer, gefolgt von den Eltern, die sich ebenfalls auf die Wellen einlassen, sich kurz berühren, festhalten und sogar umarmen. Dann bricht diese erste Szene abrupt ab. Cut. Die Szene hätte auch am Ende des Films stehen können. 
    Was sich in den insgesamt 90 Minuten von 8 Tage im August dazwischen abspielt, besticht durch eine unausgesprochene Apathie und Geheimniskrämerei, und lässt einen (ein ums andere Mal) – wie die Schauspielerinnen und Schauspieler selber – im Dunklen dahintappen, vor allem als Militär – als wuchtiger Fremdkörper und wie aus heiterem Himmel – im Eldorado der urlaubenden Familien auftaucht und wieder verschwindet. Dann gibt es noch die beiden Teenager, welche sich seit Jahren und vielen Urlauben kennen, die eine streunende Katze am Strand aufgreifen und mit ihr ihren Mut erproben. Und dann? Cut!

  • Katzenjammer: Welche Rolle spielte die Film-Katze tatsächlich? Foto: Martin Rattini

    Vieles bleibt in 8 Tage im August bewusst und lange unklar und unausgesprochen, auch wenn der Streifen immer wieder ausgesprochen idyllisch und landschaftlich grandios daherkommt und man ihn am liebsten in Badehose und Badelatschen sehen möchte, bei Sommernachtsfeeling auf einer südländischen Dachterrasse, bei angenehmer Meeresbrise... Oder vielleicht doch besser im Kino? 
    Man weiß es nicht, denn man zweifelt (bis zur Verzweiflung) und verfolgt, wie sich das Kartenhaus einer der beiden Familien demontiert, wie aber dennoch immer wieder Hoffnungsschimmer aufblitzen. Dann aber wieder dahin sind. 

  • Oder sind alles nur Hoffnungsschwimmer in diesem Film, die sich nur scheinbar über Wasser halten, obwohl sie schon längst untergegangen sind? Der Film bedient, zum Glück nicht zu häufig, auch das eine oder andere klassische Urlaubs-Klischee deutscher Badeurlauber*innen in Italien. 
     

    Die Reaktionen des Publikums bei den beiden Premieren hätten unterschiedlicher nicht sein können...


    Gedreht wurde der mit den Schauspielgrößen Julia Jentsch und Florian Lukas besetzte Film (beide waren jeweils schon einmal Ehrengäste bei den Bozner Filmtagen) in Apulien. Allerdings nicht im August, wie der Titel vorgibt, sondern im September und Oktober 2021. 
    Für die große Produktion agierte Martin Rattini – er hat sich als Produzent des Films Amelie rennt (2017) über die Grenzen hinweg einen Namen gemacht –, diesmal in einer Doppelrolle: „Meine Doppelrolle als Setfotograf und Produzent ist etwas schizophren“, erzählt er gegenüber SALTO, denn „während man als Produzent sozusagen der Boss ist und nur ab und zu am Set steht und eigentlich sehr wenig in die tägliche kreative Gestaltung des Films involviert ist, so steht man als Setfotograf direkt am Puls des Geschehens.“ Auf diese Weise habe er „eine ganz andere Perspektive auf den Film“ bekommen und sei somit stets „nahe an der Regie, Kamera und den Schauspielern“ gewesen. 

  • Blick auf das Ganze: Die Reaktionen der Mitarbeiter und Schauspieler, „sobald sie realisieren, dass der Produzent auch der Fotograf ist, waren mitunter besonders lustig oder verwirrend.“ Foto: Martin Rattini

    „Der Film wurde in der Küstenstadt Vieste und an den Stränden des Gargano gedreht“, erzählt Rattini, „mit einer internationalen Crew aus Schweizern, Südtirolern und Pugliesen“. Um die große Produktion so nachhaltig wie möglich zu gestalten, wurde „auf Flugreisen verzichtet“ und zahlreiche Dienstleistungen – wie etwa das Catering – vor Ort organisiert. Außerdem waren die meisten Teammitglieder und Schauspieler „während der gesamten Drehzeit“ in der Drehgegend. „Daher war der Aufwand eher in der Organisation vorab“, meint Rattini, „denn einmal vor Ort, hatten wir alles was wir brauchten. Aber wie es so schön heißt beim Film: am schwierigsten sind Boote, Tiere und Kinder - wir hatten alles davon.“ 

  • Samuel Perriard und Gaëtan Varone: Lassen viel im Unklaren Foto: Martin Rattini

    Der Film unter der Regie des Schweizers Samuel Perriard – der mit Schwarzer Panther (2013) über zwei sich liebende Geschwister – aufhorchen ließ, bewegt sich eigentlich durchwegs auf dünnem Eis, seine durchwegs unklar gezeichneten, gebrochenen Charaktere brechen auf, dann wieder zusammen. So ist die scheinbare Idylle bald dahin und man ist als Zuschauer immer wieder so ahnungslos wie die handelnden, verängstigten Figuren. 

  • Cineastische Augustfragen: Was zum Teufel geht hier vor? Foto: Martin Rattini

    Letztens erlebte der Film seine ersten Aufführungen bei den Internationalen Hofer Filmtagen und vergangene Woche beim Festival del Cinema Europeo in Lecce. „Die Reaktionen des Publikums bei den beiden Premieren hätten unterschiedlicher nicht sein können“, fasst Rattini zusammen: „Wir waren immer schon sehr gespannt auf die differenzierte Wahrnehmung des deutschen und italienischen Publikums, da der Film ja diese zwei Welten aufeinanderprallen lässt. Während in Hof das Publikum sehr berührt war und auch manche Träne verdrückt wurde, so hörte man das Publikum in Lecce auch öfters mal lachen.“ Wie das Publikum in Bozen reagieren wird? 

  • Am Donnerstag kann ab 20 Uhr im Bozner Filmclub mitgeweint oder mitgelacht werden. Der Film läuft nach der Südtirol-Premiere bis weit in den Dezember hinein, auch in den Außensektionen (Meran, Brixen, Schlanders, Bruneck, Sterzing und Neumarkt)
    Zur nächsten großen Produktion von helios sustainable films, einem Dokumentarfilm zur legendären Schauspielerin Monica Vitti, verrät Rattini nur soviel: „Das ist das nächste große Abenteuer. Zusammen mit der Kölner Florianfilm drehen wir einen 50-minütigen Film für ARTE Frankreich und Deutschland. Die Regisseurin Katja Duregger wird sich auf Spurensuche begeben, um die leidenschaftliche, unnahbare aber zugleich moderne Monica Vitti zu entdecken.“ Ganz großes Kino allemal.

  • (c) Helios