Chronik | Rechnungshof

Vertauschte Rollen

Der Gerichtsstreit um die Ernennung von Staatsanwältin Daniela Morgante wird immer skurriler. Morgantes Verteidiger heißt jetzt Gerhard Brandstätter. Doch geht das?
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Foto: Studio Brandstätter
Am Dienstag findet vor dem Bozner Verwaltungsgericht die Aussetzungsverhandlung statt. Der Fall ist einer der politisch und juristisch Brisantesten, die jemals in der Gerstburg verhandelt wurden.
Es geht im die Ernennung der Staatsanwältin am Bozner Rechnungshof Daniela Morgante. Ende November 2016 ernannte das Präsidium des obersten Richterrates des Rechnungshofes Morgante nach einem Auswahlverfahren zur Nachfolgerin von Robert Schülmers.
Daniela Morgante ist alles andere als die typische Figur für eine Richterkarriere. Die 43jährige Rechtsanwältin aus Rom startete ihre Karriere im Bankenwesen. Nach Arbeitserfahrungen bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt und der Wettbewerbsbehörde bei der Europäischen Kommission in Brüssel, findet sie zuerst bei der italienischen Börsenaufsicht Consob und dann im Bereich Bankenaufsicht der Banca d´ Italia eine Anstellung. Im Dezember 2008 wird Morgante Richterin am Verwaltungsgericht Piemont. Später wechselt sie zum Rechnungshof. Sie ist Richterin am Rechnungshof im Veneto und in Apulien. Dann wird sie stellvertretende Staatsanwältin am Rechnungshof Molise.
Daniela Morgante ist aber auch politisch bestens vernetzt. So wird sie 2013 im ersten Kabinett des römischen PD-Bürgermeisters Ignazio Marino zur Finanzstadträtin ernannt. Lange Zeit war Morgante im vergangenen Jahr auch als Assessorin oder Kabinettschefin von Virginia Raggi ernsthaft im Gespräch. Am Ende wird die Karrierefrau, die zwischendurch auch für den italienischen Fussballverband tätig ist, dann die neue Staatsanwältin am Bozner Rechnungshof.
 

Fehlende Zweisprachigkeit

 
Doch Daniela Morgante hat ein Problem. Die Staatsanwältin gibt zwar offiziell an, Deutsch zu können, doch sie hat keinerlei Nachweis für ihre Zweisprachigkeit.
Dabei bewarb sich um die Schülmers Nachfolge aber auch die stellvertretende Staatsanwältin am Bozner Rechnungshof Alessia Di Gregorio. Di Gregorio hat den Zweisprachigkeitsnachweis A und spricht Deutsch.
Alessia Di Gregorio hat gegen die Morgante-Ernennung vor dem Verwaltungsgericht Bozen rekurriert. Ende Jänner 2017 erklärt sich das Verwaltungsgericht Bozen für nicht zuständig und überträgt den Fall an das Verwaltungsgericht Latium.
Gegen diese Verfügung rekurriert Alessia Di Gregorio aber beim Staatsrat in Rom. Am 4. Mai entscheidet der Staatsrat, dass das Bozner Verwaltungsgericht zuständig ist. Urteilsverfasser Bernhard Lageder hat dabei formal zwar nur die Kompetenzfrage geklärt, doch in seinem Urteilsspruch findet sich auch ein klarer Verweis darauf, dass in diesem Fall die Zweisprachigkeit und die Autonomiebestimmungen verletzt wurden.
 

Der Anwalts-Wechsel

 
Am Dienstag findet vor dem Bozner Verwaltungsgericht die Erstverhandlung statt. Es handelt sich um die Aussetzungsverhandlung. Wie in solchen Verfahren üblich, verlangt die Rekursstellerin Di Gregorio, dass die Ernennung von Morgante umgehend ausgesetzt wird. Es ist rechtstaktischer Schritt. Experten gehen davon aus, dass das Gericht diese Aussetzung kaum gewähren wird.
Dass diese Verhandlung aber dennoch zu einem brisanten Vorspiel wird, liegt an den Anwälten. Alessia Di Gregorio wird im Verfahren von der römischen Anwältin Michela Reggio d´Aci und ihrer Bozner Kollegin Renate Holzeisen vertreten. Daniela Morgante hatte ursprünglich Carlo Malinconico als Verteidiger ernannt. Malinconico saß 30 Jahren lang an allen wichtigen Schaltstellen der römischen Ministerien, war unter Romano Prodi Generalsekretär des Ministerrates und in der Regierung Monti Unterstaatssekretär gewesen. Malinconico ist am Bozner Verwaltungsgericht aber nicht mehr mit von der Partie.
 
Denn Daniela Morgante hat als ihren Verteidiger inzwischen den Bozner Anwalt Gerhard Brandstätter ernannt.
Es ist ein Schritt direkt in ein Minenfeld. Denn Gerhard Brandstätter ist der Verteidiger von Luis Durnwalder. Der renommierte Bozner Anwalt hat den Alt-Landeshauptmann in einem halben Dutzend Verfahren vor dem Rechnungshof und dem Landesgericht verteidigt. Vor allen in der Causa „Sonderfonds“ hat Brandstätter dabei vor Gericht und auch in der Presse die Staatsanwaltschaft am Bozner Rechnungshof und allen voran Robert Schülmers frontal angegriffen.
Dass Schülmers Nachfolgerin im Amt ausgerechnet Gerhard Brandstätter als Verteidiger nimmt, ist aber mehr als nur eine Kampfansage. Vor allem wenn man bedenkt, dass ihre Gegnerin Alessia Di Gregorio und Brandstätter sich mehrmals bei Verfahren am Rechnungshof in den Rollen als Anklägerin und Verteidiger gegenüberstanden.
 

Klare Unvereinbarkeit

 
Dabei ist die Verteidigerwahl Morgantes nicht eine Frage des Geschmacks, sondern weit deutlicher eine rechtliche Frage. „Hier liegen klare und gravierende Interessenkonflikte vor“, ist sich Di Gregorios Anwältin Renate Holzweisen sicher.
Man wird sich schwer tun, diese Argumente so einfach vom Tisch zu weisen.
Denn am Rechnungshof laufen noch Verfahren gegen Luis Durnwalder, in denen der Alt-Landeshauptmann von Gerhard Brandstätter verteidigt wird. Erst am 18. Mai standen sich dabei Alessia Di Gregorio als Staatsanwältin und Gerhard Brandstätter als Durnwalder-Verteidiger im Gerichtssaal gegenüber. Es geht um die Kosten für Durnwalders 70. Geburtstag. Es war im Gerichtssaal ein harter Schlagabtausch.
Daniela Morgante ist als leitende Staatsanwältin die Vorgesetzte von Di Gregorio und sie muss in dieser Rolle die Maßnahmen Di Gregorios mitunterzeichnen. Dass genau das jetzt nicht mehr gehen wird, ist selbst für einen Laien nachvollziehbar.
Doch damit nicht genug. Der Rechnungshof ist einem Urteil zum Schluss gekommen, dass die Bezahlung von Verteidigungshonoraren für ehemalige Mitglieder der Landesregierung nicht rechtmäßig war. Es geht insgesamt um 123.426,96 Euro, die an das Rechtsanwaltsstudio Brandstätter gegangen sind.
Das Geld muss an das Land zurückgezahlt werden. Das Berufungsgericht hat entschieden, dass der leitenden Staatsanwaltschaft am Rechnungshof diese Rückzahlung überwachen und notfalls Sanktionen verhängen muss. Diese Aufpasserrolle hat von amtswegen Daniela Morgante über.
Augenscheinlicher kann ein Interessenkonflikt wohl kaum sein.