Politik | öffentlicher Dienst

Ein Stück vom Boom abbekommen

Die Oppositionsfraktionen fordern geschlossen, das Grundgehalt der öffentlich Bediensteten anzupassen, um auch sie “am Wohlstand teilhaben” zu lassen.
Palais Widmann
Foto: LPA/ohn

Es ist ein Papier, das alle Oppositionsfraktionen unterzeichnet haben. Mit einer Tagesordnung zum Nachtragshaushalt, der ab Mittwoch im Landtag diskutiert wird, fordern die Oppositionellen: Die öffentlich Bediensteten sollen am wachsenden Wohlstand im Lande teilhaben. Und zwar nicht nur dem zukünftigen.

 

Bezug auf Personalgesetz

 

Laut Landesstatistikinstitut ASTAT hat die Südtiroler Volkswirtschaft zwischen dem Jahreswechsel 2014/15 und dem Jahreswechsel 2018/19 um 5,2 Prozent zugelegt; die Erwerbsquote ist hoch und die Arbeitslosenquote niedrig.
“Nur sehen wir nicht, dass die öffentlich Bediensteten an der guten wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt würden”, stellt Hanspeter Staffler fest. Im Gegenteil, verweist er auf die jüngsten AFI-Daten: “Mitarbeiter von Sanität, Seniorenwohnheimen, Schulen, Kindergärten, Landes- und Gemeindeverwaltungen haben seit dem Jahr 2010 real an Kaufkraft verloren und de facto Lohnkürzungen von über 10 Prozent hinnehmen müssen.” Das aber stehe im Widerspruch zum Landesgesetz Nr. 6 vom 19. Mai 2015 zur Personalordnung des Landes, sind die Oppositionsvertreter überzeugt. Denn das Gesetz schreibt in Art. 4 vor, dass bei der Erneuerung der Kollektivverträge “der Schutz der Kaufkraft der Gehälter, unter Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes sowie der grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich-sozialen Reformen” zu berücksichtigen sind.

 

“Am Boom teilhaben lassen”

 

Die 5 Prozent Wirtschaftswachstum seit 2015 – dem Jahr, aus dem das Gesetz stammt – und den gleichzeitigen Kaufkraftverlust bei den öffentlich Bediensteten gelte es, auszugleichen, verlangen die Oppositionsvertreter geschlossen.
Die Landesregierung wolle bei den anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen – die sollen im August mit den Gewerkschaften fortgeführt werden – zwar die Gehälter der öffentlich Bediensteten an die Inflationsrate angleichen, aber “weder den erlittenen Kaufkraftverlust seit 2010 noch die positive Entwicklung seit 2015 berücksichtigen – dabei stammt das Landesgesetz, das sie eigentlich dazu verpflichtet, nicht etwa von Durnwalder, sondern von Landeshauptmann Kompatscher und seiner damaligen Personallandesrätin Deeg”, klagt Hanspeter Staffler.

Die Forderung, die die Oppositionsfraktionen der Landesregierung vorlegen: das Grundgehalt der öffentlich Bediensteten um rund 5 Prozent erhöhen, unabhängig vom Verhandlungsergebnis mit den Gewerkschaften. “Durch die neu gewonnene Kaufkraft wird die Wirtschaft gestärkt und die Beanspruchung von Sozialleistungen zurückgehen”, ist sich Maria Elisabeth Rieder sicher.
“Fünf Prozent mehr Gehald – das wäre bei rund 40.000 öffentlich Bediensteten 60 Millionen Euro im Jahr, was einem Prozent des 6-Milliarden-Landeshaushaltes entspricht”, rechnet Hanspeter Staffler vor. Als ehemaliger Generalsekretär des Landes hat er nach wie vor Kontakt zu ehemaligen Mitarbeitern im Landesdienst – und sagt: “Das Klima in der öffentlichen Verwaltung ist nicht gut, es herrscht ein Personalmangel und ein allgemeiner Mangel an Interesse am öffentlichen Dienst – kein Wunder bei dieser Lohnentwicklung.” Dabei sei der öffentliche Dienst “ein Träger der Autonomie” und schaffe die Rahmenbedingungen, dass die Wirtschaft boomt – “warum sollen die Angestellten dort nicht an diesem Boom teilhaben?”.