Wirtschaft | Gefängnis

Sieg der Condotte

Das Land hat im März 2021 den Auftrag für den Bau des neuen Gefängnisses in Bozen Süd widerrufen. Jetzt hat das Verwaltungsgericht Bozen diesen Beschluss aufgehoben.
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Foto: upi
Das Verwaltungsgericht Bozen hat mit Urteil 77/2021, das am Dienstag dieser Woche veröffentlicht wurde, einen Rekurs der beiden Unternehmen „Condotte d’Acqua SpA“ und „INSO Sistemi per le Infrastrutture Sociali SpA“ gegen das Land Südtirol angenommen.
Es ist ein Paukenschlag.
Der vierköpfige Richtersenat um Präsident Michele Menestrina hat mit dem Urteil den Widerruf zur Vergabe eines Großauftrags aufgehoben. Am 21. März 2021 hatte das Land Südtirol per Beschluss die Vergabe für den Bau und die Führung des neuen Gefängnisses in Bozen Süd an die beiden Unternehmen widerrufen. Condotte und INSO rekurrierten beim Verwaltungsgericht gegen diese Maßnahme und bekamen jetzt – durchaus überraschend – recht. Das Gericht hat den Ausschluss der beiden italienischen Großunternehmen für nicht rechtens erklärt und deshalb aufgehoben.
Damit ist die Never-Ending-Story um den Neubau des Bozner Gefängnisses um ein Kapitel reicher.
 

Die Ausschreibung

 
Im Juli 2013 gewinnt das Bauunternehmen „Condotte d'Acqua SPA“ in Bozen die Ausschreibung für den Bau und die Führung des neuen Südtiroler Gefängnisses.
Die Ausschreibungssumme beträgt 54 Millionen Euro. Zwei Jahre und drei Monate soll die Bauzeit betragen. Dann soll das neue Bozner Gefängnis für 220 Häftlinge stehen. Es ist eine Art PPP-Modell. 67 Prozent oder 36,18 Millionen Euro zahlt das private Unternehmen, 33 Prozent oder 17,82 Millionen Euro die öffentliche Hand. Dafür bekommt die Condotte für 18 Jahre eine Konzession zur Führung des Gefängnisses. Darin ist zwar nicht die direkte Bewachung der Gefangenen enthalten, sehr wohl aber die ordentliche und außerordentliche Instandhaltung, die Führung alle Dienste wie Mensa, Wäscherei und Reinigung, sowie die sportliche Betätigung, Weiterbildung und die Freizeitaktivitäten der Gefangenen.
 
 
Die Condotte tritt bei der Ausschreibung mit einem Unternehmen an, das der Bauriese kurz vorher im Oktober 2012 übernommen hat: Die INSO Spa. Das Unternehmen, ist auf den Bau von Büros, Laboratorien, Hotels und vor allem Krankenhäuser spezialisiert, die schlüsselfertig übergeben werden. Weil die INSO auch einige Gerichtsgebäude gebaut hat, beginnt sie auch im Gefängnisbau ein gefragter Partner zu werden.
 

Der Absturz

 
Seit dem Zuschlag an die Condotte und INSO ist bis heute rund um das Gefängnis nichts mehr passiert. Außer, dass sich die Condotte wenig später in Südtirol einen zweiten Großauftrag sichert. Auf dem Schulareal "Pascoli – Longon" soll in der Landeshauptstadt ein neues Bibliotheken-Zentrum entstehen. Auch diesen Auftrag hat sich um rund 40 Millionen Euro die Condotte SPA gesichert. Das römische Unternehmen gewinnt Ende Juni 2017 mit der höchsten Punktezahl die öffentliche Ausschreibung.
In beiden Fällen hat die Condotte jahrelang weder einen Vertrag mit dem Land unterschrieben, noch die erforderlichen Bankengarantien hinterlegt. Denn im Sommer 2018 wird nicht nur der Besitzer und CEO des Riesen, Duccio Astaldi, verhaftet, das Großunternehmen steht auch vor dem Konkurs. Am 5. Jänner 2018 stellt das Unternehmen beim Landesgericht in Rom einen Antrag auf gerichtlichen Ausgleich unter Fortführung der Tätigkeit (Procedura di concordato in continuità aziendale). Danach verschlechterte sich die Lage noch einmal deutlich.
 
 
Im August 2018 wurden drei Kommissare ernannt, die versuchen das Unternehmen zu retten. Bis heute steht die Condotte unter kommissarischer Verwaltung. Obwohl man nicht weiß, ob die Condotte überhaupt in der Lage ist, die beiden Aufträge in Südtirol auszuführen, schaut das Land dabei lange und sehr gütig zu.
Dazu kommt noch ein zweites Problem: Das Finanzministerium erklärt plötzlich, dass das Geld für den Neubau und die Führung, obwohl bereits vor Jahren zugewiesen, jetzt nicht mehr vorhanden sei.
 

Doppelter Widerruf

 
Wirklich tätig wird das Land erst Ende 2020.
Am 18. Dezember 2020 wiederruft das Land die Auftragsvergabe an die Condotte für den Bau des neues Bibliotheken-Zentrums in Bozen und schlägt den Auftrag dem Zweitplatzierten eine Südtiroler Bietergemeinschaft um das Unternehmen „Atzwanger AG“ zu.
Der direkte Anlass für das Vorgehen ist ein Ausschluss und ein Widerruf eines Auftrages der Condotte beim Ausbau der Eisenbahnstrecke Rom-Viterbo. Dort hatte man das Unternehmen ausgeschlossen, in dem man einen Passus im öffentlichen Ausschreibungsgesetz angewandt hat. Wer „größere Steuerschulden“ hat, dem kann ein öffentlicher Auftrag entzogen werden. Was bei der in äußerster finanzieller Schieflage navigierenden Condotte gleich mehrfach der Fall ist. Das Unternehmen legt beim Verwaltungsgericht Latium Rekurs gegen den Ausschluss ein und verliert das Verfahren.
 
 
Erst jetzt getraut man sich auch in Bozen denselben Weg zu bestreiten. So entzieht man der Condotte zuerst den Auftrag für das Bibliotheken-Zentrum. Der Grund. Unregelmäßigkeiten und Steuerschulden des Unternehmens beim Amt für Einnahmen. Auch hier legt das Bauunternehmen beim Verwaltungsgericht Rekurs gegen das Vorgehen des Landes ein. Blitzt damit aber ab. Das Verwaltungsgericht Bozen weist Anfang April 2021 den Rekurs des Unternehmens ab.
Parallel dazu geht man auch beim Millionen-Auftrag zum Gefängnis denselben Weg. Aufschluss und Widerruf aufgrund der Steuerschulden der Condotte Spa. Doch diesmal entscheidet das Bozner Verwaltungsgericht anders.
Urteilsverfasser Terenzio Del Gaudio gibt den Anwälten des Unternehmens recht. Die Beanstandungen des Steueramtes seien teilweise widerlegt worden und vor allem sei die Steuerschuld noch nicht rechtskräftig nachgewiesen. Laut Urteil habe das Land zudem den Widerruf ungenügend und nicht richtig begründet.
Damit dürfte das Warten auf das neue Bozner Gefängnis noch jahrelang weitergehen.