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Ein Mall kam auf die Longlist

Der Schriftsteller Sepp Mall ist mit seinem Roman "Ein Hund kam in die Küche" (Leykam Verlag) der Sprung auf die "Longlist" zum Deutschen Buchpreis 2023 gelungen.
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Foto: Leykam Verlag

„In unserer Familie gab es keine Wörter für den Abschied. Mein Vater hatte keine und meine Mutter auch nicht. Als wären sie ihnen mit der Zeit verloren gegangen, aus dem Sprachsack gefallen, Buchstabe für Buchstabe, und irgendwo liegen geblieben, wo sie niemand mehr fand.“ Mit einer derartigen Sprachlosigkeit lässt Sepp Mall seinen jüngsten Roman Ein Hund kam in die Küche losgehen. Alles andere als sprachlos ist der Schriftsteller und Meraner Lyrikpreis-Gewinner 1996 seit gestern Abend. Ihm wurde nämlich die Nachricht zugetragen, dass er es mit seinem vierten und dem seit vergangener Woche im Handel erhältlichen Roman auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat. In seinem jüngsten Buch erzählt er über eine Familie aus Südtirol, die sich im Jahr 1942, im Zuge der „Option“ für die Auswanderung ins Deutsche Reich entscheidet. Mall lässt den 11-jährigen Ludi erzählen, von den letzten Tagen im Dorf und der ersten Station im Deutschen Reich: Innsbruck. Während Ludis Familie nach Oberösterreich weiterzieht, wird der behinderte Bruder Hanno auf Anweisung der Ärzte in eine Anstalt bei Hall gebracht.
 

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Romane des Jahres: Mit dem Deutschen Buchpreis zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels jährlich zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den deutschsprachigen "Roman des Jahres" aus. Ziel des Preises ist es, über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für deutschsprachige Autor*innen, das Lesen und das Leitmedium Buch. Der Deutsche Buchpreis ist mit insgesamt 37.500 Euro dotiert: Der oder die Preisträger*in erhält 25.000 Euro, die übrigen fünf Autor*innen der Shortlist erhalten jeweils 2.500 Euro.


2004 hat Mall mit Wundränder im Haymonverlag – nach einigen Gedichtbänden und Erzählungen – seinen ersten Roman vorgelegt, der wie Berliner Zimmer aus dem Jahr 2012 mittlerweile auch im renommieren Keller-Verlag in italienischer Sprache erschienen ist. Nicht nach Berlin, sondern nach Hamburg wird sich Sepp Mall in ein paar Wochen aufmachen, um dort an der Lesung mehrerer Longlist-Autor*innen teilzunehmen. So wird er am 6. September 2023 bei dem zum siebten Mal organisierten Großen Longlist-Abend vom Literaturhaus Hamburg dabei sein, vor Ort im Literaturhaus und im Livestream, wobei er sich außerdem den Fragen von Julia Westlake und Rainer Moritz stellen wird. Dieser frische Termin rutschte somit noch vor den Termin der Erstpräsentation am 28. September 2023 in der Landesbibliothek Teßmann in Bozen. „Das ist schon eine große Überraschung“ gesteht Mall, der eher damit rechnete, dass es sein Kollege Josef Oberhollenzer oder seine Kollegin Sabine Gruber auf die Longlist 2023 schaffen, deren neue Romane ebenfalls gerade erschienen sind. Oberhollener gelang der Sprung auf die Longlist bereits mit dem Roman Sültzrather 2018, Sabine Gruber bereits mit Über Nacht 2007.
 

Neues Buch, neuer Buchtrailer: Ein Hund kam in die Küche von Sepp Mall / Quelle: Leykam Buchverlag


Nachdem sich sein im Leykam Verlag erschienener Roman mit der Südtiroler Option, der Auswanderung und dem Umgang mit Menschen mit Behinderung in der NS-Zeit auseinandersetzt, muss auch die Frage fallen, ob bei ihm eine besondere Vorliebe vorherrscht, sich literarisch mit historischen Themen zu befassen. Dazu antwortet Mall: „Mich interessiert grundsätzlich, wie Menschen auf einen geschichtlichen Hintergrund reagieren, wie sie - wie etwa im neuen Roman  - mit Verlust umgehen, etwa mit dem Verlust von Heimat oder von ihnen nahestehenden Menschen.“ Was er in Hamburg am Abend der Longlist-Autor*innen lesen werde, dazu habe er sich hingegen noch „nicht wirklich Gedanken“ gemacht. Programmleiterin des Verlages Leykam ist übrigens die in Lana aufgewachsene Tanja Raich, die in den letzten Jahren mit Schwerer als das Licht und Jesolo ebenfalls zwei Romane vorgelegt hat, die von sich reden machten. Nach dem Wechsel von Haymon zu Leykam hätte der Einstand in den Verlag für Sepp Mall nicht besser laufen können. 
 

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Autor und Mentor: Sein allererstes Gedicht hat Sepp Mall übrigens im Johanneum-Internat in Dorf Tirol geschrieben, für einen literarischen Schülerwettbewerb, den der dortige Deutschlehrer Alfred Gruber organisierte. Das war Anfang der 70er Jahre, einige Jahre später gründete er mit anderen Schriftstellerinnen und Schriftstellern die Südtiroler Autorenvereinigung SAV (heute SAAV) und kümmerte sich – neben seiner hauptberuflichen Lehrertätigkeit – stets um den literarischen Nachwuchs im Land. / Foto: Claudia Pircher


Gespannt warten Mall und sein Verlag nun auf den 19. September 2023, wenn es dann zur Veröffentlichung der Shortlist kommt. Erst am Abend der Preisverleihung,– am 16. Oktober, zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse – erfahren die ausgewählten sechs Autor*innen, an wen der der Deutsche Buchpreis gehen wird. Salto drückt allen die Daumen. Insbesondere natürlich Sepp Mall.

 

Longlist 2023

Tomer Dotan-Dreyfus: Birobidschan (Verlag Voland & Quist, Februar 2023)
Raphaela Edelbauer: Die Inkommensurablen (Klett-Cotta, Januar 2023)
Sherko Fatah: Der große Wunsch (Luchterhand Literaturverlag, August 2023)
Elena Fischer: Paradise Garden (Diogenes Verlag, August 2023)
Charlotte Gneuß: Gittersee (S. Fischer Verlag, August 2023)
Luca Kieser: Weil da war etwas im Wasser (Picus Verlag, August 2023)
Angelika Klüssendorf: Risse (Piper Verlag, August 2023)
Sepp Mall: Ein Hund kam in die Küche (Leykam Verlag, August 2023)
Terézia Mora: Muna oder Die Hälfte des Lebens (Luchterhand Literaturverlag, August 2023)
Thomas Oláh: Doppler (Müry Salzmann Verlag, Februar 2023)
Angelika Overath: Unschärfen der Liebe (Luchterhand Literaturverlag, April 2023)
Necati Öziri: Vatermal (claassen, Juli 2023)
Teresa Präauer: Kochen im falschen Jahrhundert (Wallstein Verlag, Februar 2023)
Anne Rabe: Die Möglichkeit von Glück (Klett-Cotta, März 2023)
Kathrin Röggla: Laufendes Verfahren (S. Fischer Verlag, Juli 2023)
Tonio Schachinger: Echtzeitalter (Rowohlt Verlag, März 2023)
Sylvie Schenk: Maman (Carl Hanser Verlag, Februar 2023)
Clemens J. Setz: Monde vor der Landung (Suhrkamp Verlag, Februar 2023)
Tim Staffel: Südstern (Kanon Verlag Berlin, September 2023)
Ulrike Sterblich: Drifter (Rowohlt Verlag Hundert Augen, Juli 2023)

Der Jury gehören neben Katharina Teutsch an: Shila Behjat (Journalistin und Publizistin), Heinz Drügh (Goethe-Universität Frankfurt am Main), Melanie Mühl (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Lisa Schumacher (Steinmetz’sche Buchhandlung, Offenbach), Florian Valerius (Gegenlicht Buchhandlung, Trier), Matthias Weichelt (Zeitschrift Sinn und Form).