Politik | Elezioni 22 Wahlen

„Die Chance des Lebens“

Im Senatswahlkreis West stellt sich Markus Hafner vom Team K den Wählern und Wählerinnen und fordert damit die SVP-Parlamentarierin Julia Unterberger heraus.
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Foto: Privat
Hafner ist Viehzüchter auf dem Paulihof in Mals, der seit über 30 Jahren als Praktikumsbetrieb für die Universität Mailand (Scienze riproduzioni animali) und für die Universität Viterbo (Scienze forestali) dient. Erste politische Erfahrungen sammelte Hafner im Gemeinderat von Mals, als Übersetzer für die Organisation EMB (European Milk Board) gewann er tiefere Einblicke in die europäische Landwirtschaftspolitik.
 
Salto.bz: Herr Hafner, als Bauer kommen Sie aus einem Sektor, der in den politischen Debatten kaum eine Rolle spielt.
 
Markus Hafner: Das ist tatsächlich so. Ich bin seit rund einem Monat auf Wahlkampftour für das Team K. In den verschiedenen Interview-Anfragen wurden die Themen Landwirtschaft, Viehzucht oder Berglandwirtschaft nicht angesprochen. Wir Bauern finden in den Debatten rund um die Parlamentswahlen noch nicht einmal Erwähnung.
 
Dem zu geringen Wählerpotential geschuldet?
 
Es sind zwar „nur“ fünf Prozent der Bevölkerung im Landwirtschaftssektor tätig, aber letztendlich ist der gesamte Wirtschaftskreislauf eine Kette. Ich bin seit 20 Jahren als Übersetzer für die Organisation der Europäischen Milcherzeuger (EMB) in Brüssel tätig.
 
Welche Interessen vertritt diese Organisation?
 
Die EMB ist die Dachorganisation für rund 100.000 Milcherzeuger aus ganz Europa, die sich für einen gerechten Milchpreis und einen fairen Handel einsetzt sowie für eine Abkehr von der planlosen Überproduktion. Letztere hat nämlich unter anderem dazu geführt, dass mit dem zollfreien Export von Milchpulver in die ärmsten Länder Afrikas die dortigen lokalen Märkte kaputt gemacht werden. Das Resultat ist, dass viele ihre Arbeit und ihr Einkommen verlieren und in der Folge als Wirtschaftsflüchtlinge zu uns nach Europa kommen. Das haben uns Delegierte der afrikanischen Länder, mit denen wir eine Kooperation geschlossen haben, auch bestätigt. Das Problem ist also hausgemacht.
 
Das Problem ist also hausgemacht.
 
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, für das Team K bei den Parlamentswahlen zu kandidieren?
 
Als 21-Jähriger habe ich für die SVP bei den Gemeinderatswahlen kandidiert und wurde prompt gewählt. Mitten in der Verwaltungsperiode habe ich jedoch gemerkt, dass das nicht meine Welt ist. Mit Max Bliem und einigen Mitstreitern habe ich daraufhin die kleine Edelweiß-Liste gegründet, sozusagen eine interne Oppositions-Liste. Daraus entstand 1990 die Bürgerliste Mals, mit der wir auf Anhieb vier Mandate schafften. 15 Jahren saß ich im Gemeinderat und war parallel dazu aufgrund meiner guten Sprachkenntnisse als Übersetzer bei Veranstaltungen über Viehzucht tätig. Im Rahmen meiner Übersetzertätigkeit für die EMB kam ich nach den Landtagswahlen im Jahr 2013 in Kontakt mit den Abgeordneten und Landesräten. Während die SVP-Abgeordneten uns offenbar nicht ernst genommen haben, zeigte sich Paul Köllensperger – damals für die MS5 im Landtag – sehr aufgeschlossen für die Ideen und Visionen des EMB. Über die Jahre hinweg blieb der Kontakt bestehen und als die Regierung in Rom überraschend aufgelöst wurde, hat Köllensperger mich gefragt, ob ich für das Team K kandidieren möchte.
 
 
 
 
Was sind Ihre Ziele, wofür möchten Sie sich einsetzen?
 
An erster Stelle steht für uns die Autonomie. Um diese zu erreichen, fehlen beispielsweise noch viele Durchführungsbestimmungen seitens der italienischen Regierung, wie etwa im Energie-Sektor oder im Bereich Umwelt. Um die Autonomie ausbauen zu können, brauchen wir allerdings unsere italienischen Mitbürger. Ohne sie geht es nicht!   
 
Wenn Sie nach Rom fahren, dann … ?
 
… möchte ich mich für eine wirklich mehrsprachige Schule einsetzen. In der heutigen Zeit können wir uns einem mehrsprachigen Unterricht nicht mehr verschließen. Weiters brauchen wir eine funktionierende Gesundheitsversorgung für alle Bürger. Zurzeit ist es leider so, dass die Privat-Kliniken aus dem Boden schießen. Diese können sich die Filet-Stücke herauspicken und mit kurzen Wartezeiten punkten. Wer Geld hat, wird innerhalb von zwei Tagen behandelt und wer keins hat, muss warten. Für den Sanitätsbetrieb muss also mehr Geld bereit gestellt werden. Das nächste Problem sind die fehlenden Basis-Ärzte. Wir müssen die jungen Ärzte aus dem Ausland zurückholen, sie entsprechend entlohnen und nicht mit Hungerlöhnen abspeisen. Die PNRR-Gelder: Ich werde mich dafür einsetzen, mehr finanzielle Mittel aus dem Recovery Fond nach Südtirol zu holen, damit wir hier sinnvolle Projekte umsetzen können, beispielsweise für das Seniorenheim Martinsheim in Mals. Mit den Finanzmitteln aus diesem Fördertopf könnte ein Bereich „Offenes Wohnen“ und die Tagesstätte für psychisch Kranke eingerichtet werden.
 
Wir sind gegen die Einführung der von Matteo Salvini geforderten Flat-Tax.
 
Wir sind gegen die Einführung der von Matteo Salvini geforderten Flat-Tax. Sollte sie kommen, werden 100 Millionen Euro in unserem Haushalt fehlen. Sollte ich gewählt werden, werde ich mich der gemischten Autonomie-Gruppe anschließen und mich sowohl für die Autonomie Südtirols einsetzen als auch für die Autonomie-Bestrebungen des Veneto, in Aosta, Sizillien und Sardinien. Meiner Meinung nach täte dem italienischen Staat mehr Föderalismus sehr gut.
Wir müssen die Stromproduktion in unsere Hand nehmen und dafür sorgen, dass wir mit lokalen Anbietern die Preise im Sinne der Bürger gestalten können, beispielsweise in Form eines genossenschaftlichen Verteilungswesen.
Weiters setze ich mich dafür ein, dass im Sektor Landwirtschaft nicht weiterhin kopflos ohne nachzudenken produziert wird. Als Mitglied des EMB setze ich mich für das sogenannte Markt-Verantwortungsprogramm ein. Die Pläne, die unter den Schlagwörtern Nachhaltigkeit, Farm-to-Fork und Tierwohl bzw. Classyfarm laufen, stellen die Bauern vor große bürokratische Herausforderungen. Sie geben reihenweise auf. Wir sind nicht gegen Nachhaltigkeit und Tierwohl, fordern aber ein Mitspracherecht und es muss klar sein, dass diese Strategie auch von jemandem bezahlt werden muss, am besten an der Ladentheke und nicht über Subventionen. Wir wollen in Würde unsere Arbeit tun.
 
Was hat für Sie den Ausschlag gegeben zu kandidieren?
 
Es ist ein sehr kurzer Wahlkampf. Obwohl mir klar ist, dass ich keine Chance auf ein Mandat habe, habe ich nichts zu verlieren und für mich persönlich ist es die Chance des Lebens.
Ich lasse alles auf mich zukommen, habe dabei aber den Vorteil, dass ich die Probleme der Bauern und der Wirtschaft kenne und auch weiß, was sich in Brüssel abspielt.
 
Was zum Beispiel?
 
Es ist höchst an der Zeit, den Krieg mit Russland zu beenden. Strom, Gas, Getreide und Milch sind mittlerweile zu Spekualtionsobjekten für die Konzerne geworden. Die Schuld wird dem Ukraine-Konflikt zugeschrieben. Vor allem was die Strom-Preise betrifft, erwarte ich mir Hilfe seitens der EU, weil ich der Meinung bin, dass die Folgen des Krieges nicht auf die Schultern der Bürger abgewälzt werden dürfen. Ich erwarte mir, dass Rom und Brüssel für die Mehrkosten aufkommen.
 
Sie teilen die Meinung von Matteo Salvini, der eine Beendigung des Krieges aus wirtschaftlichen Gründen fordert?
 
Wir von der EMB fordern ein Ende des Krieges nicht nur für die Milch produzierenden Betriebe, sondern für alle Wirtschaftssektoren, und zwar schnell. Die Diplomatie muss einen Weg finden, damit Wladimir Putin sein Gesicht wahren und der Krieg beendet werden kann.
 
Es ist höchst an der Zeit, den Krieg mit Russland zu beenden.
 
Herr Putin wird mit Ihnen Schlitten fahren …
 
Weil er die Kontrolle über die Gasressourcen hat. Er fährt also nicht nur mit mir Schlitten …
 
Thema Wolf …
 
Wir haben ein großes Problem mit dem Bär und dem Wolf. Was viele noch nicht wissen: Auch die Wildschweine werden unsere Landwirte vor eine große Herausforderung stellen. Eine Lösung sehe ich nur in der Rückholung der Kompetenzen von Rom nach Bozen und in einem gezielten Management. Ich bin selbst Züchter und es geht mir nahe, wenn Schafe oder Kälber aufgefressen oder in den Tod gehetzt werden. Da braucht mir niemand mit Tierschutz kommen. Hier geht es um unsere Tiere und unsere Existenz. Das nächste Problem steht bereits vor der Tür, nämlich das Wildschwein. Wenn sich diese Tiere bei uns ausbreiten, werden die Obst- und Weinbauern staunen und ich gehe davon aus, dass es dann zu einem Schulterschluss zwischen Tal- und Bergbauern kommen wird.