Faustini, Alberto
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Gesellschaft | Pollo der Woche

L´ Alberto silenzioso

Der Chefredakteur des Alto Adige, Alberto Faustini, scheint auf einem anderen Planeten zu leben.
Vier Tage lang: Schweigen. Erst nachdem der Verkauf seiner Zeitung in allen Medien ausgiebig kommentiert und analysiert worden ist, bemüßigt sich auch der Chefredakteur des Alto Adige Alberto Faustini Stellung zu nehmen. Herausgekommen ist eine der peinlichsten Sonntagspredigten, die die Druckerschwärze dieses Landes je hervorgebracht hat.
Unter dem Titel „Noi, gli Ebner e un giornale libero e forte“ kanzelt Faustini alle jene ab, die sich getrauen die Medienhochzeit unter den christlichen Brüdern kritisch zu hinterfragen. Was folgt ist eine Anbiederung an die Leser:
I vostri giudizi, le vostre osservazioni, le vostre sollecitazioni, per me sono la cosa più importante. ...(...)... Vi ho sempre sentiti al mio fianco e, soprattutto, al fianco del nostro (anzi: del vostro) giornale. C’eravate e ci siete nei giorni di pioggia e nei giorni di sole. Ci avete scelti ogni giorno. E per me una stretta di mano con voi lettori ...(...)... vale più di ogni altra cosa.
Der Chefredakteur einer Zeitung, der sich natürlich nur seinen Lesern verpflichtet fühlt. Unabhängig davon, wem die Zeitung gehört. Das klingt gut.
Das Heiligenbild des Herolds der freien Presse hat aber einige gefährliche Risse. Denn in Wirklichkeit laufen die jetzt so angepriesenen Leser dem Alto Adige und Faustini seit Jahren in Scharen davon. Der Alto Adige hat in seiner Blütezeit in Südtirol täglich über 25.000 Zeitungen verkauft. Heute sind es unter 10.000. Allein im Jahr 2015 hat man täglich 963 Zeitungen weniger verkauft.
Wenn es so weitergeht, wird der Chefredakteur bald wirklich jedem Leser die Hand schütteln könne
„Alberto Faustini schildert in seinem Leitartikel die Übernahme des Alto Adige durch die Athesia so, als würden Zeitung und Redaktion eben mal den Stromanbieter wechseln.“
Alberto Faustini schildert in seinem Leitartikel die Übernahme des Alto Adige durch die Athesia so, als würden Zeitung und Redaktion eben mal den Stromanbieter wechseln. Die Botschaft: Ihr werdet sehen, es bleibt alles beim Alten.
In diesem Punkt dürfte der Sohn eines großen italienischen Journalisten nicht ganz Unrecht haben. Denn seit langem sind Alto Adige und Dolomiten ein publizistisches Paar. Es gibt seit Jahren eine enge technische, werbemäßige Zusammenarbeit der beiden großen Südtiroler Zeitungen. Was man jetzt mit den Unterschriften auf dem Kaufvertrag abgeschlossen hat, wurde bereits vor Jahren in Treffen zwischen Michl Ebner mit Carlo Caracciolo und Carlo De Benedetti vereinbart. Die Finegil hat in den letzten fünf Jahren den Alto Adige gesundgeschrumpft. Aus 60 Journalisten wurden 15, die Außenstellen und die Druckerei geschlossen, die Ausgabe in Belluno verkauft.
Man hat das Blatt systematisch für die Hochzeit herausgeputzt. Und den Verkauf dann perfekt getimt. Genau zwei Wochen, nachdem man in Rom das neue Zeitungsförderungsgesetz verabschiedet hat und die Athesia dabei ihre staatlichen Millionenbeiträge ins Trockene gebracht hat, ist man zum Standesamt geschritten.
Dazu kommt, dass die Verlobten schon lange vor der Hochzeit immer öfters im publizistischen Gleichschritt marschiert sind. Unbequeme Themen, Menschen und Vorfälle werden – wenn nötig – in beiden Zeitungen generalstabsmäßig totgeschwiegen.
 
Der Weihrauch, den Alberto Faustini seinen Lesern streut, muss ihn selbst etwas verwirrt haben. Nur so ist seine Sicht der Dinge erklärbar.
Denn seine „starke und freie Zeitung“ wird ab sofort organischer Teil des Systems Athesia werden. Ein System dessen Herzstück die Medienmacht ist. Die Familie Ebner kontrolliert spätestens jetzt über 80 Prozent des Medien- und Werbemarktes in diesem Land. Wie sie das tut, erleben die oppositionellen Medien täglich. Wenn einem nicht nur gestandene Südtiroler Unternehmer, sondern selbst Vertreter honoriger öffentlicher Institutionen offen ins Gesicht sagen: „Ich würde schon Werbung machen, aber dann bekommen ich einen Anruf vom Michl oder vom Toni“.
Das ist die Realität in diesem Land.
Alberto Faustini wird durch diese neue antifaschistische Bruderschaft in seiner wunderschönen Zeitung und auf seiner Homepage in Zukunft Artikel finden, die über „Athesia Marketing & Event“ unter dem Deckmantel des Sponsoring verkaufen worden sind. Ohne, dass sie als PR gekennzeichnet sind. So wie es Dolomiten, STOL und Zett seit Jahren machen.
Wirklich großer Journalismus
„Dass sich ein Chefredakteur freut in das Spinnennetz dieser Abhängigkeiten und Eitelkeiten verstrickt zu werden, sagt viel über ihn aus.“
Das System Athesia ist die beinharte Durchsetzung der eigenen wirtschaftlichen, familiären und politischen Interessen in Reinkultur. Ein System, das weit über die Medienmacht hinaus geht. Denn die Ebners sitzen längst in allen wichtigen Bereichen der Südtiroler Gesellschaft. An der Spitze der Handelskammer, in der Stiftung Sparkasse, in der Banca Intesa, in der Hypo Tirol Bank oder am Verwaltungsgericht Bozen.
Dass sich ein Chefredakteur freut in das Spinnennetz dieser Abhängigkeiten und Eitelkeiten verstrickt zu werden, sagt viel über ihn aus.
Alberto Faustini kann es mit den Mächtigen und er ist es gewohnt an ihrem Tisch zu sitzen. Vor seinem Alto-Adige-Job war er Pressesprecher von zwei Landeshauptleuten. Dass er dabei indirekt auch an den Politiker-Privilegien mit genascht hat, hindert ihn später nicht in seiner Zeitung einen Feldzug gegen genau diese Politikerprivilegien zu entfachen. Einen Feldzug auf den er jetzt auch noch stolz ist.
 
Credetemi, è presto per parlarne“; schreibt Alberto Faustini in seiner Sonntagspredigt.
Ich würde sagen: Für manchen ist es längst zu spät.
 
 
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pérvasion Sa., 22.10.2016 - 17:51

Na endlich! Der AA musste wohl von Athesia gekauft werden, bevor sich jemand traut, auch mal dieses Blatt und seinen tollen Direttore zu kritisieren.

Sa., 22.10.2016 - 17:51 Permalink
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Hartmuth Staffler Sa., 22.10.2016 - 22:25

Michl Ebner hat nach dem Kauf des Alto Adige eine schreckliche Drohung ausgesprochen: An der Linie dieser (übel nationalistischen) Zeitung werde sich nichts ändern. Es ist zu befürchten, dass man dem Michl wenigstens diesmal glauben muss.

Sa., 22.10.2016 - 22:25 Permalink