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„Ich kann auch in die große Welt hinaus“

Ein Auslandsjahr in der 4. Oberschule? Klingt aufregend, wirft aber viele Fragen auf. Sebastian Giacomozzi war 1 Jahr in Finnland und erzählt von seiner Erfahrung.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Auslandssemester
Foto: Edgar Chaparro (Unsplash)

Wie gehe ich mich Heimweh um? Schaffe ich es, den Schulstoff nachzuholen, wenn ich aus dem Ausland zurückkomme? Solche und ähnliche Fragen stellen sich, wenn man ein Auslandssemester in der 4. Oberschule machen will.

Zu diesem Thema fand vor einigen Wochen ein Webinar der Handelskammer Bozen und der Sensibilisierungskampagne #multilingual statt, das von 300 Eltern und Schülern besucht wurde – ein riesiges Interesse also.

Weil das Webinar so gut besucht war, hier ein Interview mit Sebastian Giacomozzi, Oberschüler der 5. Klasse des Realgymnasiums Bozen, der ein Auslandsjahr in Finnland hinter sich hat und von seiner Erfahrung erzählt.

 

Wo hast du dein Auslandssemster verbracht, Sebastian?

Sebastian Giacomozzi: Ich habe links neben Helsiniki gewohnt, ganz im Süden von Finnland. Die Stadt hieß Kirkkonumi. Das lustige war: Dort spricht man neben Finnisch auch Schwedisch, das Gebiet ist also zweisprachig, ganz ähnlich wie Südtirol. Ich hatte im Sommer noch ganz motiviert Finnisch gelernt, dann zwei Wochen bevor ich gestartet bin, habe ich ehrfahren, dass ich zu einer Familie komme, die Schwedisch spricht. Dann habe ich mir noch schnell ein Schwedischbuch gekauft. (lacht)

Interessant zu sehen, dass es überall auf der Welt parallelen gibt. Auch zu unserer Realität in Südtirol.

Ja total! Meine Gastfamilie hat gemeint, sie mussten mir gar nichts erklären, weil ich die Situation sofort verstanden habe. Normalerweise verstehen die Leute nicht, warum dort zwei Sprachen gesprochen werden und sind verwirrt. Aber ich bin es ja von zuhause gewohnt.

Wann ist bei dir die Idee aufgekommen, nach Finnland zu gehen?

Ab der zweiten Oberschule habe ich mir gedacht: Das wäre schon bärig, irgendwo hinzufahren. Anfänglich wollte ich nach Großbritannien, um besser Englisch zu lernen. Dann habe ich aber gesehen, dass man auch in exotischere Länder fahren kann: Honduras, Uruguay, Japan. Das klang viel interessanter. Für Japan war ich nicht mutig genug, ich wollte innerhalb Europas bleiben. Bei meiner Organisation konnte ich mehrere Länder angeben, und habe am Ende Finnland bekommen. Darüber bin ich jetzt ganz glücklich.

 

Wie sieht deiner Meinung nach eine gute Vorbereitung auf das Auslandssemester aus?

Das wichtigste ist meiner Meinung nach, keine konkreten Erwartungen zu haben. Ich habe mir nur erwartet, dass es cool wird, aber man sollte sich nicht denken: Danach bin ich auf dem Niveau C2. Oder, danach habe ich voll viele Kollegen. Oder danach verstehe ich mich voll gut mit meiner Gastfamilie. Das sind alles Dinge, auf die man nicht immer Einfluss hat. Und das sind dann die Dinge, mit denen die Leute manchmal Schwierigkeiten haben. Sie sollten deshalb locker werden, der Erfahrung entgegen gehen und akzeptieren, wenn nicht alles nach Plan geht. Einfach das Beste daraus machen.

Was verlief bei dir nicht so nach Plan?

Naja, die Schule war fünf Monate lang geschlossen, und wir hatten Fernunterricht. Aber in dieser Zeit habe ich dafür meine Gastfamilie besser kennen gelernt. Und es war sicher besser, in Finnland allein zuhause zu hocken, als in Italien.

Hattest du manchmal Heimweih? Und wenn ja, hast du einen Tipp, wie man damit umgeht?

Ich hatte eigentlich nie Heimweh, weil ich mich mit meiner Gastfamilie so gut verstanden habe. Das war für mich ein safe space, wo ich mich entspannen konnte. Wenn man diese Umgebung nicht hat, ist es wichtig, sich einen Platz zu schaffen, wo man sich sicher fühlt. Ich persönlich bin zum Beispiel gern in der Natur. Also bin ich viel in den Wald gegangen.

Was viele Schülerinnen und Schüler fragen: Wie schafft man es, den Lernstoff nachzuholen, wenn man nach Südtirol zurückkommt?

In Finnland kann man sich jeden Kurs einzeln auswählen. Ich habe daher versucht, wenigstens die Hauptkurse von meiner Schule zu machen, also Mathe, Chemie, Naturkunde und Physik. Zwar haben wir vom Stoff her andere Dinge durchenommen, aber ich musste dann zurück in Südtirol keine Aufholprüfung machen. Trotzdem habe ich mir den Stoff von den Lehrern schicken lassen, und habe zumindest das wichtigste, also das was in der 5. Klasse aufbauend ist, im Sommer etwas nachgelernt. Bis jetzt hatte ich eigentlich nie Probleme. Klar, man muss sich dahintersetzen, aber ich habe mich eigentlich immer relativ leicht mit Lernen getan.

Wie war es allgemein, wieder nach Südtirol zurückzukommen?

Es war alles genau gleich. Das war komisch. Wahrscheinlich auch, weil dreiviertel des Jahres Lockdown war.

Oder vielleicht, weil du dich mit der Erfahrung weiterentwickelt hast. Gibt es Entwicklungen, die du an dir beobachtest?

Ich hatte früher immer Probleme mit meinem Selbstbewusstsein. Wenn man im Ausland ist, hat man aber keinen Bezug zu den Menschen um sich herum, da fühlt man sich frei. Und als ich zurückgekommen bin, habe ich gemerkt, dass ich mittlerweile über viele Dinge drüber stehe. Auch das Gefühl, es ein Jahr lang geschafft zu haben, in einem Land zu leben, in dem man die Sprache nicht spricht, wo man niemanden kennt, ist echt cool. Da weiß man: Ich kann auch mal in die große weite Welt hinaus. Und der Gedanke ist jetzt weniger beängstigend.

 

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