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Bruce Bilbao's Frühlings-Spirit

Bruce Bilbao kennt man hierzulande eigentlich als Bozner Techno-DJ/Producer, doch nun hat er einen eigenen House-Track veröffentlicht. Wie es dazu kam & warum der Musiker den Socials einst den Rücken kehren wollte.
Bruce Bilbao, live im DRIN Bozen, 2023.
Foto: Bruce Bilbao/DRIN Bozen
  • salto.music: Bruce, mit deiner aktuellen Frühlings-Single „Babylon“ steckst du tief im House. Wie kam es zum Schritt weg vom Techno & hin zum House? Wer hat dich dazu inspiriert & warum?

    Bruce Bilbao: Nun ja, dieser Tune ist für mich sozusagen ein Ausflug in die House-Welt gewesen, die nächsten geplanten Releases sind allesamt wieder der Techno-Schiene zuzuordnen.

    House kommt aus Chicago und ist dem Techno aus Detroit in gewissen Aspekten sehr ähnlich. Beide entwickelten sich parallel zueinander Ende der Achtziger. Wer mich besser kennt weiß, dass mein Musikgeschmack extrem breit gefächert ist. Dementsprechend produziere ich immer das, worauf ich grad Lust habe. Das hat den Vorteil, dass man über die Jahre ein beachtliches Repertoire an Produktionstechniken aus den verschiedensten Genres ansammelt.

    Auf YouTube fand ich irgendwann mal die Dokumentation „How House Music Was Born“... kann ich jedem nur wärmstens empfehlen. Diese Dokumentation ist einer meiner Lieblingsfilme ever und ich habe ihn bereits etliche Male gesehen. Ich finde es sehr inspirierend, wie die Pioniere dieses Genres mit so wenigen und simplen Mitteln eine neue Kultursparte initiierten. Für den Kontext, die Lieder wurden mit ein paar wenigen Synthesizern und Drum Machines aus dem Second Hand-Laden, die so gesehen keiner wollte, zu Hause produziert, deswegen der Name House Music.

    Ich finde sowas mega spannend, bin generell ein sehr geschichtsinteressierter Typ, der wissen möchte, woher die Kultur stammt. Auch der Gedanke, aus wenig viel zu machen, resoniert sehr mit mir. Ich finde, man soll das Beste aus dem, was man hat, rausholen. Man braucht - überhaupt heutzutage -  nicht viel, um sehr aussagekräftige Musik zu machen.

  • Bruce Bilbao, „Babylon“, Single-Cover, 2024. Foto: Bruce Bilbao
  • salto.music: Wie genau verlief die Entstehung dieses Tracks? Sozusagen von der Idee als Ausgangspunkt bis zum finalen Mix?

    Bruce Bilbao: „Babylon“ entstand tatsächlich bereits letztes Jahr, genau um diese Jahreszeit herum. Zu dieser Zeit produzierte ich extrem viel, vor allem Techno und war täglich in ganz Norditalien unterwegs, um Werbung für „AlpinTechno 2.0“ in der Messe Bozen zu machen. Meine Abende verbrachte ich dann großteils im Home-Studio, um die erlebten Eindrücke zu „dokumentieren/verkapseln/verarbeiten“.

    Während der langen Autofahrten sah ich prächtige Landschaften und entdeckte dabei auch ziemlich viel gute Musik, wegen der Dokumentation auch ein paar House-Tracks, darunter Marshall Jefferson’s „Move Your Body“. Stilistisch war das auf jeden Fall der „Blueprint“ für meinen Track, man hört es in der starken Präsenz des Pianos. Ich denke, ich wollte mit „Babylon“ diesen fröhlichen „Frühlings-Spirit“ voller Leben einfangen. Alles blüht, alles fängt neu an.

    Ich möchte mit meiner Musik immer ein Gefühl oder Erlebnis dokumentieren, auch wenn das natürlich sehr subjektiv ist, aber ich denke erst dann kriegen Lieder wirklich Tiefe. Für die Tech-Nerds unter den Lesern: Ich habe den Tune im Ableton 11 gemacht, benutze aber auch viel Reason 12 und Bitwig 5.

    Ich gehe eigentlich nie mit einer konkreten Idee an ein Lied ran. Meistens setze ich mich ins Studio, wenn ich mich danach fühle (oder auch nicht, consistency is key) und lege einfach los. Manchmal wird's was, manchmal nicht. Wichtig ist mir beim Musik machen, die Rhythmen und Melodien live einzuspielen. Ich kann nicht wirklich beschreiben was ich dabei mache, ich habe keine klassische Musiklehre, ich spiele einfach drauf los, bis es für mich gut klingt. Dabei benutze ich zwei Midi-Controller von Akai und zwei Sampler von Elektron und Novation. Das Lied entsteht dann „in the box“, in einem der oben genannten Programme auf meinem Rechner, wo die Skizzen/Ideen von den Maschinen ausgearbeitet, arrangiert, verfeinert und mit den unendlichen Möglichkeiten einer Digital Audio Workstation kombiniert werden.

  • Foto: Bruce Bilbao/DRIN Bozen
  • salto.music: Kann man in naher Zukunft weitere House-Produktionen und auch House-Live-Sets von dir erwarten oder möchtest du hauptsächlich doch in der Techno-Ecke bleiben?

    Bruce Bilbao: Vorerst habe ich ein paar Techno-Releases geplant, die bereits hier fertig liegen. Die werden bald veröffentlicht. Ansonsten habe ich noch ein paar düsterere, groovige House-Tracks in Arbeit, in richtiger Bruce Bilbao-Manier. Die brauchen aber noch ein bisschen Zeit und Liebe, um fertig zu werden. 

    Was House DJ-Sets anbelangt, habe ich bereits ein paar Daten gebucht für den Sommer. Nebenbei habe ich im April und Mai kein Wochenende frei, was mich natürlich sehr freut! „Nature is healing I suppose“ nach dem ganzen Corona-Wahnsinn. Ein Highlight dabei wird sicher das Wochenende im Mai in Mailand sein. Das Kollektiv Urban Utopia lädt meinen besten Freund Detlef Gee und mich für ein paar Sets in die Modestadt ein, darunter könnte auch ein House-Set sein (shoutout an Resa Utopica).

  • Foto: Bruce Bilbao/Basis Schlanders
  • salto.music: Du kommst aus Bozen, bist nun 25 Jahre alt und seit 2012 als DJ bzw. seit 2011 als Producer aktiv. Welche Erfahrungen hast du bislang hierzulande im Musikbereich gemacht?

    Bruce Bilbao: Ich liebe und lebe elektronische Underground-Musik. Ich habe 2011 meine erste Produktions-Software heruntergeladen, damals FL Studio. Bin dann 2013 wegen meines Mentors auf Ableton umgestiegen. Ich bin seit 2012 auch passionierter DJ und habe bereits unzählige Nächte hinter dem DJ-Pult in Südtiroler Clubs und bei Raves verbracht. Bin um Culture Assault Records groß geworden und war dort immer fleißig am Mithelfen. Bin ein großer Musiksammler und selbst Party-Organisator. Bin nebenbei auch im Grafik- und Video-Bereich tätig. 

    Ich möchte die Jugendkultur in Südtirol fördern, um meine Heimat zu einem lebenswerten Raum für junge Leute zu machen und die Abwanderung genialer Köpfe zu verhindern. Wir nutzen hier kaum unser wahres Potenzial. Mich beschäftigen Fragen wie: Wieso machen immer mehr Clubs zu und keine neuen auf? Wieso werden Problematiken in Südtirol, wie die am Obstplatz in Bozen (Lärmbelästigung für Anwohner, ewige Polemik) mit stupiden Trinkverboten versucht pseudo-gelöst zu werden? Wieso ist der Tourist hier wichtiger als der Einheimische? Wer entscheidet, was Kultur ist, was nicht?

    Für mich ist meine Musik, und vor allem die Partys, die wir in diesem halbtoten Land organisieren, eine Art Protest. Wir erschaffen Kultur, die direkt vom Volk fürs Volk geschieht. Echter geht’s ja nicht, oder? Und trotzdem werden wir unterdrückt und nicht ernst genommen, obwohl wir junge Leute sind, die versuchen, eine Bereicherung in unserem Land zu schaffen, welches uns eigentlich kaum etwas Attraktives bietet.

  • Foto: Bruce Bilbao
  • salto.music: Gegen Ende letzten Jahres hast du dich den Socials offiziell abgewandt, warst dann aber wenig später dort wieder aktiv. Wie kam es dazu und warum hast du deine Meinung geändert?

    Bruce Bilbao: (lacht) Witzig, dass du das ansprichst! Ich habe damals den Beitrag dazu bei euch auf salto.music gesehen und fand es mega krass. Ich bin in den sozialen Medien seit ich ein Jugendlicher bin und habe bis vor ein paar Jahren nie wirklich hinterfragt, was das mit mir macht. Da ich auch schon so lange Musik mache und die beiden Sachen Hand in Hand gehen heutzutage, war das immer irgendwie Teil meiner Identity. Aber ich denke jeder sollte heutzutage wissen, dass Instagram und Co. der mentalen Gesundheit nicht besonders gut tun. Vor ein paar Jahren dann, kurz nach dem ersten langen Corona Lockdown, habe ich mir die Apps für ein paar Monate vom Handy gelöscht. Das war befreiend und bitter nötig. Vor allem nach dem heftigen Überkonsum während des Lockdowns, Stichwort „Screentime“.

    Damals hat es mir sehr geholfen, eine neue Perspektive zu erlangen, und Socials, sobald ich sie wieder nutzte, anders und besser zu nutzen. Fast forward, und wir sind Ende letzten Jahres. Es war wieder soweit, ich war überfordert von dem ganzen Input, verschwendete viel meiner Zeit auf den Socials mit „Nichtstun“ und merkte, dass es wieder Zeit wird. Social Media hat sich in diesen knapp drei Jahren rasant verändert. Ich merke, wie die Smartphones und sozialen Medien uns alle nach und nach verändern. Das ist beängstigend, auch wenn ich selbst irgendwo da mittendrin stecke.

    Ich musste dann aber relativ schnell wieder zurück, um die Promo für die anstehenden Partys zu regeln. Ich habe aber tatsächlich vor, nach Teknonstop XXL im Juni 2024 - ein zweitägiges Tekno- und Techno-Festival, welches meine Freunde und ich veranstalten und bei dem ich vor allem für Social Media und Kommunikation zuständig bin,  mir für eine Weile ein Tasten-Handy anzuschaffen und ein bisschen wie in den Neunzigern zu leben. Freue mich schon tierisch darauf, so kann man den Sommer gut genießen, denke ich. Für Auftritte werde ich trotzdem telefonisch oder per E-Mail erreichbar sein, die ich ab und zu mal vom PC aus checken werde.

  • salto.music: Ich mache Musik, weil...

    Bruce Bilbao: ...weil ich das Gefühl liebe, welches mir Musik gibt. Es gibt echt nichts Geileres als selbst Musik zu erschaffen, die man selber hören möchte und persönliche Ziele, die man sich vornimmt, zu erreichen. Das ist wirklich das schönste Gefühl im Leben. Auch die Freundschaften, die ich über die Jahre durch Musik und Partys geknüpft habe, sind einzigartig.

    Zum Abschluss noch ein Shoutout an alle meine Brüder und Schwestern: Kilian, Philipp, Ell Vory, Oat M, Sax, Mirjam, Alina, meine Familie und alle anderen! Danke für'n Support over the years, you the best!

  • Info:

    Bruce Bilbao Soundcloud:  https://soundcloud.com/bruce_bilbao

  • Foto: Bruce Bilbao