Gesellschaft | Mutterschaft

Kind oder Karriere?

Mutterschaft und Karriere sind oft eine Herausforderung, wenn es darum geht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Auch in Südtirol.
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Foto: © Adobe Stock Images

Mutterschaft und berufliche Karriere sind oft eine Herausforderung, wenn es darum geht, Familie und Beruf unter einem Hut zu bekommen. Nicht wenige Frauen sehen sich gezwungen, sich für das eine oder andere – Kind oder Karriere – zu entscheiden. 

Karriereunterbrechung mit Folgen

Im Hinblick auf die strukturellen Problematiken erschweren vor allem lange Arbeitszeiten, mangelnde flexible Arbeitszeitmodelle und fehlende Betreuungsdienste für arbeitende Mütter, familiäre Verpflichtungen mit dem Berufsleben in Einklang zu bringen. Diese Doppelbelastung kann zu Erschöpfung, Stress und einem Gefühl der Überforderung führen, weshalb sich viele Mütter dazu entscheiden, kurz- oder langzeitig aus dem Berufsleben auszusteigen, um sich ganz der Betreuung der Familie zu widmen. Karriereunterbrechungen wie diese können jedoch langfristige Auswirkungen auf den beruflichen Werdegang haben, einschließlich einer verminderten beruflichen Entwicklung und finanzieller Einbußen. Der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt nach einer Pause gestaltet sich deshalb umso schwieriger, da Lücken im Lebenslauf von potenziellen Arbeitgebenden als kritisch betrachtet werden. Die Sorge um familiäre Verpflichtungen und die Unvereinbarkeit von langen Arbeitszeiten mit der Kinderbetreuung können dazu führen, dass Mütter bei Beförderungen und Karrieremöglichkeiten benachteiligt werden, während mangelnde Unterstützung und fehlende flexible Arbeitsmodelle es Müttern zusätzlich erschweren, ihr volles Potenzial auszuschöpfen und beruflich voranzukommen.

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen

Im italienischen Gesetz sind einige Unterstützungsmaßnahmen für (werdende) Mütter vorgesehen. Der Mutter steht ein obligatorischer Mutterschaftsurlaub von maximal zwölf Monaten zu, in dessen Rahmen ein Entlassungsverbot für den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin gilt. Es ist also gesetzlich verboten, eine Frau während der Schwangerschaft oder in den sechs Monaten nach der Geburt zu entlassen, es sei denn, es liegt ein außergewöhnlicher Grund vor. Während des Mutterschaftsurlaubs erhalten arbeitende Mütter zudem eine finanzielle Unterstützung in Form einer Mutterschaftsbeihilfe, wobei die Höhe der Beihilfe je nach Einkommen variiert. In Italien haben berufstätige Eltern außerdem das Recht auf Elternzeit, auch bekannt als congedo parentale, damit sie sich um ihr Kind in den ersten Lebensjahren zu kümmern können. Die Elternzeit gilt für beide Elternteile und kann innerhalb der ersten zwölf Lebensjahre des Kindes beansprucht werden, wobei der Gesamtzeitraum für beide Elternteile zehn Monate nicht überschreiten darf. Er kann jedoch auf elf Monate erhöht werden, wenn der erwerbstätige Vater mindestens drei Monate lang von der Arbeit fernbleibt. Während der Elternzeit besteht außerdem die Möglichkeit, eine Vergütung in Höhe von 30% des Gehalts für höchstens neun Monate zu erhalten.
Nach Ablaufen der gesetzlich vorgesehenen Mutterschaft sind Frauen in den meisten Fällen gezwungen, wieder in den Arbeitsalltag zurückzukehren. Wie viele das wirklich sind, zeigt eine Erhebung der Beobachtungsstelle für den Arbeitsmarkt vom März 2020. Laut dem Bericht gibt es in der Privatwirtschaft jährlich circa 600 bis 700 freiwillige Kündigungen von Frauen, die sich noch in der Schwangerschaft befinden oder deren Kind das dritte Lebensjahr noch nicht erreicht hat. Zwischen 2015 und 2017 haben in Südtirol rund 1.500 Frauen aufgrund einer Mutterschaft ihren Job gekündigt, von denen aber rund 60% innerhalb von drei Jahren wieder in das Berufsleben eingestiegen sind. Davon heben sich 30% der Mütter ab, die auch 13 Jahre nach der Geburt ihres Kindes noch nicht vollständig in die Arbeitswelt zurückgekehrt sind. Neben der schwierigen Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann auch die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes als ein Grund für den längerfristigen Berufsausstieg von Müttern angesehen werden. Vor der Reform von 2015 betrug die maximale Bezugsdauer rund ein Jahr. Seit 2015 haben Mütter die Möglichkeit, bis zu zwei Jahre ab dem Ablaufen des Entlassungsverbots Arbeitslosengeld zu erhalten. Diese Entwicklung hat unter anderem zur Folge, dass es etwa 100 Kündigungen mehr als in den Jahren vor 2015 gibt, womit sich die Abwesenheitsdauer von Müttern am Arbeitsmarkt sichtlich verlängert hat. Zum Vergleich: Von 2005 bis 2014 sind etwa 36% der Frauen rund ein Jahr nach der Geburt des Kindes wieder in den Arbeitsmarkt eingetreten, im Zeitraum von 2015 bis 2019 waren es fast zehn Prozent weniger Frauen, die ihre Beschäftigung wieder aufgenommen haben. Diese Tatsache lässt vermuten, dass das staatlich vorgesehene Arbeitslosengeld den Hauptanreiz darstellt, weshalb Frauen sich dazu entscheiden, für einen längeren Zeitraum zu Hause bei der Familie zu bleiben. 

Teilzeitanstellungen und Branchenwechsel 

Einen eindeutigen Hauptgrund für die Kündigung vieler Mütter nach Ablauf des obligatorischen Mutterschaftsurlaubs gibt es nicht, da sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen über die Jahre ständig verändert haben und somit die Dynamik des Phänomens verzerren. Als die häufigsten Gründe gelten die schwierige Vereinbarung von Kindererziehung und Arbeit sowie ein möglicher Unternehmens- oder Branchenwechsel innerhalb des geschützten Zeitraums. Vor allem was den Branchenwechsel anbelangt, sind die Dynamiken erwähnenswert: Rund drei Jahre nach der freiwilligen Kündigung arbeitet etwas mehr als die Hälfte der Frauen zwar wieder im selben Sektor wie vor der Geburt des Kindes, jedoch selten im gleichen Unternehmen. Lediglich eine von sieben Frauen kehrt nach der Auszeit wieder zum vorherigen Arbeitgeber oder zur vorherigen Arbeitgeberin zurück. Während der Handel an Attraktivität verliert, gewinnen sowohl der öffentliche Sektor als auch das Gastgewerbe an Beliebtheit. Grunde dafür ist hauptsächlich der Wunsch nach einer Teilzeitanstellung, den rund 86% der Mütter hegen. 

Prekäre Arbeitsverhältnisse und geschlechtsspezifische Beschäftigungslücken 

Circa 41% der Frauen sind in Form eines befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt und befinden sich daher in einer Form von Prekariat. Dieses ist durch Unsicherheit, mangelnde soziale Absicherung und begrenzte Arbeitnehmerrechte gekennzeichnet. Grund für die Wahl eines prekären Arbeitsverhältnisses sind, unter anderem, die Sektoren, in denen vorwiegend Mütter arbeiten. Befristete Verträge sind beispielsweise im Öffentlichen Sektor sowie im Gastgewerbe häufiger anzutreffen. Auch hinsichtlich des Bildungsgrades von Müttern, die wieder in den Beruf einsteigen, gibt es deutliche Unterschiede. Während höher qualifizierte Mitarbeiterinnen aufgrund des sich zuspitzenden Fachkräftemangels eher die Möglichkeit erhalten, flexible Vereinbarungen bezüglich der Arbeitszeit und -weise zu treffen, wird diese Chance jenen mit niedrigerem Qualifikationsgrad seltener geboten. Diese Umstände können die geschlechtsspezifische Beschäftigungs- und Entlohnungsdiskrepanz potenziell weiter verschärfen. 

Vielzahl an Lösungen

Die Lösungsansätze sind auch im Bereich des Wiedereinstiegs nach der Mutterschaft vielfältig. Zum einen bedarf es der Förderung einer familienfreundlichen Unternehmenskultur in Form von flexiblen Arbeitszeitmodellen, Telearbeit sowie betrieblicher Kinderbetreuung, um arbeitende Mütter zu entlasten und gleichzeitig ihre familiären Bedürfnisse nicht außer Acht zu lassen. Ein zentraler, aber häufig unterschätzter Faktor sind kulturell geformte Stereotypen und Rollenbilder von arbeitenden Müttern. Hierbei sind Sensibilisierungsmaßnahmen sowie Bemühungen zum Abbau bestehender Vorurteile wichtig, beispielsweise in Form von Tagungen oder innerbetrieblichen Workshops. Dazu zählt auch die Stärkung von Netzwerken und Mentoring-Programmen für arbeitende Mütter, um ihnen in kritischen Situationen sowohl Rat auch als Unterstützung bieten zu können. Nicht zuletzt ist auch die aktive Beteiligung von Arbeitgebenden gefragt, damit vorteilhafte Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie erst geschaffen werden können. 


Ein Artikel der freien AFI-Mitarbeiterin Karin Inama