Politik | Interview

“Für mich war’s das”

Roland Tinkhauser wird bei den Landtagswahlen nicht kandidieren. “Für keine Liste”, sagt der (Noch-)Freiheitliche, der sich zu den Attacken aus seiner Partei äußert.

salto.bz: Herr Tinkhauser, wie schlafen Sie dieser Tage?

Roland Tinkhauser: Ich muss sagen, ich schlafe richtig gut. Denn ich habe im Grunde ein ruhiges und reines Gewissen. Ich habe nichts verbrochen.

Sie haben keine parteiinterne Dokumente an die Medien weitergegeben, wie man es nach der Pressekonferenz der Freiheitlichen am Freitag hätte vermuten können?

Nein. Alles was ich getan habe, war vor einiger Zeit gemeinsam mit zwei Fraktionskollegen aus dem Landtag eine Frage zu stellen.

Nämlich?

Wir haben nach dem Verwendungszweck von 290.000 Euro gefragt.

Die 290.000 Euro, die zwischen 2008 und 2016 von der Partei auf das Privatkonto von Pius Leitner geflossen sind?

Für uns gab es noch einige offene Fragen. Ich hätte überhaupt nicht gedacht, in solch ein Wespennest hineinzustechen.

Was haben Sie sich dann gedacht?

Eigentlich gar nichts. Nur, dass es das Normalste der Welt ist – vor allem unter Kollegen –, eine Abrechnung zu sehen, jetzt, da sämtliche Rückzahlungen getilgt wurden. Ich möchte betonen, dass ich niemals behauptet habe, dass irgendjemand irgendwas eingesteckt oder gestohlen hätte. Niemals. Trotzdem, wenn man miteinander die Altlasten der Partei abträgt, wäre es fein gewesen, eine Aufstellung zu bekommen.

Ich räume jetzt auf: Der Tinkhauser wird nicht mehr kandidieren.

Am Freitag hat es unter anderem geheißen, dass Sie als ehemaliges Vorstandsmitglied der Partei über die Beschlüsse zu den Zahlungen bestens informiert sein müssten, da Sie diese mit entschieden und mitgetragen hätten.

Dazu darf ich sagen, dass ich ganz am Anfang sicherlich dabei war. Man hat mir damals auch eine Erklärung geliefert.

Waren Sie damit nicht zufrieden?

Auf diese Erklärung hin haben sich mir im Laufe der Zeit eben gewisse Fragen gestellt. Und ich glaube, es ist kein Verbrechen, wenn man sich nach drei, nach fünf oder auch nach zehn Jahren einmal eine Abrechnung zeigen lässt – auch wenn man zunächst bei einem Beschluss mitgestimmt hat. Das dürfte ganz normal sein. Unabhängig davon haben noch zwei weitere Abgeordnete nach einer Abrechnung gefragt. Und denen kann man nun wirklich nicht vorwerfen, dass sie schon vor zehn Jahren für einen solchen Beschluss gestimmt hätten. Auch sie hätten aus meiner Sicht das Recht gehabt, einmal eine Aufstellung zu bekommen.

Welche Reaktion gab es auf die Nachfragen hin?

Wir haben mal im Vorstand, mal in der Fraktion selbst nachgefragt. Es ging dann immer hin und her. Offen gesagt bin ich heute immer noch nicht schlauer. Und ich nehme zur Kenntnis, dass ich auch nicht mehr schlauer werden werde. In der Zwischenzeit hat man mich ja von der Liste für die Landtagswahlen entfernt. Da weiß man, dass man nicht mehr gewählt werden kann.

Ich habe das anfängliche Bild von der Politik, das ich bei meinem Einzug in den Landtag hatte, komplett überarbeitet,

In den vergangenen Wochen wurden die unterschiedlichsten Begründungen dafür geliefert, dass Sie vom Parteivorstand nicht mehr auf die Liste der Freiheitlichen gesetzt wurden: fehlende Motivation, Untätigkeit und Unentschlossenheit Ihrerseits, dann wegen Pius Leitner, zuletzt war von Vertrauensverlust die Rede. Das hört sich danach an als hätten Sie es darauf ankommen lassen, gestrichen zu werden.

Naja, ich muss ein bisschen lachen wenn ich diese Argumente höre. Ich habe mir einige Unterlagen herausgesucht, darunter die Anwesenheitslisten im Landtag. Allein das Präsidium hält eine Vielzahl an Sitzungen ab – und wenn ich dort in fünf Jahren einmal gefehlt habe, war das alles. Wobei ich sagen muss, dass es nicht unbedingt den Parteikollegen obliegt, zu beurteilen, ob jemand in der Politik richtig oder falsch gehandelt hat. Sondern im Grund trifft so ein Urteil die Wählerschaft.

Sie hätten gerne wieder für die Freiheitlichen kandidiert?

Ich hätte kandidiert. Richtig ist aber auch, dass ich bis zum Schluss gesagt habe, ich möchte mir die Liste anschauen.

Haben Sie wegen einer möglichen Wiederkandidatur von Pius Leitner gezögert?

In mir regte sich ein tiefes Unbehagen, weil ich keine Auskunft zu meinen Fragen bekommen habe.

Sie scheinen in der Freiheitlichen Partei nicht der einzige mit einem Unbehagen zu sein. Arno Mall hat seine Kandidatur zurückgezogen. Er ist nicht der einzige. Und in Brixen ist Werner Blaas, der Sohn Ihres Landtagskollegen und ehemaligen Parteiobmannes Walter Blaas, gar aus der Partei ausgetreten.

Beim ein oder anderen Kandidaten sind vermutlich andere Probleme vordergründig. Wie etwa die Rentengeschichte. Für mich war die nicht das große Problem, denn die Geschichte trifft im Grunde alle Parteien. Für mich war eben diese andere Sache wichtig: Bei einer Partei, die im Jahr Tausende Landtagsanfragen an die Landesregierung stellt, darf auch intern eine Frage erlaubt sein. Das ist, was mich umtreibt.

Es geht um eine – legitime – Frage unter Kollegen.

Der Freiheitliche Generalsekretär Florian von Ach meinte am Freitag, dass Sie bei den Vorstandssitzungen praktisch kaum anwesend gewesen seien und wenn, dann hätten Sie nur das Thema der Abrechnungen zur Sprache gebracht. Stimmt das?

(lacht) Dass ich nie anwesend war, kann ich nicht behaupten. In den zehn Jahren, in denen ich Obmann-Stellvertreter in dieser Partei war, habe ich soweit ich mich erinnere bei keiner einzigen Sitzung gefehlt.

Und ging es Ihnen dabei immer nur um die eine Frage der Geldflüsse bzw. wofür sie getätigt wurden?

Nein, überhaupt nicht. Man hat wichtige inhaltliche Dinge diskutiert. Und eines muss ich noch dazu sagen: Ich bin eigentlich ein freiheitsliebender Mensch. Letzthin haben mir die Kollegen berichtet, dass man bei den Sitzungen sogar das Handy hat abgegeben müssen. Das zeigt ein bisschen den Stil – der nicht der meine ist. Es wurde auch viel gestritten in der Vergangenheit. Aber darauf möchte ich nicht näher eingehen. Jedenfalls ist das kein Umfeld, in dem ich arbeiten möchte.

Die Berichte über die Geldflüsse zwischen Partei und Pius Leitner – ein “Kriminalroman im Sommerloch”, ein “inszenierter Skandal”, hieß es am Freitag. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass eine Verschwörung gewisser Medien mit gewissen “Kräften außerhalb der Partei” im Gange sei, mit der Absicht, den Freiheitlichen einen Schaden zuzufügen. Sind Sie eine der Hauptrollen in diesem Kriminalroman?

(lacht) Als ich von dunklen Kräften und so weiter gehört habe, habe ich mir die Frage gestellt, wie spät die des nachts wohl kommen. An den dunklen Kräften ist gar nichts dran. Wie gesagt, es geht um eine – legitime – Frage unter Kollegen. Hier werden jetzt Sachen inszeniert – im Italienischen spricht man von “dietrologie”.

Damit ist die Tendenz gemeint, vor allem in der Politik, hinter allem verborgene Beweggründe sehen zu wollen.

Genau. Was steckt da dahinter? Wer hat alles die Finger im Spiel? Und so weiter... Aus meiner Sicht ist das alles absoluter Quatsch. Und weil man jetzt breit tretet, dass der Tinkhauser nun hier und dort für den Landtag kandidieren will und so weiter, räume ich jetzt auf: Der Tinkhauser wird nicht mehr kandidieren.

Auf keiner Liste?

Nein. Und damit hat sich die Sache. Ich habe das für mich entschieden.

Die zwei Sitzungswochen, die noch anstehen, werden wir über die Bühne bringen. Und das war’s.

Warum?

Ich sage Ihnen, wieso: Vorige Woche habe ich mit meinen ehemaligen Kollegen noch einmal eine Bezirkssitzung im Pustertal gehabt. Dabei habe ich gesehen, wie Funktionäre, Gemeinderäte und Parteimitglieder zu mir halten. Sie verstehen die Vorgänge hinter meiner Nicht-Kandidatur nicht. Das hat mir vor Augen geführt, dass eigentlich ich in der Vergangenheit diesen Bezirk aufgebaut habe, dass ich für die Freiheitlichen im Pustertal das Gesicht war und vielleicht noch bin. Ich wollte einen liberalen Dreh hineinbringen, Wirtschaftsthemen. Dann ist es eben so gegangen, wie es gegangen ist. Aber für den Tinkhauser war das die Partei. Und es würde ihm nicht gut anstehen, wenn er jetzt hergehen und einfach auf einer anderen Liste kandidieren würde. Das ist der wahre Grund. So viel Größe muss man haben, dass man dann sagt, das war’s.

Was werden Sie ab Oktober tun?

Ich habe einen schönen Betrieb, der gut läuft, mir am Herzen liegt und viel Freude macht. Deshalb weiß ich schon, was tun. Dazu muss ich noch etwas sagen: Bei dieser Pressekonferenz am Freitag wurde mir nachgesagt, wenn ich meinen Betrieb so führen würde wie ich es in der Partei gemacht habe, dann würde dieser Betrieb in Konkurs gehen. Diese Aussage ist für mich schwerstens geschäftsschädigend. Dagegen muss ich mich natürlich wehren, denn wir wollen unseren Betrieb erweitern, und müssen dazu mit Banken reden, Finanzierungen abschließen. Da ist eine solche Aussage ganz schlecht.

Gehen Sie verbittert?

Ich sage es so: Ich hatte zehn schöne Jahre in der Politik, habe gesehen, wie die Sachen funktionieren. Auch wenn ich das anfängliche Bild von der Politik, das ich bei meinem Einzug in den Landtag hatte, komplett überarbeitet habe, gehe ich eigentlich nicht einmal verbittert. Andererseits war es schön zu sehen, wie die Leute im Pustertal zu mir gehalten haben und doch gern gehabt hätten, dass ich kandidiere. Und wer weiß, vielleicht kehre ich eines Tages wieder in die Politik zurück.

Ich habe ein ruhiges und reines Gewissen. Ich habe nichts verbrochen.

Bis zu Ihrem Abschied stehen noch zwei Landtagswochen an: die laufende im Juli und eine im September. Wie ist die Stimmung in der Landtagsfraktion? Kann man noch miteinander?

Mit Tamara Oberhofer, Walter Blaas und Hannes Zingerle pflege ich einen ganz normalen Kontakt und Umgang. Ansonsten verständlicherweise keinen mehr.

Zwischen Ihnen, Fraktionssprecherin Ulli Mair und Sigmar Stocker herrscht Eiszeit?

Das geht auch von meiner Seite aus, das gebe ich ganz offen zu. Ich suche den Kontakt auch nicht mehr. Die zwei Sitzungswochen, die noch anstehen, werden wir über die Bühne bringen. Und das war’s.

Werden Sie aus der Freiheitlichen Partei austreten? Immerhin sprechen Sie bereits von “ehemaligen Kollegen”.

Das sind sie für mich. Meine Mitgliedschaft in der Partei läuft bis Ende des Jahres. Die werde ich logischerweise nicht mehr erneuern. Und fertig.