Politik | Südtiroler Freiheit

Freiheit, die entzweit

Die FPÖ-Spitze tritt auf der Landesversammlung der Südtiroler Freiheit auf. Die Südtiroler Freiheitlichen sind erst gar nicht eingeladen. Szenen eines Konkurrenzkampfes.
Kofler, Gudrun
Foto: Südtiroler Freiheit
Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“, sagte der Denker Immanuel Kant vor über 250 Jahren.
Der Glaubenssatz der Aufklärung hat in der volkstumspolitischen Szene in Südtirol kaum Platz. Denn hier konkurriert man um die Freiheit.
Zwischen den Südtiroler Freiheitlichen und der Südtiroler Freiheit lodert seit vielen Jahren ein politischer Konkurrenzkampf, der an diesem Wochenende seinen bisherigen Höhepunkt erreicht haben dürfte.
Am Samstag traf sich die Südtiroler Freiheit im Bozner Schloss Maretsch zu ihrer 15. Landesversammlung. Unter dem Motto „Tirol verbinden“ marschierten neben den Südtiroler Patrioten und Patriotinnen auch eine Reihe ausländischer Ehrengäste auf. Etwa Georg Weiß, Schriftführer der Bayernpartei, Steven Vergauwen von der Flämischen Volksbewegung und Zsolt Szilágyi von der Ungarischen Volkspartei Siebenbürgens.
Jene Partei, die an diesem Tag im vollbesetzten Schlosshof neben den Gastgebern aber am deutlichsten Präsenz zeigt, ist die FPÖ. Der langjähriger Südtirolsprecher der FPÖ, Werner Neubauer, spricht zu Beginn die Grußworte, und die Hauptredner der Versammlung sind Nationalrat Peter Wurm, Südtirolsprecher der FPÖ, und die Nordtiroler FPÖ-Landtagsabgeordnete Gudrun Kofler.
Das blaue Hochamt im Schlossrund hat dabei einen Schönheitsfehler: Die Südtiroler Freiheitlichen sind an diesem Tag erst gar nicht präsent. Nach Informationen von Salto.bz wurden sie auch nicht eingeladen.
 

Foppa beim Team K

 
Dabei sind die Südtiroler Freiheitlichen der offizielle Ableger der FPÖ in Südtirol. Das geht nicht nur aus der persönlichen Freundschaft der Parteigründer um Christian Waldner zu Jörg Haider hervor, sondern zwingend auch aus der fast 30-jährigen Parteigeschichte.
Auf dem Papier sind die Südtiroler Freiheitlichen und die FPÖ auch heute noch eng verbunden. So sitzen der Nordtiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger und der FPÖ-Südtirolsprecher Peter Wurm formal weiterhin im Vorstand der Südtiroler Freiheitlichen. Und seinerseits ist der Südtiroler Parteiobmann Andreas Leiter-Reber nicht nur Mitglied im Nordtiroler FPÖ-Vorstand, sondern er hat auch einen Sitz im Vorstand der Bundes-FPÖ.
 
 
 
Ursprünglich sollte der Tiroler FPÖ-Obmann Markus Abwerzger am Samstag auf Maretsch die Hauptrede halten. So jedenfalls steht es auf der offiziellen Einladung.
Es ist eine völlig absurde Situation.
Denn die Südtiroler Freiheitlichen und die Südtiroler Freiheit (SF) sind - trotz gewisser inhaltlicher  Schnittpunkte - politische Konkurrenten. Die Stimmung zwischen den Südtiroler Blauen und der SF liegt irgendwo zwischen kühler Distanz und offener Feindschaft.
Es ist deshalb ein klarer Affront, dass die FPÖ-Granden als Hauptredner ausgerechnet auf der SF-Landesversammlung auftreten.
Die Stimmung zwischen den Südtiroler Blauen und der SF liegt irgendwo zwischen kühler Distanz und offener Feindschaft.
Der Auftritt kann mit einem Vergleich wohl am besten beschrieben werden: Hans Heiss und Brigitte Foppa halten auf der Landesversammlung des Team K den Festvortrag und tun so, als wäre nichts geschehen.
So etwas dürfte selbst im Südtiroler Provokantenstadel einmalig sein.
 

Die Abkühlung

 
Diese Episode macht augenscheinlich, wie sich die Beziehung der FPÖ zur volkstumspolitischen Szene in Südtirol entwickelt und verändert hat. Jahrzehntelang waren die Südtiroler Freiheitlichen der privilegierte Ansprechpartner der Haider-Partei. Das änderte sich auch nach Haiders Tod nicht. Nachdem sie aus den Landtagswahlen 2013 mit sechs Abgeordneten als zweitstärkste politische Kraft hervorgegangen war, erinnerte sich Heinz Christian Strache gerne der Bruderpartei im zehnten Bundesland.
 
 
 
 
Dann aber schwächte die Liebe deutlich ab. Die Skandale und die Ibiza-Affäre ließen die Beziehungen zwischen Bozen und Wien auskühlen. Schon vor der Obmannschaft von Andreas Leiter Reber wurden die Besuche beim FPÖ-Bundesvorstand rar. Noch eisiger ist die Beziehung zu den Nordtiroler Blauen.
Dabei geht es nicht nur um persönliche Animositäten, sondern auch um politische Grundsätze. Bereits 2008 entschieden die Südtiroler Freiheitlichen auf einer Klausurtagung, einen eigenen politischen Weg einzuschlagen. Weg von der Selbstbestimmung und vom Tiroler Freistaat, hin zu einer politischen Lösung, die auch die Südtiroler Italiener mit einbezieht.
Vor allem die rechtspopulistischen und Burschenschafterkreise in der FPÖ sehen diese politische Entscheidung bis heute als eine Art Verrat an ihren Idealen.
 
 

Der Umschwung

 
Seit langem fährt ein Teil der FPÖ politisch zweigleisig. Rund um die Laurin-Stiftung gibt es seit vielen Jahrzehnten enge Kontakte zu Eva Klotz & Co. Nach dem Rückzug der Grande Dame der Südtiroler Freiheit aus der aktiven Politik hat es Sven Knoll verstanden, diese Kontakte nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern sogar noch auszubauen.
So hat Sven Knoll das grenzüberschreitende Projekt „Reschenbahn“ oder auch die politische Offensive zum Doppelpass für Südtiroler generalstabsmäßig mit der FPÖ geplant und auch umgesetzt.
 
 
 
Gleichzeitig setzt die Südtiroler Freiheit bewusst auf die Jugend.  Denn mehrere junge Nachkommen aus der großen Klotzfamilie haben ihre politische Heimat und Arbeit in verschiedenen FPÖ-Landesgruppen in Österreich gefunden. Die Nordtiroler Neo-Landtagsabgeordnete Gudrun Kofler, Nichte von Eva Klotz, ist derzeit das leuchtende Beispiel  für diese Verbundenheit. Kofler war im Nordtiroler Wahlkampf offen als ehemalige Gemeinderätin und als Kandidatin der Südtiroler Freiheit aufgetreten. Die SF hat die Kandidatur auch politisch ausgeschlachtet, während die Südtiroler Freiheitlichen gute Miene zum bösen Spiel machen durften.
Der Mann, der maßgeblich an dieser Verlagerung der rechtspolitischen Gewichtung beteiligt war und ist, sitzt am Samstag auch im Maretscher Schlosshof. Werner Neubauer, Linzer FPÖ-Urgestein und 13 Jahre lang auch Südtirolsprecher der FPÖ, kennt die volkstumspolitische Szene in Südtirol wie nur wenige österreichische Politiker. Neubauer ist es auch, der den politischen Schwerpunkt der FPÖ von den Südtiroler Freiheitlichen weg und hin zur Südtiroler Freiheit verlagert hat.
Andreas Leiter Reber, Ulli Mair & Co werden mit ihrer Mutterpartei ein Machtwort sprechen müssen. 
Die Landesversammlung am Samstag und der massive Auftritt der FPÖ haben diese politische Konstellation ungeniert ans Tageslicht gebracht. Und das 13 Monate vor den Landtagswahlen.
Andreas Leiter Reber, Ulli Mair & Co werden mit ihrer Mutterpartei ein Machtwort sprechen müssen.
Wenn es dafür nicht zu spät ist.

 

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Dietmar Nußbaumer Do., 27.10.2022 - 19:44

Es ist wahrscheinlich nicht schlecht, wenn sich die Blauen von der FPÖ distanzieren (da sich ja einige als "faschistophil" entpuppt haben). Allerdings, braucht Südtirol wirklich eine zweite Partei der Wirtschaft?

Do., 27.10.2022 - 19:44 Permalink