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Die BBT-Ermittlung

Die Bozner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den früheren BBT-Vorstand Konrad Bergmeister. Vergangenen Woche fanden ein halbes Dutzend Hausdurchsuchungen statt.
Die Beamten der Finanzwache schlugen gleichzeitig in mehreren italienischen Städten und auch in Südtirol zu. Am Dienstag vergangener Woche erschienen die Ermittler bei Lamberto Cardia, Maurizio Gentile und Paola Firmi in Rom, bei Raffaele De Col in Trient, bei Massimo Girelli in Reggio Emilia und bei Marco Zandomeneghi in Verona. Zum selben Zeitpunkt standen die Finanzer aber auch in Bozen beim langjährigen Vizegeneralsekretär des Landes, Hermann Berger und in St. Lorenzen beim dortigen Bürgermeister Martin Ausserdorfer vor der Tür. Ausgerüstet mit einem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl der Staatsanwaltschaft Bozen.
Das Ziel der Aktion waren die amtierenden und ehemaligen italienischen Mitglieder des Aussichtsrates der BBT SE, der europäischen Gesellschaft, die für den Bau des Brennerbasistunnels verantwortlich ist. Gegen keinen der Genannten wird dabei ermittelt, sondern sie gelten allesamt als „persona informata sui fatti“. Sozusagen als Personen mit Kenntnissen über den Sachverhalt.
Auch dem Bozner Sitz der BBT SE statteten die Finanzer gleichzeitig einen Besuch ab. Die Ermittler suchten und nahmen dabei die Dokumentation zur Auftragsvergabe rund um den BBT mit. Dabei wusste man genau, nach was man suchte.
 
 
Denn die von den Beamten diskret ausgeführte Polizeiaktion ist Teil einer seit zwei Jahren laufenden Ermittlung gegen den langjährigen BBT-Vorstand Konrad Bergmeister. Koordiniert vom stellvertretenden Bozner Staatsanwalt Igor Secco ermittelt man gegen Bergmeister wegen Betruges zum Schaden der EU und des italienischen Staates. Bei dem Aufsichtsräten wurden Dokumente und Datenträger sichergestellt.
Es ist der vorläufige Höhepunkt einer internen Schlammschlacht um das Jahrhundertbauwerk.
 

Die Abberufung

 
Am 28. Juni 2019 tagt der 12-köpfige Aufsichtsrat der „BBT SE“ in Wien. Als Gast wohnt der Sitzung auch Pat Cox bei, der ehemalige EU-Parlamentspräsident und EU-Koordinator für den Brennerbasistunnel. Auf der Sitzung wird überraschend ein transnationaler Kahlschlag an der Gesellschaftsspitze beschlossen. Der Aufsichtsrat entscheidet, die beiden Vorstände des BBT SE, Raffaele Zurlo und Konrad Bergmeister, abzuberufen. 
Es ist die Klimax eines seit Jahren schwelenden Konfliktes zwischen dem italienischen Vorstand Raffele Zurlo und seinem österreichischen Pendant Konrad Bergmeister. Zurlo ist ein hoch angesehener Manager der italienischen Eisenbahnen und bekannt dafür, dass er ohne Rücksicht auf Verluste seine Linie durchzieht. So kritisiert und missbilligt der italienische Vorstandschef im Laufe der Zeit immer offener die Arbeit des österreichischen Vorstandskollegen Konrad Bergmeister.
 
 
 
Im Gründungsstatut der BBT SE (Dezember 2004) wird eine Art duales System festgeschrieben. Das heißt, dass alle Beschlüsse, Verträge und Vergaben von beiden Vorständen unterzeichnet werden müssen. Was auf dem Papier wunderbar klingt, führt zwischen Bergmeister und Zurlo schon bald zu unüberwindbaren Konflikten.
Raffaele Zurlo beruft sich mehrmals auf die italienische Gesetzeslage und blockiert damit auch einige Vorhaben jenseits des Brenners.
 

Angebliches Nahverhältnis

 
Im Frühjahr 2019 tauchen in der nationalen, italienischen Presse Artikel auf, die einen möglichen Interessenskonflikt von Konrad Bergmeister thematisieren. Die M5S-Bewegung macht in Trentiner Landtag mehrere Anfragen dazu.
Es geht um ein angebliches Nahverhältnis Bergmeisters zu einem Bauunternehmen.
Die „E.MA.PRI.CE. Spa“ ist ein 40 Jahre altes Familienunternehmen aus Treviso, das in ganz Norditalien tätig ist. Vor einigen Jahren verlegte die Emaprice ihren Rechtssitz nach Südtirol und stieg auch hier sehr schnell zum Big Player auf. Weil Emaprice dabei auch bei den öffentlichen Aufträgen ordentlich mitmischt, führt das in der Branche schon bald zu Gerüchten und Vermutungen.
So hat das Bauunternehmen auch einen Sitz in Innsbruck und ist dabei auch beim Bau des Brennerbasistunnels tätig. 2012 gewann die Emaprice eine Ausschreibung für den Bau eines Portalbereiches für den Entwässerungsstollen Padastertal bei Steinach am Brenner. Die Arbeiten dazu wurden im Mai 2013 beendet. Ebenso baut das Unternehmen beim Erkundungsstollen „Wolf 2“ mit. Hier ist nicht die BBT SE der Auftraggeber, sondern das österreichische Bauunternehmen „Swieteisky Tunnelbau“, das einen Unterauftrag an die Emaprice vergeben hat. 
Ebenso hat die Emaprice einen Unterauftrag für die Südtiroler Firma Erdbau an der Nordtiroler BBT-Baustelle zur Deponiesicherung übernommen. 2018 gewinnt die Emaprice zudem eine 7,5-Millionen Ausschreibung der BBT SE zur Errichtungen einer „Neuen Zufahrtsstraße Riol“ in Franzensfeste.
 
 
Um diese Auftragsvergaben geht es jetzt in den Ermittlungen gegen Konrad Bergmeister.
Denn Konrad Bergmeister ist Gründer, Kopf und Besitzer eines gutgehenden privaten Ingenieurbüros. Im Laufe der Jahre hat er immer mehr Anteile an seine Mitgesellschafter abgegeben. 2019 hält der BBT-Vorstand auf dem Papier noch 19 Prozent.
Das Ingenieursbüro Bergmeister hat vor Jahren zusammen mit dem Unternehmen Emaprice eine öffentliche Ausschreibung für eine neue Umfahrungsstraße in Trient gewonnen. Weil dasselbe Unternehmen jetzt auch beim Brennerbasistunnel sowohl in Österreich als auch in Italien zum Zug kommt, werden Interessenkonflikte und Klientelismus gemutmaßt. 
Bei den Staatsanwaltschaften Trient und Bozen landen 2019 detaillierte Eingaben dazu. Die Staatsanwaltschaft Bozen nimmt Vorermittlungen auf.
 

Die Kostensteigerung

 
Ein zweiter Hauptpunkt in den Ermittlungen gegen Konrad Bergmeister ist eine angebliche Kostenexplosion im Baulos Tulfes-Pfons. Es ist der Tunnel, der von Hall rund um die Stadt Innsbruck führt. Weil das Gestein dort besondere brüchig ist, ist gerade dieses Baulos bautechnisch eine besondere Herausforderung. Was auch dazu führt, dass es Umplanungen gab und Mehrkosten.
Raffaele Zurlo wird im Mai 2019 in der Bozner Staatsanwaltschaft angehört. Der italienische Vorstand sagt dabei, das was er schon innerhalb der BBT SE immer wieder vorgebracht und angedeutet hat. Es ist eine Anklageschrift gegen Konrad Bergmeister.
 
 
Das wird deutlich als Raffaele Zurlo Mitte August 2019 zu einer Pressekonferenz lädt und schwere Geschütze gegen Konrad Bergmeister auffährt. „Bergmeister hat Bauaufträge ohne Genehmigungen durchgeführt, Rechnungen ohne Genehmigungen bezahlt und Beauftragungen erteilt, ohne die Regeln der BBT SE zu beachten. Und da musste ich mich schützen“, erklärt Zurlo. Der italienische BBT-Vorstand spricht von Kostensteigerungen in zwei Nordtiroler Baulosen von +205% und + 167%. Insgesamt gut 210 Millionen Euro.
Am Ende des Auftritts sagt Raffaele Zurlo einen Satz, der schon damals wie ein Urteil klingt: „Ich wünsche mir nur, dass die Staatsanwälte den Schuldigen für diese Kostenexplosion und Verschwendung öffentlicher Gelder bestrafen.
 

Komplexe Ermittlung

 
Genau das versucht Staatsanwalt Igor Secco mit seiner Ermittlung. Konrad Bergmeister wurde ins Ermittlungsregister eingetragen. Nach Informationen von Salto.bz haben die Vorermittlungen, den Anfangsverdacht bestätigt. „Es ist eine sehr komplexe Ermittlung“, meint einer der Beteiligten.
Auch weil Konrad Bergmeister noch einige Trümpfe in der Hand haben dürfte. So wurden die Bauvergaben in Nordtirol mehrmals vom Rechnungshof geprüft. Der Großteil dieser Aufträge wurde von Vergabekommissionen vergeben, denen Bergmeister nicht angehörte. Zudem gibt es einen unabhängigen Prüfbericht der in Sachen Kostensteigerungen, zu völlig anderen Schlussfolgerungen kommt.
Konrad Bergmeister ist als ehemaliger Präsident der Universität Bozen, der Stiftung Sparkasse und auch als Professor an der Wiener Boku auch politisch bestens vernetzt. Der ehemalige BBT-Vorstand wird sich demnach zu verteidigen wissen.
In den nächsten Wochen werden die Aufsichtsräte des BBT in der Staatsanwaltschaft Bozen angehört werden.
Dann könnte langsam Licht in den BBT-Tunnel kommen.