Kultur | Video del venerdì

“Hold on!”

Neues Lebenszeichen der Brunecker Alternative Rock-Band Zeugshmitz: ein Song über den ewigen Konflikt zwischen Drang nach Freiheit und Zwang zur Selbstkontrolle.
Zeugshmitz
Foto: Zeugshmitz

Im fernen Jahre 1992 gegründet, seit 1994 in der jetzigen Besetzung unterwegs, mit „It's war (hold on)“ einen neuen Song im Gepäck, der ein Vorbote zum im Sommer erscheinenden Album „Isolation“ ist – hier sind Zeugshmitz! Gerd Stoll (Gesang/Gitarre), Klaus Balzarek (Gesang/Gitarre/Synthesizer), Matthias Pallua (Schlagzeug) und Egon Niederkofler (Bass). Das Lied passt ganz gut in die momentane Zeit, es handelt schließlich vom Durchhalten, auch wenn es schon 2019 geschrieben wurde. Gemastert wurde der Song vom Sarntaler Independent Music Label Digital Mountains Music.

 

Wir haben uns mit dem Sänger und Gitarristen Gerd Stoll und dem Bassisten Egon „Niggile“ Niederkofler über ihren neuen Song und das kommende Album, über ihre Bandgeschichte und den Bandnamen, über „Schrabbelrock“ und Alben im Jahrzehnte-Takt unterhalten.

 

salto.bz: Euer neuer Song heißt „It's war (hold on)“ - es geht um den Kampf mit sich selbst, um das Durchhalten...

Egon „Niggile“ Niederkofler: Der Song wurde eigentlich gar nicht für die derzeitige Situation der Corona Pandemie geschrieben, sondern ist schon über ein halbes Jahr alt. Aber passt irgendwie gut rein… in die jetzige Situation.

Gerd Stoll: Im Song geht es generell um den Zwiespalt, um das „Hin- und Hergerissen sein“ in uns, mit den verschiedenen Ansichten, Kopf vs. Bauchgefühl usw. Aber passt auch jetzt gut rein in die derzeitige Situation, im Sinn von Zwiespalt zwischen einerseits den Drang nach Freiheit und andererseits die Bewahrung der Selbstdisziplin sich an die Vorschriften zu halten. Dies ist für unsere Generation neu, die noch keine so drastische Einschränkung durch Krieg oder ähnliches hatten.

Egon: Wichtig ist uns aber die positive Botschaft, dass man, wenn wir durchhalten, uns Zeit nehmen und Abstand gewinnen, die Probleme auch langfristig lösen kann. In diesem Sinn passt es ja auch ganz gut in die jetzige Situation.

 

Im Song geht es generell um den Zwiespalt, um das „Hin- und Hergerissen sein“ in uns, mit den verschiedenen Ansichten, Kopf vs. Bauchgefühl usw. Aber passt auch jetzt gut rein in die derzeitige Situation, im Sinn von Zwiespalt zwischen einerseits den Drang nach Freiheit und andererseits die Bewahrung der Selbstdisziplin sich an die Vorschriften zu halten. Dies ist für unsere Generation neu, die noch keine so drastische Einschränkung durch Krieg oder ähnliches hatten. (Gerd Stoll)

 

Zeugshmitz It's War (Hold on)

 

Wie ist das Musikvideo dazu entstanden in der jetzigen Situation?

Egon: Wir wollten eigentlich ein klassisches Video machen, in dem wir alle gleichzeitig spielen, das ging aber aufgrund der derzeitigen Situation nicht. So haben wir einen unserer Musikerkollegen aus Bruneck, David Neuhauser, gebeten, uns ein Video zu machen. Mit Aufnahmen aus seinem Archiv und Sequenzen, in denen jeder einzelne von uns mit den erstbesten Utensilien, die er zuhause fand, zu sehen ist.

Gerd: Ich habe dann zufällig im Keller diese Maske gefunden, die mir witzig und passend vorkam, da wir derzeit alles - Mund und Nase, außer die Augen - zudecken sollen. Dann dachte ich mir, dass ich im Video mal zu Abwechslung die Augen bedecke - ist ja auch oft hilfreich, nicht alles mitansehen zu müssen. (lacht)

 

Machen wir mal ein paar Schritte zurück in die Jahre eurer Bandgründung...

Egon: Die Band gibt es in dieser Formation seit 1994 und wir haben eigentlich immer selbstkomponierte Musik gemacht, die 90iger Jahre waren eine sehr spannende Zeit, mit vielen Auftritten auf Open Airs und einer kleinen Live Tournee in Österreich (Innsbruck, Graz und Wien), da war jede Woche irgend ein großes Open Air auf denen vor allem Bands mit eigenen Songs auftraten. In diesem Sommer bringen wir unser viertes Album „Isolation“ heraus. Wie gesagt, die Songs sind alle vor Corona entstanden, aber der Titel „Isolation“ ist ganz klar von der jetzigen Situation inspiriert.

 

Stichwort Musikstil: Indie Rock? Alternative Rock? Garage Rock? Was trifft’s am besten? Oder habt ihr noch einen anderen Begriff auf Lager?

Gerd: Das ist immer sehr schwierig; unsere Wurzeln liegen sicher im Alternative Rock und Grunge der 90iger Jahre, mit klassischem Aufbau: Strophe- Strophe- Refrain- Solo- Refrain und in letzter Zeit sicher etwas elektronischer mit Synthesizer und vielleicht auch etwas poppiger als früher, aber immer noch sehr gitarrenintensiv - denke Indie Rock oder Garage Rock passt am ehesten… Ein Kollege nannte unsere Musik mal „Schrabbelrock“, da wir unsere Songs mit vier Pfadfinder Akkorden „runterschrabbeln“…

 

Ein Kollege nannte unsere Musik mal „Schrabbelrock“, da wir unsere Songs mit vier Pfadfinder Akkorden „runterschrabbeln“… (Gerd)

 

Gebt uns mal drei Wörter, die bezeichnend sind für die Band Zeugshmitz?

Egon: „Gemeinsam“ - durch lange Freundschaft. „Unverbindlich“ - da es wir es locker nehmen und es uns um den Spaß geht und…

Gerd: ...Halt, halt Niggile... das sollte besser „unpünktlich“ heißen und du weißt auch wieso! (lacht)

 

Die Frage sei erlaubt ;-) Wie seid ihr auf euren Bandnamen Zeugshmitz gekommen bzw. was bedeutet er?

Gerd: Eigentlich zufällig, wir suchten einen Bandnamen, standen am Kapuziner Platz in Bruneck und ein Freund sah auf das Metallfachwaren-Geschäft Zeugshmied und sagte: das wäre doch ein Namen… Und dann mit leichten Abänderungen in der Schreibweise kam es zu Zeugshmitz. Wir wollten damit auch irgendwie unseren Musikstil und unsere Ortsverbundenheit zum Ausdruck bringen und mir persönlich gefiel der Name von Anfang an auch sehr gut, da ich ein großer Fan der englischen Indie-Band „The Smiths“ war und bin.

 

„It's war (hold on)“ ist ja der Vorbote zu eurem vierten Album, welches in Kürze erscheinen sollte. Auf was dürfen wir uns freuen?

Egon: Ein Album entsteht bei uns normalerweise nachdem es die Songs schon einige Zeit gibt, irgendwie als Abschluss. So war es auch diesmal: alle Lieder gibt es schon seit ein paar Monaten oder auch länger. Wir haben sie soweit alle fertig abgemischt und gemastered und möchten noch ein letztes Lied live im Probelokal einspielen. Wir hoffen, dass wir das bald mal schaffen und dann soll das Album im Spätsommer bei einigen Live Auftritten vorgestellt werden. Es ist auch noch eine neue Single „Grace“ mit Video geplant und wird im Mai rauskommen. Übrigens wurde alles am Album (Aufnahme, Mix, Covergestaltung) mit Ausnahme vom Mastering von unseren Bandmitgliedern erstellt, so wie beim letzten Album auch, worauf wir auch etwas stolz sind… 100% homemade.

Gerd: Es gibt sicher in professionellen Studios noch mehr Möglichkeiten, aber 100% „fatto in casa“ ist halt doch speziell, so wie der selbstgemachte Gugelhupf doch immer am besten schmeckt, weil man weiß was drinnen steckt. (lacht)

 

100% „fatto in casa“ ist halt doch speziell, so wie der selbstgemachte Gugelhupf doch immer am besten schmeckt, weil man weiß, was drinnen steckt. (Gerd)

 

Jedes Jahrzehnt ein neues Album? ;-)

Gerd: Genau! Entweder vergeht die Zeit zu schnell, oder wir sind einfach zu langsam in unserem Alter... und 1,2,3 wieder zehn Jahre vorbei. (lacht) Ja das ist irgendwie unser normaler Zyklus, da wir nach einigen Jahren immer wieder Stillstand haben, da wir nicht regelmäßig proben, auch nur zwei, drei Konzerte im Jahr spielen und dann braucht es immer wieder einen kleinen Motivationsschub und ein Ziel… Und wir sehen, dass das uns immer sehr gut tut, dass wir somit zusammenwachsen, an den Songs feilen können und auch endlich mal einen Text niederschreiben.

 

Langsam aber sicher nähert ihr euch dem 30jährigen Bandbestehen. Wie ist es, wenn man so lange schon zusammen Musik macht? Wie fühlt sich das an?

Egon: Die Band gibt es seit 1992 (da hatten wir Jürgen und Marco als Schlagzeuger), in dieser Besetzung seit 1994… Ja, das ist eine sehr lange Zeit… aber wir sehen uns maximal alle ein bis zwei Wochen, dann trinken wir zusammen ein Bier und erzählen was alles so läuft und dann spielen wir zusammen und das macht Spaß.

Gerd: Ja, genau so fühlt es sich auch an: wie die Kumpels vom Stammtisch oder vom Freizeit Kegelverein, die sich treffen, ein bisschen „ratschen“ und dann gemeinsam spielen und von alten Turnieren erzählen oder von der WM träumen…

 

 

Was sind eure eigenen musikalischen Vorbilder?

Egon: Wir kommen eigentlich alle von verschiedene Richtungen, Gerd eher von der Indie/ Alternative Schiene mit Bands wie Pearl Jam, Pixies oder Placebo, Klaus aus der Richtung Beatles / Pink Floyd aber auch sehr aus der elektronischen Richtung (er ist als DJ Shantifax in der Goa Szene sehr aktiv), unserem Schlagzeuger Matti gefällt alles mit Rhythmus und wo viel getrommelt wird, und ich komme eher aus der Richtung Blues- Rock / Pink Floyd, habe auch schon in verschiedenen Jazz- und Coverbands gespielt und bin immer noch bei den „Fonzies“ im Einsatz… also eine wirklich bunt gemischte Truppe.

 

Als „Dinosaurier“ (sorry, dieser Ausdruck ;-) im Südtiroler Musikbusiness habt ihr ja einen guten Überblick über die Südtiroler Musiklandschaft - wie schaut es eurer Meinung aus? Und welche sind eurer Meinung nach die besten Südtiroler Bands oder welche, die ihr gut findet?

Gerd: Ohh danke.. klingt irgendwie eleganter als Rock Opas… und die Dinosaurier haben ja lange überlebt, bis sie dann doch ausgestorben sind (lächelt) Ich persönlich finde, dass die Südtiroler Musikszene sehr interessante Musiker hat, auch abseits der international berühmten Bands, die oft zu sehr einem Klischee zugeteilt sind und damit auch gut leben können. Ich sehe weiterhin eine Tendenz zu eigenkomponierter Musik, die wirklich internationales Niveau hat, wie zum Beispiel Hubert Dorigatti oder die Brixner Band „Anger“, die auf FM4 in Österreich den Durchbruch geschafft haben und über die lokal meiner Meinung nach zu wenig berichtet bzw. gespielt wird... Die Südtiroler Musik ist weitaus vielfältiger als ihr Ruf. Da werde ich auch bestätigt, wenn ich am Abend manchmal auf SDF Südtirol die Videos lokaler Bands sehe, wirklich interessant und so abwechslungsreich.

 

Danke fürs angenehme Gespräch!

Gerd + Egon: Vielen Dank für das nette Gespräch und melde dich wieder, aber nicht erst wieder in zehn Jahren... (lachen)