Gesellschaft | Justiz

Bewegung im Palazzo

Die Karten in Südtirols Justiz werden neu gemischt. An der Spitze der Bozner Staatsanwaltschaft könnte es schon bald zu einem prominenten Comeback kommen.
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Foto: Suedtirolfoto/O. Seehauser
Das vorgezogene Geschenk kam drei Tage vor seinem 57. Geburtstag.
Am 11. Mai 2023 hat die fünfte Kommission des obersten Richterrates (CSM) Giancarlo Bramante als neuen Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht von Triest vorgeschlagen. Der Vorschlag wurde einstimmig gefällt, was im obersten Selbstverwaltungsorgan der italienischen Justiz eher selten passiert.
Die Entscheidung geht jetzt an das Plenum. Die 33 Mitglieder des obersten Richterrates wählen den neuen Generalstaatsanwalt von Triest. Da bisher nur Giancarlo Bramante im Rennen ist, dürfte die Vorentscheidung bereits gefallen sein. Man geht davon aus, dass die Ernennung Bramantes noch vor den Gerichtsferien im Sommer erfolgen wird. Bramante würde dann spätestens Anfang 2024 die Bozner Staatsanwaltschaft verlassen.
 

Bramantes Wunsch

 
Der leitende Bozner Staatsanwalt macht damit einen wichtigen Karrieresprung. Vor allem aber scheint Giancarlo Bramante damit am Ziel seiner beruflichen Wünsche angelangt sein.
Der gebürtige Bozner tritt nach dem Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität Trient 1994 in den staatlichen Justizdienst ein. Bramante arbeitet zuerst als Staatsanwalt am Bezirksgericht Bozen und wechselt dann in die Staatsanwaltschaft am Landesgericht.
 
 
 
18 Jahre lang arbeitet er dort zuerst unter der Leitung von Cuno Tarfusser und dann unter Guido Rispoli als stellvertretender Staatsanwalt. Nach dem Abgang Rispolis als Generalstaatsanwalt nach Campobasso übernimmt Giancarlo Bramante 2017 dieses Amt.
Als leitender Staatsanwalt ist Bramante in Bozen vor allem durch seine restriktive Kommunikationspolitik aufgefallen. Der Oberstaatsanwalt tritt äußerst selten an die Öffentlichkeit und meidet Presseauftritte. Immer dann, wenn es nötig ist, verschickt die Staatsanwaltschaft ein kurzes, nüchternes Kommuniqué.
Der Großteil seiner stellvertretenden Staatsanwälte teilt diese Linie nicht. Zudem stößt Bramante Ermittlungen gegen Beamte der Gerichtspolizei an, die nicht nur Missstände, sondern auch einen seit langem schwelenden Konflikt in der Bozner Staatsanwaltschaft offenlegen.
Es kommt auch heraus, dass sein Vorgänger Cuno Tarfusser schriftlich in Rom gegen die Ernennung von Giancarlo Bramante zum Bozner Chefstaatsanwalt interveniert hat. Das Verfahren gegen die Tarfusser-Vertrauten am Landesgericht wird damit als Revancheakt abgetan. Obwohl inzwischen ein Teil der Vorwürfe vor Gericht bewiesen wurde.
 

Segler & Palamara

 
Giancarlo Bramante ist seit seiner Jugend ein leidenschaftlicher Segler. Deshalb hat der Bozner Chefstaatsanwalt schon länger den Fokus auf Triest gelegt. Nach sechs Jahren kann ein leitender Staatsanwalt wechseln.
Der Plan wurde aber durch ein schweres Foul verzögert. Im Skandal um die Abhörungen des CSM-Machers Luca Palamara wurden auch WhatsApp mit Giancarlo Bramante veröffentlicht. Der Bozner Chefstaatsanwalt sagt zwar nichts besonders Anrüchiges, doch die Nachrichten genügen, um mehrere Eingabe gegen Bramante zu machen. Es ist eine gezielte Aktion.
 
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Entscheidung der 5. Kommission des CSM: Einstimmiger Beschluss.
 
 
Kommt es zu Eingaben gegen einen Richter oder Staatsanwalt in Bozen ist dafür Triest zuständig. Klar ist, dass eine Staatsanwalt nicht an eine Staatsanwaltschaft wechseln kann, die gegen ihn formal Vorermittlungen führt. „Diese Geschichte hat ihm die Füße abgeschnitten“, beschreibt man im Justizpalast die Situation. Das Klima in der Bozner Staatsanwaltschaft ist seitdem im Keller. Bereits mehrere Staatsanwälte und Mitarbeiter haben den „Palazzo“ verlassen.
Das Klima in der Bozner Staatsanwaltschaft ist seitdem im Keller
Alle gegen Giancarlo Bramante erhobenen Vorwürfe haben sich inzwischen aber als völlig haltlos herausgestellt. Auch deshalb steht jetzt einem Karrieresprung und einem Wechsel nach Triest nichts mehr im Weg.


Die Favoritin


Damit aber wird der Posten des leitenden Staatsanwaltes in Bozen frei. Für diesen Chefposten gibt es gleich mehrere Anwärter.
Allen voran Bramantes Stellvertreter Axel Bisignano. Nach Informationen von Salto.bz soll Bisignano aber nicht unbedingt auf das Chefamt spitzen. Auch weil ein enger Verwandter als Anwalt tätig ist und es so zu einer potenziellen Unvereinbarkeit kommen könnte.
 
Marchesini, Donatella
Donatella Marchesini: Erste Frau an der Spitze der Bozner Staatsanwaltschaft?
 
 
Sehr wohl Interesse Bramantes Nachfolge anzutreten, sagt man hingegen Igor Secco nach. Secco hat in den vergangenen Jahren die spektakulärsten Ermittlungen in Südtirol geleitet und steht damit auch am deutlichsten in der Öffentlichkeit.
Vor allem aber gibt es auch eine Frau, die mehr als nur gute Karten in der Hand hat. Donatella Marchesini. Marchesini liegt nicht nur im Dienstalter vor den stellvertretenden Staatsanwälten, sie arbeitet auch bereits eine Stufe höher als stellvertretende Staatsanwältin am Oberlandesgericht.
Marchesini gilt als leidenschaftliche Ermittlerin und mit der Rückkehr in die leitenden Funktion in der Staatsanwaltschaft am Landesgericht würde sie alle Fäden in der Hand halten. Zudem wäre sie die ersten Frau an der Spitze der Bozner Staatsanwaltschaft.
 

Mögliche Rückkehr

 
Formal wird aber eine Interessenbekundung für die Bramante-Nachfolge gemacht. Jeder zweisprachige Staatsanwalt, der die dienstrechtlichen Voraussetzungen für den Posten des leitenden Staatsanwaltes am Bozner Landesgericht erfüllt, kann sich bewerben. Damit kommen auch Staatsanwälte in Frage, die derzeit außerhalb Südtirols tätig ist.
Und es kommt ein prominenter Rückkehrer ins Spiel: Guido Rispoli.
 
 
 
Der Meraner Jurist war bereits zwischen 2009 bis 2016 lei­tender Oberstaatsanwalt am Landesgericht in ­Bozen. Dann ging er als Generalstaatsanwalt nach Campobasso. Im März 2020 wechselte Rispoli in dieser Funktion an die Staatsanwaltschaft nach Brescia.
Nach vier Jahren in dieser prestigeträchtigen Position sagt man Guido Rispoli jetzt Lust auf einen Wechsel nach. Und eine Rückkehr in seine Heimat.
„Er denkt daran seine Laufbahn in Bozen zu beenden“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter des leitenden Staatsanwaltes. Guido Rispoli selbst will sich nicht in die Karten schauen lassen. „No comment“, sagt er auf Nachfrage von Salto.bz.
Ein Dementi klingt aber anderes. Man geht deshalb im Bozner Gerichtspalast davon aus, dass der 62jährige Meraner Staatsanwalt sich um den Chefposten in der Bozner Staatsanwaltschaft bewerben wird, um hier die letzten Jahre bis zu seiner Pensionierung Dienst zu tun.
Wenn er wirklich antritt, dann wird er es“, sagt einer, der die nationale Justiz bestens kennt. Rispoli ist im CSM und darüber hinaus besten vernetzt.
Sicher ist: Mit seiner Rückkehr wird auch frischer Wind in die Bozner Staatsanwalt einziehen.