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Comandante Kompatscher

Eine Sammelpartei sammelt sich: Der SVP-Spitzenkandidat spricht frei heraus, überzeugt die Basis mit einer langatmigen Rede. Und der Obmann will nur mehr “Wir” hören.
Arno Kompatscher
Foto: Oliver Oppitz

Arno Kompatscher sieht sich als Kapitän. Er hat ein Schiff zu steuern, das zuletzt Schlagseite bekommen hat. Die Großwetterlage sorgt für harten Seegang und hohe Wellen. Die Suche nach der Besatzung, die mit ihm auf den 21. Oktober zusteuern soll, verlief turbulent. Vom Rudern im Gleichtakt schien man seemeilenweit entfernt.
Doch die Meuterei ist ausgeblieben. Dabei hat es der “Noch-Landeshauptmann”, als der er von SVP-Bezirksobmann Herbert Dorfmann von der mit Edelweiß und weiß-roten Geranien geschmückten Bühne begrüßt wird, am Samstag darauf angelegt.
“Ich war ehrlich”, sagt Kompatscher am Ende des Vormittags.
Zuvor haben ihn der SVP-Parteiausschuss, die Ortsobleute und die Bürgermeister, die am Samstag nach Vahrn gekommen sind, zu ihrem Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen gewählt. Mit 95,8 Prozent.

 

Jeder Zeit ihren Steuermann

 

Dass an diesem Vormittag gar einige Kritiker und Zweifler im Festsaal des Haus Voitsberg sitzen, weiß Kompatscher. Deswegen geht er in die Offensive. Silvius Magnago und Luis Durnwalder seien “herausragende” Landeshauptleute gewesen, hätten Großartiges geleistet – jeder auf seine Art und Weise. “Und auch ich habe meinen Stil”, ordnet sich Kompatscher in die Reihe der großen Landeshauptmänner ein. “Zuhören. Knallhart verhandeln. Vernetzen. Dann entscheiden und Verantwortung übernehmen.”

“Für manche ist das zu viel.” Kompatscher hält inne, lässt seinen Blick über die Parteigenossen schweifen. “Ich höre die Kritik.” Die Gesichter kann er nur im Halbdunkel erkennen. Doch er weiß genau, wo die Aufmüpfigen sitzen. “Auf den Tisch schlagen” – den Wunsch, der auch innerhalb SVP gepflegt wird, wird der Landeshauptmann nicht erfüllen. Die “Show der harten Männer” ist nicht seine. “Dialog, Diplomatie und harte Verhandlungen waren für Südtirol immer der erfolgreiche Weg”, ruft er der Menge in Erinnerung. Deshalb werde er überzeugt daran festhalten. Auch als nächster Landeshauptmann, der er werden will. “Ich bin do und bereit, olles zu geben – wenn es wellt!”, ruft er den Anwesenden im Dialekt zu.

 

Eine knappe Stunde spricht er zu seinen “Freunden im Edelweiß” – Parteifunktionäre, Ortsobleute, Bürgermeister, Landtagskandidaten. “Die beste Rede, die ich je von ihm gehört habe”, heißt es hinterher nicht nur von Vize-Parteiobmann Karl Zeller. Immer wieder brandet Applaus auf während Kompatscher sich rhetorisch gewandt für den Spitzenposten auf der Edelweißliste bewirbt. Zum Schluss steht der ganze Saal.
 

Keine Alternative

 

Autonomie, Volkstumspolitik, Chancengerechtigkeit und die Arbeit für ein lebenswertes Südtirol – der “Markenkern der SVP” ist für Kompatscher Programm. Er schafft es, alle Seelen und Flügel seiner Partei anzusprechen. Jene, die mit argwöhnischem Blick auf Italien blicken (“Wir werden keinen einzigen Beistrich unserer Autonomie hergeben. Im Gegenteil, wir wollen mehr!”). Jene, deren Herz vor allem für die Schwächeren schlägt (“Der Aufschwung, den wir erleben, muss bei allen ankommen!”). Jene, die sich um die Peripherie sorgen (“Die kleinen Krankenhäuser werden weiterhin wichtige Dienste garantieren!”). Jene, die die Migration beschäftigt (“Illegale Zuwanderung ist illegal und als solche zu unterbinden! Aber um die, die hierbleiben dürfen, kümmern wir uns gemeinsam!”). Jene, die Heimatbewusstsein vermissen (“Ich bin 1984 vor der Dornenkrone mit einem Tafele hergelaufen – da haben andere noch in die Windeln geprunzt, die mir jetzt sagen wollen, was Volkstumspolitik ist!”).

“Bewusst und ehrlich” hält er die Partei an, ihr Urteil über ihn zu fällen. Unter seinem Namen, der auf dem Abstimmungszettel über den Spitzenkandidaten steht, hat Kompatscher eine weitere Zeile einfügen lassen. Er fordert seine Gegner heraus: Wenn ihr mich nicht wollt, gebe ich euch die Chance, das klar zu sagen, so die Botschaft der leeren Zeile. Ein geschickter Zug. Am Ende wird auf keinem Stimmzettel ein anderer Name als der seine stehen. Einzig 18 Stimmrechte werden ihm verwehrt. Ob er enttäuscht ist, fragen die Journalisten Kompatscher. “Im Gegenteil, ich habe mir weniger als 95,8 Prozent erwartet.”

 

Luft holen für Wahlkampf

 

Die vergangenen Wochen seien nicht einfach gewesen für ihn, gesteht der Landeshauptmann. Die öffentlich ausgetragenen Schlammschlachten um die Nominierung der Kanddiaten haben auch dem Parteiobmann zugesetzt. “Zu oft ‘Ich’ und zu wenig ‘Wir’” habe er letzthin gehört, sagt Philipp Achammer. Er sei “nachdenklich”. Denn: “Menschen kommen und gehen. Die gemeinsame Idee, Werte und Ideale aber bleiben – und nur denen sind wir verpflichtet!”, ermahnt er die Partei. Die Phase der Selbstzerfleischung müsse nun ad acta gelegt werden, “wir müssen den Menschen eine Antwort darauf geben, wofür wir stehen, warum sie uns das Vertrauen schenken sollen, warum die SVP nach wie vor das beste Angebot hat”. Ja, man wolle die unschönen Diskussionen der jüngsten Vergangenheit aufarbeiten, darüber reden, was hätte besser laufen können. “Die SVP hat kein optimales Bild abgegeben”, übt Achammer auch Selbstkritik. “Sehr holprig” sei es auf dem Weg der Kandidatenfindung zugegangen und man werde die Frage stellen müssen, ob der Nominierungsmodus – vor allem der Zehnervorschlag, den Parteiobmann und Spitzenkandidat nach den Kandidaten der Bezirke noch vorlegen – in Zukunft noch der richtige ist.

 

Aber jetzt wird erstmal aufgeatmet, “durchgeschnauft”, meint Achammer, der Blick nach vorne gerichtet. Mit der “starken Rückendeckung”, die der Spitzenkandidat Kompatscher nach dem Samstag in Vahrn verspürt, dem Appell des Parteiobmannes nach Einigkeit sowie einstimmig abgesegneten Parteilinien und Landtagskandidaten will man in den Wahlkampf gehen. “Am 21. Oktober geht es um viel, es geht um unsere Heimat!”, beschwört Achammer die Edelweiß-Vertreter. “Und die ist viel zu wichtig als dass man es zulassen könnte, dass Internas unseren Auftrag überlagern.” Der da wäre? “Der Heimat und den Menschen soll es gut gehen”, bricht Kompatscher herunter.

 

Kompatscher als Kompass

 

Welches Ziel hat man sich für die Landtagswahlen gesteckt? Das Wort “Absolute” will der Parteiobmann nicht mehr in den Mund nehmen. “Unsere Qualität ist es, stabil regieren zu können” – dieses Angebot will man dem Wähler am 21. Oktober präsentieren. Der Landeshauptmann und frischgebackene Spitzenkandidat wird etwas deutlicher: “Jetzt haben wir 17 der 35 Sitze – einer mehr wäre ein Traumergebnis.”

Dabei gehe es weniger um das Ergebnis einzelner Kandidaten, beeilt sich Kompatscher hinzuzufügen, “wichtig ist das Ergebnis zum Wohle der Partei”. Und dafür gelte es nun “gemeinsam und geschlossen” zu kämpfen.
Doch er weiß: Als Spitzenkanditat ist er besonders gefragt. Trotz des in Vahrn vielbeschworenen Wir-Gefühls wird das Abschneiden der SVP an dem seinen gemessen werden. Gelingen kann die Mission Absolute auch nur, wenn es Kompatscher gelingt, seinen internen Kritikern und Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Am Samstag Vormittag haben ihm die Parteigenossen das Ruder fest in die Hand gedrückt. Er muss er den Vertrauensvorschuss gut verwalten. Denn auf hoher See kann das Wetter rasend schnell umschlagen. “Ich bin mir bewusst, wie schwierig es ist, das SVP-Schiff auf Kurs zu halten”, sagt der Kapitän. Es liegt an ihm, es vor dem Untergang zu bewahren.

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rotaderga Mo., 25.06.2018 - 08:35

Arno Kompatscher ist schon immer ein begnadeter Redner gewesen, langatmig, ja auch. Inhaltlich will er ein Schiff steuern, von dem er noch nicht weis ob es Segelschiff, Galere oder Dampfer ist, Von der Wetterlage, Winden und Strömungen hat er keine Ahnung, und er kennt auch nicht Zielhafen. Die Absolute allein wird den Wählern nicht genügen.

Mo., 25.06.2018 - 08:35 Permalink