Gesellschaft | Suizidprävention

Der Bus der Toten

Letzte Woche besuchten Schulklassen einen Parcours zu psychischer Gesundheit in der Meraner Innenstadt. Aufmerksamkeit erregte vor allem ein plakatierter Linienbus.
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Foto: Jugenddienst Meran
Selbstmord ist die zweithäufigste Todesursache bei jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren, sowohl in Italien als auch in Europa. Um die psychische Gesundheit unter Jugendlichen zu verbessern, starteten die Jugenddienste von Meran und Naturns vor zwei Jahren die Initiative „Red mor amol driber / Parliamoci“. Vergangenen Freitagvormittag boten sie in der Meraner Innenstadt mit mehreren Infoständen einen Parcours zum Thema Suizid mit dem Titel „Wia lafts bei dir? Come te la passi?“. Organisiert wurde er vom Jugenddienst Meran in Zusammenarbeit mit der Caritas Bozen Brixen.
„Es wird noch immer zu wenig darüber geredet. Es ist ein Tabuthema, dabei finden viele Suizidversuche statt“, erklärt Ulli Volgger vom Jugenddienst Meran. „Jeder Suizid hinterlässt 400 Betroffene“, sagt die Jugendarbeiterin. Sie geht davon aus, dass jede Person in Südtirol mit dem Thema Suizid bereits in Berührung kam, schließlich nehmen sich in der Provinz laut ASTAT durchschnittlich 43,6 Menschen pro Jahr das Leben. Besonders für die hinterbliebenen Familien sei die Situation schwierig, da sie oft alleine gelassen werden, obwohl bereits kleine Gesten wie ein Lächeln oder eine Umarmung helfen könnten.
 
 

Wissen weitergeben

 
Veranstaltungen wie der Parcours letzte Woche seien deshalb wichtig, um mehr Bewusstsein für psychische Gesundheit und Suizidprävention zu schaffen. „Eines unserer Ziele war es, die Hilfsangebote für Jugendliche bekannter zu machen“, sagt Volgger.
Der Parcours richtete sich an Schüler:innen beider Sprachgruppen ab der dritten Klasse Mittelschule aufwärts. Mit einer Reihe von Informationsständen entlang einer Route, die vom Sitz der Caritas an der Ecke Verdi- / Galileistraße bis zum Sandplatz führte, halfen die Jugendbetreuer:innen den Teilnehmer:innen das psychische Unwohlsein zu benennen und gaben ihnen nützliche Informationen über Einrichtungen, die kostenlose psychologische Unterstützung anbieten.
Die Veranstaltung wurde von den Schulklassen vor Ort gut angenommen und sie prüften ihr Wissen zu dem Thema mit einfachen Fragebögen zum Ankreuzen. Die Fakten dazu fanden sie in der Stadt verteilt auf Infotafeln. Besonders viel Andrang erhielt die Station mit einem Bus auf dem Sandplatz. „Viele Passant:innen blieben stehen und wollten wissen, was es damit auf sich hat“, sagt Volgger. Der Bus repräsentierte die Zahl der Selbstmorde in Südtirol pro Jahr, da in einem Linienbus ungefähr so viele Menschen Platz haben.
 
 
Allerdings funktionierte die Kommunikation mit den Schulen im Vorfeld der Informationsveranstaltung nicht reibungslos. „Wir luden alle Meraner Mittel- und Oberschulen  mehrmals per Mail dazu ein und teilten die Veranstaltung auch auf Social Media. Leider haben aber trotzdem viele Lehrer:innen nicht gewusst, dass wir den Parcours organisieren, da die E-Mails teilweise nicht weitergeleitet wurden“, so Volgger.
 

Die Initiative

 
Auf der Webseite der Initiative gibt es zu verschiedenen Problemfeldern – von Mobbing, Gender über Gewalt, Angst- oder Essstörungen – kompakt zusammengestellte Informationen. „In unserem Alltag werden Zeiten, in denen es uns schlecht geht, und seelische Krisen selten zum Thema gemacht. Wir sprechen nicht darüber, versuchen sie kleinzureden und zu verdrängen. Oft wissen wir auch nicht, wie wir die Situationen ansprechen können / sollen, trauen uns nicht, oder haben Berührungsängste“, schreiben die Initiator:innen.
Der Jugenddienst Meran und der Jugenddienst Naturns bieten im Rahmen der Initiative „Red mor amol driber / Parliamoci“ regelmäßig Informationsveranstaltungen, kulturelle Veranstaltungen und Workshops in Präsenz oder online mittels der Plattform Zoom an, die kostenlos besucht werden können. Online-Infoabende mit Expert:innen werden ab Mitte November 2022 wieder angeboten.
Die Initiative finanziert sich über Projekttätigkeiten und wurde in der ersten Projektphase von den teilnehmenden Gemeinden (Algund, Dorf Tirol, Hafling, Kuens, Marling, Meran, Naturns, Plaus, Partschins, Rabland, Riffian, Schenna, Schnals), dem Land und dem Arbeitsministerium unterstützt.