Politik | Jubiläum

Es begann zu sechst

60 Jahre nach ihrer Grundsteinlegung sinkt das Vertrauen in die EU, Krisen und Populismus stellen sie vor neue Herausforderungen. Alternative sieht man vielerorts keine.
Unterzeichnung Römischer Verträge 1957
Foto: upi

Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen werden 27 EU-Staats- und Regierungschefs am heutigen Samstag in Rom die Festakte anlässlich 60 Jahre Römische Verträge fortsetzen. Am 25. März 1957 unterzeichneten Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande drei Dokumente, mit denen die Grundlagen für die Europäische Union in ihrer heutigen Form gelegt wurden: den EWG-Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft; den EURATOM-Vertrag, mit dem die Europäische Atomgemeinschaft entstand; sowie ein Abkommen über gemeinsame legislative und judikative Organe für die Europäischen Gemeinschaften. Sieben Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs war die Unterzeichnung der Römischen Verträge ein historisches Ereignis, mit dem Frieden und Wohlstand geschaffen werden sollten.

Heute, 60 Jahre und zahlreiche kleinere und größere Krisen später, haben viele Menschen das Vertrauen in die EU verloren. So geben inzwischen nur mehr 34 Prozent der Italiener an, der Union “sehr” oder “ziemlich” zu vertrauen. In Deutschland sind es 55 Prozent, größer ist das Vertrauen hingegen in den neuen Mitgliedsstaaten in Osteuropa (Ungarn: 60 Prozent, Polen: 62 Prozent). “Nicht perfekt, aber unverzichtbar” ist die EU für den deutschen Justizminister Heiko Maas. In einem Gastbeitrag für Die Zeit schwört der SPD-Politiker die europäischen Bürger auf Zusammenhalt ein – insbesondere angesichts des wachsenden Populismus und Nationalismus: “Damals gab es Politiker, die nicht auf nationalistische Stimmungen gehört, sondern Weitsicht und den Willen zur Verständigung hatten. Heute wettern Le Pen, Wilders und AfD gegen Europa. Noch eint sie der Hass auf die EU, aber gegen wen werden die Nationalisten hetzen, wenn sie das vereinte Europa zerstört haben? Wenn wir eines aus der Geschichte Europas gelernt haben, ist es, dass wir alles dafür tun müssen, damit sich nie wieder eine Nation über eine andere stellen darf.

Dieselbe Botschaft gab Papst Franziskus den 27 EU-Staats- und Regierungschefs – Großbritannien, wo in Kürze das Brexit-Verfahren beginnt, nimmt an den Feierlichkeiten nicht teil – mit, die er am Freitag zur Audienz empfing. Solidarität und Zusammenhalt seien das Gebot der Stunde: “Solidarietà è l'antidoto più efficace ai moderni populismi”, so der Papst, der die EU-Leader mahnte, die Gründungsideale nicht für wirtschaftliche und finanzielle Erfordernisse aufzugeben. Auch wenn die Zeichen denkbar schlecht stehen – Finanz- und Flüchtlingskrise, Populismus und der Brexit spalten die EU und stellen sie vor große Herausforderungen –, haben sich alle 27 Länder bereit erklärt, am 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge eine neue Erklärung zu unterzeichnen, als Geburtsurkunde sozusagen für die neue EU ohne Großbritannien.

Über die Zukunft der EU macht man sich nicht nur in Rom Gedanken. Anlässlich der Feierlichkeiten lädt Landeshauptmann Arno Kompatscher ein, beim Blick nach vorne “vor allem das Herz und die humanistischen Werte sprechen” zu lassen: “Wir können nicht anders als als überzeugte Europäer zu sein, wenn wir bedenken, was die EU in den letzten 60 Jahren für uns geleistet hat.” Unter anderem will Kompatscher daran erinnern, wie die Einführung des Schengen-Raums “auch die Unrechtsgrenze am Brenner überwinden lassen und uns damit zu einem Teil des großen Ganzen gemacht hat”. Eine Alternative zur EU gebe es keine, steht für den Landeshauptmann fest, auch wenn er noch “ein großes Entwicklungspotenzial” sieht: “Und dafür sollten wir unsere Energie investieren”.