Karussell
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Politik | Postenkarussell

Die Rückkehr der Mumien

Das hektische Postenkarussell der Regierung sorgt für die Wiederkehr politischer Mumien.
Die Regierung kommt offenbar nicht recht zum Regieren, ist sie doch vordringlich mit der Besetzung der vielen poltrone staatlicher Institutionen oder solcher mit öffentlicher Beteiligung beschäftigt. Ganz oben auf der Prioritätsliste steht die bei Lega und Fünf-Sterne-Bewegung verhasste RAI, die nun mit verlässlichen Personen aus dem eigenen Dunstkreis besetzt werden sollen. Die Namen, die dabei zur Diskussion stehen, erinnern stark an Lampedusas Zitat aus dem Gattopardo:" Se vogliamo che tutto rimanga com è, bisogna che tutto cambi". 
Die Lega fordert in der Führungsspitze des Staatsfernsehens eine militante Parteigängerin aus der Ära Bossi: Giovanna Bianchi Clerici. Dass sie vorbestraft ist, scheint kein Hindernis.  Als Präsidenten wünscht sich Parteichef Salvini den ehemaligen Generaldirektor Fabrizio Del Noce, der seit seiner Pensionierung vor fünf Jahren in Portugal lebt.  Der heute 70-jährige war ein enger Vertrauter Berlusconis und für die Entlassung von Enzo Biagi und Michele Santoro verantwortlich.  Anwärter auf den Vorsitz der RAI -Überwachungskommission ist Maurizio Gasparri,  der als Minister für das Kommunikationswesen jenes tendenziöse Fernseh-Gesetz erlassen hat, das Berlusconis Mediaset massiv begünstigte.  In der Wunschliste der Parteien ganz oben steht das RAI-Flaggschiff TG1.
Hier pocht Salvini auf die Ernennung seines Freundes und  Lega-Anhängers Gennaro Sangiuliano zum Chefredakteur. Der Neapolitaner war zunächst Anhänger des MSI und wechselte dann zu Forza Italia.  Die Fünf-Sterne-Bewegung wünscht Peter Gomez als neuen Chef des TG 1. Doch der Chefredakteur des Fatto quotidiano hat nur Aussenseiter-Chancen. Im Gespräch ist auch der Uralt-Moderator Giovanni Minoli.
In Ländern wie Deutschland wäre es etwa unvorstellbar, aus rein politischen Gründen nach der Wahl den Bahnchef abzuservieren.
Italien ist das einzige Land der EU, in dem nach jeder Wahl in der sprichwörtlichen lottizzazione Dutzende von öffentlichen Stellen umbesetzt werden.
In Ländern wie Deutschland wäre es etwa unvorstellbar, aus rein politischen Gründen nach der Wahl den Bahnchef abzuservieren.
 
In Italien hingegen hat der neue Verkehrminister Toninelli den gesamten FS-Vorstand fristlos entlassen. Der von Premier Paolo Gentiloni eingesetzte Bahnchef Renato Mazzoncini war erst seit acht Monaten im Amt.  Besonders kritisch wirken solche Verfahren bei Grosskonzernen mit internationaler Beteiligung wie ENI oder Enel.   Innenminister Salvini hält eine für ihn typische Interpretation bereit: "Educazione vorrebbe che i vertici di ogni autorità governativa si mettano a disposizione del nuovo governo."   Mit anderen Worten: über die Ernennung entscheidet nicht, ob einer ein fähiger Manager ist, sondern ein Parteigänger der Regierung.  Das hat der Fall des INPS-Präsidenten Tito Boeri deutlich demonstriert. Der internationale bekannte Ökonom wurde von Di Maio zum Rücktritt aufgefordert. Der Grund: er hatte in einer Analyse die Überzeugung vertreten, dass Di Maios  decreto dignità die Zahl der Arbeitslosen um 8000 erhöhen könnte. 
Danilo Toninelli tritt in seinem ungebremsten Reformeifer in ein weiteres Fettnäpfchen: "Fermiamo i lavori della TAV. E' un' opera inutile e costosa, i cui effetti si scaricheranno sulle generazioni future."  Doch viele Lega-Bürgermeister in Piemont, wo in Kürze Regionalwahlen anstehen, teilen Toninellis Meinung nicht.
Die bereits im Bau befindliche Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon war freilich schon Beppe Grillo  ein Dorn im Auge, der wegen einer No-Tav-Protestaktion sogar verurteilt wurde. 
Als frömmelnde Katholiken haben Seehofer und Salvini schliesslich eine (etwas islamische anmutende) Untugend gemeinsam: beide sind getrennt und haben mehrere Kinder von verschiedenen Frauen.
Doch all das verblasst gegen die Dringlichkeit eines am Mittwoch im Parlament hinterlegten Lega-Gesetzentwurfs, mit dem praktisch der bayerische Kruzifix-Erlass übernommen wird. Bizarr genug: das Gesetz kommt zeitgleich mit einem massiven Angriff des Kirchenblattes Famiglia cristiana auf den Innenminister ("Vade retro, Salvini").  Es zwingt bei Strafen bis zu 1000 Euro alle öffentlichen Einrichtungen und jede einzelne Schulklasse dazu, ein Kreuz aufzuhängen - nach bayerischem Vorbild.
Als frömmelnde Katholiken haben Seehofer und Salvini schliesslich eine (etwas islamische anmutende) Untugend gemeinsam: beide sind getrennt und haben mehrere Kinder von verschiedenen Frauen. Das Kruzifix soll's richten.

 

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Karl Gudauner Fr., 27.07.2018 - 11:38

Educazione vorrebbe che i rappresentanti istituzionali fossero in grado di trasformare valori etici in azioni coerenti e di bollare azioni incoerenti per ricondurle al rispetto dei valori. Grazie al consenso raccolto alle elezioni e moltiplicato dai sondaggi Salvini si reputa supra leges ed ha la pretesa di interpretazione ex cathedra di ciò che giova al popolo, assumendo sia il ruolo di governatore che quello di evangelista. Si chiama Matteo, per giunta!

Fr., 27.07.2018 - 11:38 Permalink