salto.music | Rough And Rowdy Ways

Bob Dylan Live At The London Palladium

Das neue Album „Rough And Rowdy Ways” im Gepäck, tourt der größte aller Singer/Songwriter gerade durch Europa. Unser Mann in London hat sich den Gig vor Ort angeschaut.
Unvorhersehbar wie eh und je: Bob Dylan hielt für seine Fans auch 2022 einige Überraschungen bereit.
Foto: Brenda Wanjiku
Unvorhersehbar wie eh und je: Bob Dylan hielt für seine Fans auch 2022 einige Überraschungen bereit.
Unvorhersehbar wie eh und je: Bob Dylan hielt für seine Fans auch 2022 einige Überraschungen bereit. Foto: Brenda Wanjiku

 

London hatte immer schon eine besondere Bedeutung für Bob Dylan. Lange schon, bevor er ein globales musikalisches Phänomen wurde und seine revolutionären und außerordentlichen Eigenkompositionen vortrug, sang er in in den Kaffeehäusern vom Greenwich Village, dass er: „I wish I was in London…” (aus „Handsome Molly; trad.). Später kam der Dokumentarfilm „Don't Look Back“ (1965), dessen Off-Stage Szenen zum Großteil in London aufgenommen wurden, danach die heftig umstrittene 1966 UK-Tour mit der Band und der berüchtigte „Judas”-Unfall. Der hat zwar in Manchester stattgefunden, ist aber seit damals für immer und ewig als „Live At The Royal Albert Hall, London” in Rockgeschichte und Aufnahmen (legale und illegale) eingegangen. Nicht zu vergessen, all die musikalischen Einflüsse, die er nach seinem ersten Besuch hier in London aufgesaugt und nach New York mitgenommen hat. Manche würden und haben gesagt, dass er seine musikalische Gesellenschaft erst hier verfeinert hat und dass es kein Zufall war, dass er gleich danach als Songwriter so richtig explodiert ist.

Auch das London Palladium muss ihm seit langem am Herzen liegen. Sonst hätte er 2016 das Theater wahrscheinlich nicht in seiner Annahmerede für den Literatur Nobelpreis genannt:

„When I started writing songs as a teenager, and even as I started to achieve some renown for my abilities, my aspirations for these songs only went so far. I thought they could be heard in coffee houses or bars, maybe later in places like Carnegie Hall, the London Palladium”. Wer weiß?

Gespielt hat er inzwischen in Großbritannien fast unzählige Male, im wunderbaren und über 100 Jahre altem Palladium Theater zum ersten Mal erst in 2017.

60 Jahre nach seinem ersten Besuch in London, nicht für eine Tournee, sondern für die BBC Produktion von „Madhouse on Castle Street“, erfüllte sich dann sein Wunsch zum zweiten Mal.

Für vier Abende – 19., 20., 23. und 24 Oktober – unterhält Dylan seine Fans im Palladium, gleich um die Ecke von Oxford Circus, als Teil seiner „Rough And Rowdy Ways“-Tour.

Endlich mal eine Dylan-Tournee die einen offiziellen Namen hat. Für Jahrzehnte hieß es immer nur: „Bob Dylan And His Band Live In Concert“. Hoffentlich hören die Leute und vor allem die Journalisten, nun endlich auf von der eigentlich schon lange abgeschlossenen „Never Ending Tour“ zu sprechen/schreiben. Laut Dylan selbst, endete die schon 1991.

Für den 20. Oktober hatte ich mir zwei Tickets ergattern können; die gesamte UK-Tour war in weniger as fünf Minuten ausverkauft. Inzwischen hat er drei neue Shows in Oxford, Manchester und Bournmouth angehängt.

 

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Der Eingang zum London Palladium: Bob Dylan gastierte dort mit seiner Tour zum aktuellen Album „Rough And Rowdy“. Foto: Brenda Wanjiku

 

Diese Tournee ist auf mehrere Weise eigenartig. Was mit Dylan eigentlich nicht unbedingt eine Überraschung sein sollte. Erstens, spielt er jeden Abend die gleichen Lieder und in der selben Reihenfolge (wie in 1966; andere Lieder, selbes Konzept). Zweitens, sind fast alle Songs von seinem letzten Album „Rough And Rowdy Ways“. Die wenigen Ausnahmen sind bei Weitem nicht die Klassiker, die man sich erwarten könnte. Trotz allem bleibt jedes Konzert unberechenbar. Drittens, Dylan war für seine Verhältnisse „gesprächig”. Hat er uns doch zwischen einigen Liedern gedankt und ist sogar mehrere Male von hinter seinem Pianino hervorgekrochen, um seinen verdienten Applaus anzunehmen. Auch hatte er Zeit gefunden, Joe Strummer's Frau zu begrüßen.

Deshalb gibt es auch keine Fotos vom Konzert per se, nur Fotos von der Straße. Sorry, but what a pleasure it was.

Alle Konzerte sind „no-phone events“, wobei die Zuschauer (wir), beim Eintritt unsere Handies abschalten und in einem elektronisch verschliessbaren Beutel geben müssen. Den Beutel kann man zwar mitnehmen, öffnen kann man ihn nicht. Erst wieder beim Verlassen des Theaters. Deshalb gibt es auch keine Fotos vom Konzert per se, nur Fotos von der Straße. Sorry, but what a pleasure it was.

Komisch war auch für London, dass auf der Bühne mehr Farbige waren (zwei: der geniale Charley Drayton am Schlagzeug und Tony Garnier am Bass) als im Publikum saßen: eine... meine Tochter.

Trotzdem, um 20 Uhr ging es dann los. Ganz genau weiß ich es nicht. Mein Handy war ja im Beutel, eine Uhr trage ich nicht.

Nach einer kurzen Free-Jazz-Instrumentalversion von Steven Foster’s „Oh! Susanna“, eröffnete der Maestro offiziell den Abend mit „Watching The River Flow“. Es ist schon ironisch (typisch?), dass Dylan gerade mit diesen Song, der mit den Zeilen beginnt: „What's the matter with me? I don't have much to say“, Konzerte beginnt, in denen er fast nur Songs seines letzten Albums vorträgt; das vorher schon genannte „Rough And Rowdy Ways“, das lyrisch zu einem seiner wirklich guten zählt und das fast 17 minütige „Murder Most Foul“ enthält. Als möchte er mit uns flirten. Denn wer da da fast versteckt auf der Bühne hinter dem Pianino steht hat sicherlich mehr als „not much“ zu sagen.

„I Contain Moltitudes“ ist das erste Lied vom letzten Album und das erste Highlight vom Abend. Von da an geht es nur mehr aufwärts. Jazz, Swing, Rock, Blues, R&B, QdHCdF's Django Reinhardt und Stéphane Grappelli lassen alle grüßen.

Dylan's musikalische Palette ist inzwischen so weit, dass er mühelos jedes Genre in sein Repertoire aufnehmen kann. Sein musikalisches Grundmodell erlaubt es ihm nach Lust und Laune von einem Stil zum anderen zu wechseln, Tempo und/oder Rhythmus nach Belieben zu ändern. Oft auch mitten in einem Lied. Und alles vorgetragen auf seine einzigartige Weise. Mit bewunderbaren Resultaten. „Fals Prophet“, „Black Rider“, „My Own Verson Of You“ und „Crossing The Rubicon“, eigentlich das gesamte Album, klingen live unglaublich besser als in der offiziellen Studio -Version. Die Worte sinken ein. Die nostalgisch-apokalyptische Vision von der Dylan singt, macht live einfach mehr Sinn. „Key West (Philosopher Pirate)“ war zusammen mit „Mother Of Muses“ ein persönlicher Favorit. Charley Drayton die treibende Stärke hinter den Songs.

„Gotta Serve Sombody“ wurde wie ein all-time Klassiker empfangen. Es ist schon ironisch, wenn man bedenkt, dass Dylan während seiner „religiösen Phase“ fast wörtlich gekreuzigt wurde und damals – 1979-1981 – Tausende seine Konzerte verließen, als er nur Tracks vom „Slow Train Coming“-Album vortrug.

Nach einer kurzen Vorstellung der Bandmitglieder serviert uns Dylan eine der schönsten Versionen von „Every Grain Of Sand“. Ein perfektes Ende einer musikalischen Reise, die alles Menschliche und Übernatürliche, Leben und Tod, Licht und Schatten berührt hat.

Bleibt uns nur zu hoffen, dass es bald ein offizielles Album zu dieser Tournee gibt. Wenn nicht, dann wäre es schade. Sehr schade. Normalerweise bin ich gut mit diesen Voraussagungen. Stay tuned.

 

Links:

„Rolling Stone"-Artikel über das „Judas”-Konzert: https://www.rollingstone.com/music/music-news/remembering-bob-dylans-infamous-judas-show-203760/
Official Bob Dylan Homepage: https://www.bobdylan.com/

 

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Das Bob Dylan Konzert in London war ein „No-Phone Event“: Deswegen gibt es auch keine Fotos von drinnen, sondern nur von draußen. Foto: Brenda Wanjiku