AIED wird 40 Jahre alt

Das AIED in Bozen ist urban, italienisch, emanzipiert, eine jener Einrichtungen, die mit der großen Aufklärungswelle in den 1970er Jahren in das Bewusstsein der Südtirolerinnen vordrangen.

Hinter dem Akronym AIED steht das sperrige „Associazione Italiana per l'Educazione Demografica“, ein Begriff, der dem heute sehr differenzierten Programm und Inhalt wenig bis kaum gerecht wird. Den Gründern der Beratungsstelle ging es vor allem um Aufklärung im ureigenen Sinn, die sexuelle Aufklärung und den Gebrauch von Verhütungsmitteln, ein Thema das 1953, als das erste „Consultorio“ Aied in Mailand gegründet wurde, für die breite Masse noch kaum exisiterte. Es war die Zeit des ersten wissenschaftlichen Herantastens an das Thema Sexualität, der amerikanische Kinsey-Report zum sexuellen Verhalten der Frau erschien beispielsweise ebenfalls 1953.

In Bozen wurde Aied von 11 Frauen und Männern aus Wissenschaft und Kultur gegründet, allen voran Luisa Gnecchi und Andreina Emeri (weiters Dario Sottocorona, Umbertina Bacchin, Elvira Angelucci, Gabriella Cecchelin, Marina Dordi, Patrizia Mariani, Silvana Pupp, Daniela Simonetti und Paolo Mosna).

„Die 1960er und 1970er Jahre waren in Italien die Zeit der großen Kämpfe um Frauenrechte und Emanzipation, das Aied war stets vorne mit dabei,“ erzählt die Präsidentin der Bozner Beratungsstelle, Dr. Manuela Kustatscher. Der erste große Erfolg für die italienweite Mobilmachung war die Abschaffung des Artikels 553 des sogenannten „Codice Rocco“, der die Vergehen gegen die Integrität und die Gesundheit des Geschlechts (dei delitti contro l'integrità e la sanità della stirpe) regelte. Eine Bestimmung, die den Frauenberatungsstellen verbot für Verhütungsmittel zu werben bzw. Beratung anzubieten. 1971 erklärt das italienische Verfassungsgericht den Artikel 553 und die folgenden für verfassungswidrig.

„Aied arbeitet immer noch nach seinen ursprünglichen Grundsätzen, es gibt dreimal in der Woche freien Zugang zu den Beratungen, das heißt ohne Vormerkung kann frau oder mann sich über Verhütung, Gesundheit, Familienplanung und anderes informieren.“ 92% der KlientInnen sind Frauen, 1.800 kommen jährlich zu den Beratungen in Bozen und es sind immer mehr Frauen aus Nicht-EU-Ländern mit dabei, die neuen Bürgerinnen.

Thema Nummer 1 sei nach wie vor die Verhütung, sagt Manuela Kustatscher. Zwei- bis dreimal die Woche werde die „Pille danach“ verschrieben: mit der „normalen“ Pille würden nur mehr 25 bis 30% der Italienerinnen verhüten, hier habe sich einiges verschoben. „Vielfach wird heute mit dem Kondom verhütet oder ganz einfach mit coitus interruptus.“ Die Ängste zum Thema Verhütung und vor allem das Wissen um den eigenen Körper seien immer noch dieselben wie zu den Anfangszeiten des Aied, sagt Kustatscher. „Auch wenn heute viel mehr oberflächliche Information dazu zu haben ist, heißt das nicht, dass das Bewusstsein dazu gestiegen ist.“ Der erste Gang zur Frauenberatungsstelle ist für eine heute 16-Jährige immer noch so aufregend wie es für die 16-Jährige vor 20 Jahren war.