salto.music | In memoriam

Danke, Charles Watts

Helmuth von Dellemann über seine Begegnung mit Charlie Watts am Rande von „Steinegg Live” und ein nächtliches Gespräch über die frühen Stones.
Charlie Watts Steinegg
Foto: Doris Resch/Steinegg Live
Charlie Watts Steinegg
Charlie Watts: Gastierte mit seiner Band ABC & D of Boogie Woogie am 27. Oktober 2010 in Steinegg. Foto: Doris Resch/Steinegg Live
 
Ja, Charlie mochte seit seiner frühen Jugend Musik, mochte Jazz, ganz besonders erfreute ihn aber der packende, treibende Boogie-Woogie-Schwung der Klaviervirtuosen der Zwanziger und Dreißiger – von Meade Lux Lewis, Albert Ammons und weiteren – den er früh schon gerne und auch anerkannt gut auf seinem Schlagzeug begleitete. Als ihn Brian Jones um 1962 in seine bluesorientierte Band holen wollte, winkte er ab, erst nach mehreren Anläufen, ja hartnäckig werbendem Bitten, sagte er etwa ein Jahr später zu, in der Band, die sich nun mit Mick Jagger, Keith Richard (damals noch ohne s) und William Perks (= Bill Wyman) Rolling Stones nannte, bei Rock'n'Roll- und Rhythm & Blues-Covers/Remakes
mitzutrommeln.
Die Band wurde durch musikalisch gekonnte, doch auch aggressiv-freche Bühnenauftritte (als „böse Gegen-Beatles-Buben”) bekannt, bekannter, nahm erfolgreich vermarktete Schallplatten auf. Die Band ging in Großbritannien, auf europäischem Festland, in den USA, dann immer wieder weltweit auf kurze, dann längere, ja monatelange Tourneen vor Millionenpublikum, und wurde schließich zur wohl langlebigsten Rockband, mit Charlie als höchst verlässlichen, sanft zurückhaltenden Takt- und Rhythmus- und Grundsoundgeber, der..., ja der sich nach Strapazen und Riesenerfolgen nach zu Hause, nach Ruhe ohne Starrummel, nach seiner Lieblingsmusik sehnte.
 
Watts, Charlie
Das Ziel das Charlie Watts mit der ABC & D of Boogie Woogie umsetzen wollte: Mit Jugendfreunden das tun, was einem gefällt. Foto: Doris Resch/Steinegg Live
 
 
In einer dieser Stresspausen kam um 2009 in Gesprächen mit Jugendfreunden die Idee auf, doch „einfach am besten” das zu tun, was, wie eben besprochen, Freude macht. Charlie gab sich schließlich einen Ruck, lud weltbekannte Boogie-Woogie-Pianisten ein, mit ihm auf diese oder jene Spielrunde in kleinere Säle zu gehen, wobei er aber das Wort „Rolling Stones” nicht hören wollte, ja streng verbot. Bei einem dieser Tourneepläne erspähten die pfiffigen, mutigen Programmgestalter von „Steinegg Live” 2010 einen freien Termin, fragten an und schafften es, die ABC&D of Boogie Woogie Band mit Axel Zwingenberger (Piano), Ben Waters (Piano und Stimme) und den Jugendfreunden Charlie Watts (Schlagzeug) und Dave Green (Kontrabass), am 27. Oktober 2010, nach Südtirol zu holen.
Ich, als langjähriger „Begegnungssammler” hatte aber in Erfahrung gebracht, wo Charlie die Nacht verbringen würde, und wartete auf ihn Nähe Hoteleingang.
Bestimmt, vorgabegemäß, konsequent, 100%ig abgeschirmt die Stars, hochklassig, schwungvoll, treibend, swingend, bejubelt das Konzert, beglückend für das begeisterte Pubblikum wie auch hocherfreulich für die strahlenden Bühnenkönner, und schließlich wieder streng, ausnahmslos, vorgabegemäß abgeschirmt, dann „unsichtbar/nicht mehr anwesend”, vor allem  er.
 
Helmuth/Charlie
„Come On” – erschienen im Juni 1963 – ist die allererste Single der Rolling Stones: Jahrzehnte später vom Schlagzeuger höchstpersönlich signiert mit „Danke, Charlie Watts”.
 
 
Ich, als langjähriger „Begegnungssammler” („Wie wäre es, wenn...”), hatte aber in Erfahrung gebracht, wo Charlie die Nacht verbringen würde, und wartete auf ihn Nähe Hoteleingang. Spät war's, aber er kam. Ich sprach ihn höflich an, bedankte mich für den so sehr rundum gelungenen, erfolgreichen Konzertabend, und...  fügte dann „fließend” ein, dass ich aber auch ein großer Stones-Fan von den Anfängen an bin, während ich als „Beweis” zeitgleich die erste von den Stones aufgenommene Single „Come On” hervorholte und ihm vorzeigte.
Dies ließ ein Lächeln auf Charlies Gesicht aufleuchten, wir sprachen kurz über die frühen Stones.
Dies ließ ein Lächeln auf Charlies Gesicht aufleuchten, wir sprachen kurz über die frühen Stones und ich bat ihn abschließend um ein Autogramm; er signierte lächelnd die Singlehülle und schrieb von sich aus „Danke” dazu. Mit „Good Night” und großer, großer innerer Freude verabschiedete ich mich.
Ruhe drüben in Frieden, Charlie!
 
Helmuth von Dellemann war bis zu seiner Pensionierung als Direktor und dann als Evaluator für die Südtiroler Schule tätig. Vor allem aber ist er seit seiner frühesten Jugend ein Rockfan und wohl einer der profundesten Kenner der lokalen und globalen Musikszene.
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Klemens Riegler Fr., 27.08.2021 - 20:34

Man könnte diesem Beitrag auch noch eine kleine, mir bis dato unbekannte, Anekdote hinzufügen: Adrian Kirchler aus Bruneck (baut handwerklich gefertigte, hochqualitative Schlagzeug-Teile oder Sets) traf vor zwei Jahren Charlie Watts. Er fragte ihn ob er sich denn noch an Steinegg erinnern würde. Die Antwort: (frei übersetzt): "..selbstverständlich!.. ein schöner Flecken Erde! … und er hätte sich nie gedacht, dass da überhaupt Leute sein würden. Also Steinegg überhaupt finden würden ... und dass da auch noch der Saal voll würde"

Fr., 27.08.2021 - 20:34 Permalink