Kultur | Salto Afternoon

In Innsbruck studiert

Eine Ausstellung mit persönlichen Objekten erinnert ab Samstag an den Studienort Innsbruck. Salto erinnert bereits heute an zwei braune Uni-Episoden. Gegen das Vergessen!
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Foto: Universität Innsbruck

Erinnerungen an die Universität und das Studierendenleben

2019 feiert die Universität Innsbruck ihr 350-Jahr-Jubiläum mit einem breitgefächerten Jahresprogramm. Eröffnet wurde es am 31. Januar mit einer Uraufführung der Südtiroler Komponistin Manuela Kerer im Kongresshaus Innsbruck. Wie Manuela Kerer, die gleich in doppelter Hinsicht ein Kind der Universität Innsbruck ist und neben ihrem Kompositionsstudium sowohl in den Rechtswissenschaften als auch in Psychologie promovierte, blieben viele Südtirolerinnen und Südtiroler auch nach Abschluss ihres Studiums fachlich und emotional mit der Universität Innsbruck verbunden.

Diesem Umstand widmet die Festung Franzensfeste von 28. September bis 29. Dezember die Sonderausstellung In Innsbruck studiert. Südtiroler Studierende erinnern sich. Mithilfe von Medienaufrufen und Mundwerbung wurden im Zeitraum eines halben Jahres persönliche Objekte und Erinnerungen von Studierenden im In- und Ausland gesammelt. Aus den zahlreichen Rückmeldungen wurden schließlich rund 40 "Objekte" ausgewählt, die mit ihren Geschichten das Studentenleben in Innsbruck in besonderer Weise repräsentieren.

Die Ausstellung

In 15 Räumen und Themen gegliedert versammelt die Ausstellung Gegenstände, Geschichten und Gedanken und wirft Schlaglichter auf prägende Ereignisse der Geschichte, die Südtirol mit der Universität Innsbruck verbindet. Von Die Grenze überwinden über Anders wohnenPrüfungen bestehenFrauen-Power bis zu Sich für andere engagieren und In Würde abschließen reichen die Themen, zu denen unterschiedlichste Erinnerungsstücke zugeordnet wurden. Vom Foto des wöchentlichen gemeinsamen Abwaschs in der WG-Küche über das Statement zur eigenen politischen Aktivität als Vorsitzende der Südtiroler HochschülerInnenschaft bis hin zur Ledertasche, mit der Lebensmittel über den Brenner geschmuggelt wurden oder dem Tagebuch einer archäologischen Exkursion in den Irak findet sich hier so ziemlich alles, was sich aus den Untiefen von Gedächtnissen und Dachböden hervorholen lässt. Das älteste Dokument in der Ausstellung ist die Diplomurkunde von Maria Huber aus Pfunders, die 1897 ihre Ausbildung zur Hebamme auf der Medizinischen Fakultät Innsbruck abschloss. Die jüngste Teilnehmerin die 1996 geborene Ania Viero aus Bozen, Landesmeisterin im Poetry Slam 2018 und im 4. Jahr Lehramtsstudentin in Innsbruck. Ihre Video-Performance "Kinderabhängige Eltern" im ersten Raum verleiht der Ausstellung einen fulminanten Auftakt. Augenzwinkernd und ein bisschen melancholisch geht es auch durch den Rest der Schau, die die Besucher*innen einlädt, sich an die eigene Studienzeit bzw. an Berichte und Klischees zum Studentenleben zu erinnern und darüber ins Schmunzeln zu geraten.

Braune Flecken

Aus gegebenem Anlass präsentiert Salto ein erst 2017 aufgetauchtes Foto zur "braunen" Universitätsgeschichte der Stadt und ein im Jahr 2000 geführtes Interview zum Thema Burschenschaften mit dem Politologen Reinhold Gärtner. Das Gespräch wurde für die Innsbrucker Studierenden-Zeitschrift der Südtiroler HochschülerInnenschaft DIOGENES geführt. 

1. Hitlerbild aus Südtirol

Am 15. April 1938 erließ der (österreichische) Unterrichtsminister Oswald Menghin die Weisung, in allen Amtsräumen „als Symbol der Zugehörigkeit Österreichs zum Deutschen Reich“ ein Bild Adolf Hitlers aufzuhängen. Die Universität Innsbruck unter Rektor Harold Steinacker (Rektor von 1938 bis 1942) entschied sich dafür, in der Aula ein Mosaik des Führers anzubringen. Vorlage war „Der Bannerträger“ des in Nordtirol geborenen und in Südtirol ansässigen Künstlers Hubert Lanzinger, der die Arbeit selbst leiten sollte.
Das Bild befand sich im Privatbesitz des Führers, weshalb Steinacker in der Parteizentrale der NSDAP um Genehmigung des Vorhabens nachfragte. Dem wurde stattgegeben und so kam es in den folgenden Monaten zu einer regen Korrespondenz zwischen Steinacker, der Tiroler Glasmalerei Mosaik-Anstalt in Innsbruck und anderen Künstlern und Handwerkern, denn im Zuge der Errichtung des Mosaiks (2 x 2,1 m) sollte die Umgestaltung der Aula erfolgen (Vorbild war ein griechischer Tempel). Auf Drängen des Rektors wurde im Juni 1938 mit den Arbeiten begonnen, im September 1938 wurde die Aula feierlich eröffnet.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges verschwand das Mosaik unter ungeklärten Umständen, zwei Jahre später wurde der Wahlspruch der katholischen Studentenverbindung „AV Austria Innsbruck“ „In veritate libertas“ (In der Wahrheit liegt die Freiheit) angebracht. Bis 2017 gab es nur Beschreibungen des Mosaikes und der umgestalteten Aula. Dann entdeckten Zeithistoriker*Innen der Universität Innsbruck das längst verschollen geglaubte Foto der damaligen Aula, auf denen auch das Mosaik zu sehen war. [für Salto aufgezeichnet von Historikerin Eva Pfanzelter]

 

2. Burschenschafter und ihr "Kampf um Südtirol"

Diogenes: Anfang der 1980er Jahre waren die Burschenschaften eine recht kleine Bewegung. Allerdings muß ende der 80er Jahre eine geistig moralische Wende eingesetzt haben daß die Burschenschaften neuen Zulauf erhielten. Bereits 1994 gab es einen Freiheitskommers in Innsbruck mit über 4000 Gegendemonstranten und immensem Polizeiaufgebot. Warum wiederholt sich die(se) Geschichte?

Reinhold Gärtner: Warum sich diese Geschichte wiederholt ist schwer zu sagen. Eigentlich hätte man meinen können, die Burschenschaften erachten Innsbruck als Standort für den Freiheitskommers als ungünstig. Allerdings muß man sagen, daß sich in Österreich politisch einiges getan hat und daß offensichtlich ein anderes Klima herrscht. Es gibt jetzt neuerlich den Versuch als Burschenschaften, als freiheitliche Kooperationen, offensiver sichtbar zu werden. Wie die Resonanz auf diesen Kommers ist, ist jetzt noch schwer abschätzbar.

Nehmen an diesem Kommers neben den Burschenschaften auch Cartell-Verbindungen teil?

Nein. Diese beiden Gruppierungen sind einmal grundsätzlich zu trennen. Das sind einfach historisch gesehen zwei völlig unterschiedliche Gruppen. Es gibt vom CV ganz deutliche Abgrenzungen zu den Burschenschaften und man darf CV nicht mit schlagenden Burschenschaften  vermischen. Man kann dazu stehen wie man will, CV war immer katholisch und proösterreich, Burschenschafter waren immer antiklerkal und deutschnational. Gemeinsamkeiten gibt es vielleicht in der Uniformierung und bei den gelegentlichen Treffen. Zudem kennen CVler keine Mensur.

Beim letzten Freiheitskommers der Burschenschaften ging es auch um den „Kampf um Südtirol“. Wie schaut die Situation in diesem Jahr aus?

Das ist generell eine interessante Frage. Burschenschaften sind generell für das Deutschtum. Einer der Veranstalter dieser Festakademie ist die „Akademische Landsmannschaft Tirol“. Wenn man sich ihre Homepage anschaut, erscheinen auf  dem ersten Bild die sehr eindeutigen Schlagwörter: „... von Kufstein bis Salurn“. Diese Aussage lässt eigentlich wenig Spielraum für Interpretationen, das ist eine refaschistische Parole die ohnehin altbekannt ist. Es gibt Nordtiroler die meinen einfach sie müssen Südtirol befreien. Dabei handelt es sich zwar um eine kleine Minderheit der Nordtiroler, aber die trifft man halt immer wieder.

Die Universität Innsbruck hat den rechtsnationalen, FPÖ-nahen Burschenschaften die Genehmigung für die Räumlichkeiten der vorgemerkten Aula an der Universität für Sozial - und Wirtschaftswissenschaften entzogen. Dort sollte eine Parallelveranstaltung stattfinden. Wer legitimiert trotzdem solche Veranstaltungen und warum?

Da gibt es zum einen Veranstalter oder Vereinigungen die nicht verboten sind, d.h. die können im Privaten tun und lassen was sie möchten. Ein weiterer Punkt für den ich sehr viel Verständnis habe, ist daß die Uni sagt: „Nicht bei uns.“ Wenn man sich die Geschichte der Burschenschaften anschaut, haben diese auf der Universität nichts verloren, dabei erntet der Rektor sehr viel Sympathie von mir. Kommen wir nun zur Rolle der Stadt Innsbruck; dort gibt es unterschiedliche Aussagen - einmal die Grünen die sich vehement dagegen sind, auf der anderen Seite Bürgermeister van Staa der meint er würde dort auch auftreten. Das Kongresshaus würde als Räumlichkeit dienen, die Stadt Innsbruck müßte sich allerdings die Frage nach dem warum gefallen lassen. Das Problem das ich dabei sehe, ist daß solche Vereinigungen durch prominente Persönlichkeiten legitimiert werden.

In der Festakademie geht es um ein „Gegenkonzept zu multikulturellen Gesellschaftsexperimenten“. Ist diese Bezeichnung peinlich oder gefährlich für Österreich?

Das ist peinlich und gefährlich wenn man so etwas diskutieren will. Österreich aber auch andere Länder sind Länder die mit ständiger Einwanderung und Auswanderung konfrontiert sind und es immer waren. Es ziehen Leute in andere Länder und es ziehen Leute nach Österreich, das ist ein ständiger Prozess, den man in ganz Europa und nicht nur in Österreich erlebt; so gesehen ist es peinlich wenn man die Realität nicht zur Kenntnis nimmt. Gefährlich wird es aber wenn man polarisiert, d.h. man versucht verschiedene Gruppen gegeneinander auszuspielen. Man kann sich nur die Publikationen der Burschenschaften genauer anschauen. In den Zeitschriften Aula oder Zur Zeit da wird das Ganze schon eindeutiger präsentiert man kann da durchaus von großdeutschem Nationalismus sprechen, also ich halte das für peinlich und gefährlich!

Mit Sicherheit ist auch die derzeitige politische Lage in Österreich dafür verantwortlich. Oder?

Aufwind erhalten sie mit Sicherheit durch die politische Lage; durch die FPÖ in der Regierung und den freiheitlichen Akademikern als wichtige Vorfeldorganisation der FPÖ. Zahllose Funktionäre der FPÖ waren oder sind Burschenschaftler. Der CV hingegen ist ein wichtiges Rekrutierungspotential für die Volkspartei.

Wie groß und wie heftig werden die mit Sicherheit geplanten Gegendemonstrationen ausfallen?

Das kann man überhaupt nicht abschätzen. Die jüngsten Demonstrationen in Wien waren größtenteils friedlich. Genauere Angaben kann ich noch keine machen.  

Bei der derzeitigen politischen Situation werden Demonstrationen ziemlich verharmlost dargestellt. Bundeskanzler Schüssel bezeichnete die Teilnehmer der Großdemonstration in Wien vom Februar als Altlinke, Alt68er und als die Internetgeneration...

Die Aussage ist schlicht und einfach dumm. Demonstrieren ist ein demokratisches Grundrecht und Demonstrationen so abzukanzeln das ist einfach dumm wenn ich das als Bundeskanzler mache.

Wird sich die Bundespolitik auch im Bezug auf den Freiheitskommers äußern müssen?

Wenn man schaut für welche Zitate Schüssel Haider verteidigen muß. Das ist Spagat der kaum durchzustehen ist, das ist eine Regierung die sich andauernd rechtfertigen muß.

Gibt es an der Universität Innsbruck Akademiker welche Burschenschafter waren oder immer noch sind?

Ja, auch wenn in Innsbruck nicht der Schwerpunkt liegt. Ich denke da eher an die Städte Wien, Graz, Leoben ...

Warum wird der Freiheitskommers wiederum in Innsbruck organisiert?

Weil den Kommers die Brixia organisiert und die Brixia eine der stärksten und aktivsten Burschenschaften überhaupt ist.

[Quelle: Diogenes 3/2000]