Wirtschaft | Fahrverbote

Ebners Laster

Die Bozner Handelskammer bezahlt zwei Rechtsgutachten, mit denen die italienischen Frächter gegen Nordtirol klagen. Eine privater Kampf mit Steuergeldern.
Stau Autobahn
Foto: Othmar Seehauser
Man muss schon ein Schelm sein, der Böses denkt.
Kompatscher kritisiert die Frächterlobby“, titelt die Tiroler Tageszeitung (TT) am Montag. Im Vorspann heißt es: „Südtirols Landeschef bezeichnet angedrohte Transit-Klage der italienischen Frächterverbände gegen die EU als nicht zielführend“.
Einen Tag später, heute Dienstag, findet sich Arno Kompatscher mit grimmiger Miene auf der Titelseite der Dolomiten wieder. Daneben die Schlagzeile: „Kompatscher plant weitere Steuererhöhungen“.
Nur Zufall? Wohl kaum.
Denn hinter der geplanten Klage gegen die EU-Kommission steht der Mann, dem die Dolomiten gehören: Michl Ebner.
In seiner offiziellen Funktion als Präsident der Südtiroler Handelskammer gefällt es dem langjährigen SVP-Parlamentarier in Rom und Brüssel den Schattenlandeshauptmann zu spielen. Weil Arno Kompatscher auf die breitgestreuten wirtschaftlichen und politischen Interessen der Familie Ebner und ihres Athesia-Konzers nicht uneingeschränkt Rücksicht nimmt, ist das Verhältnis von Anfang an zerrüttet. Die Ablehnung einer üppigen Landesfinanzierung für das Familienmuseum auf der Prissianer Fahlburg und vor allem das drohende Aus des Mega-Hotelprojekts des Ebner-Konzerns in Schnals, haben die Situation in den vergangenen Monaten noch einmal zugespitzt. Es ist längst ein Machtkampf geworden, der auf mehreren Fronten ausgetragen wird.
 
 
Michl Ebner setzt für den Kreuzzug der Frächter gegen die Nordtiroler Landesregierung öffentliche Steuergelder ein. Nur soll das niemand merken.
 
Ein Schauplatz dieses Machtkampfes ist auch der Feldzug der italienischen Frächterlobby gegen die Nordtiroler Fahrverbote. Als Präsident der Handelskammer und Südtiroler Großindustrieller unterstützt Michl Ebner seit langem uneingeschränkt den Kampf der italienischen Frächtervereinigung ANITA gegen die Nordtiroler Landesregierung.
Landeshauptmann Arno Kompatscher hingegen stellt, sich offen hinter die Entscheidung der Nordtiroler Landesregierung die Gesundheit der eigenen Bürger vorrangig zu schützen.
Die Ironie der Geschichte: Während seine Zeitung dem Südtiroler Landeshauptmann vorwirft die Steuerschraube enger drehen zu wollen, ist es ausgerechnet Michl Ebner der für den Kreuzzug der Frächter öffentliche Steuergelder einsetzt. Nur soll das niemand merken.
 

Die Klage

 
Am 20. September 2021 lädt die Vereinigung der italienischen Handelskammern Unioncamere in Rom zu einer Onlinepressekonferenz. Auf der Pressekonferenz beklagen die Handelskammern, dass die Transitverbote und -einschränkungen in Nordtirol „diskriminierend“ sind und gegen die EU-Prinzipien des freien Warenverkehrs verstoßen. Der Präsident des Verbandes der italienischen Transporteure ANITA, der Südtiroler Fercam-Chef Thomas Baumgartner, fordert deshalb die sofortige Abschaffung des nächtlichen Fahrverbots.
Dann werden in Rom zwei Rechtsgutachten vorgestellt, die die Ansicht von Unioncamere stützen. Die Rechtsgutachten stammen vom Südtiroler Uni-Professor Peter Hilpold, der an der Universität Innsbruck Völkerrecht und Europarecht lehrt. Hilpold vertritt darin die These, man sollte mit einem Gang zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen Richterspruch zum nächtlichen Transitverbot einfordern.
 
 
 
Genau das passiert jetzt. Vergangene Woche geben die italienischen Frächterverbände ANITA, FAI und FEDIT per Aussendung bekannt, dass man Klage gegen die EU-Kommission wegen Untätigkeit gegenüber Österreich in der Frage der Tiroler Fahrverbote einzureichen werde. “Mit Blick auf die politische Untätigkeit bleibt ein rechtliches Vorgehen das einzig nützliche Instrument, um von der EU konkrete Antworten auf unsere Anträge bezüglich der Probleme auf der Brennerautobahn zu erzwingen”, begründet ANITA-Präsident Thomas Baumgartner diesen Schritt.
 

Die Rechtsgutachten

 
Kern dieser Klage sind dabei jene beiden Gutachten, die Unioncamere vor fünf Wochen in Rom vorstellt hat. Interessant dabei ist aber, wer die Arbeiten von Universitätsprofessor Peter Hilpold in Auftrag gegeben und bezahlt hat: Die Handelskammer Bozen.
Am 9. Oktober 2020 vergibt die Handelskammer eine „Beauftragung eines Experten zur Erstellung eines Rechtsgutachtens über die Vereinbarkeit des sektoralen Fahrverbotes in Tirol mit dem europäischen Recht“. Der Auftrag ergeht ohne Ausschreibung per Direktvergabe an Peter Hilpold. Kostenpunkt: 9.750 Euro. Hilpold sieht sich seit langem als ein fachlicher und auch politischer Gegenpart zum Innsbrucker Völkerrechtler Walter Obwexer, der immer wieder als Berater der Südtiroler Landesregierung tätig ist. So ist es kein Zufall, dass Hilpold in den vergangenen Jahren bezahlte Gutachten für die SAD AG oder für den Südtiroler Schützenbund bzw. der Südtiroler Freiheit gemacht und vorgestellt hat.
Sieben Monate später vergibt die Bozner Handelskammer einen zweiten Direktauftrag an Peter Hilpold. Auch diesmal streicht der Innsbrucker Uni-Professor ein Honorar von 9.750 Euro dafür ein. Der Betreff des Auftrages: „Auftrag für die Erstellung eines Rechtsgutachtens zur Kompatibilität des Tiroler Nachtfahrverbotes mit dem EU-Recht“.
 
 
Wie rührend sich die Bozner Handelskammer um dieses Anliegen kümmert, wird auch aus einem anderem Detail deutlich. Peter Hilpold fährt im September für die Onlinepressekonferenz persönlich nach Rom. Auch die Übernachtung des Gutachters und Innsbrucker Universitätsprofessors im „Hotel Flavia“ wird von der Handelskammer Bozen bezahlt.
 

Klage mit Steuergeldern?

 
Vor diesem Hintergrund stellen sich aber einige brisante Fragen.
Warum zahlt die Handelskammer Bozen diese Gutachten, die angeblich von der Unioncamere stammen? Weil Michl Ebner im Exekutivausschuss diese Vereinigung sitzt?
Die Handelskammer Bozen ist eine öffentliche Körperschaft, finanziert durch gesetzlich vorgeschriebene Kammerbeiträge und durch üppige Beiträge des Landes und der Region.
Wie kommt eine öffentliche Körperschaft dazu, Gutachten in Auftrag zu geben und zu bezahlen, die dann in die Klage einer Vereinigung privater Frächter einfließen? Europäische Transportriesen wie etwa das Unternehmen Fercam des ANITA-Präsidenten Thomas Baumgartner dürften durchaus die finanziellen Ressourcen haben, diese Ausgaben selbst zu stemmen.
Es ist völlig legitim, dass ein Wirtschaftszweig versucht seine Partikularinteressen durchzusetzen. Dass man aber öffentliche Steuergelder hernimmt und verdeckt einsetzt, um gegen die Tiroler Landesregierung vorzugehen, dürfte ein Novum in der sonst so gepriesenen Europaregion Tirol sein.
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Hartmuth Staffler Di., 26.10.2021 - 16:59

Während man sich weltweit Sorgen um das Klima macht, scheint es in Südtirol eine Mehrheit zu geben, die nur des Profit wegens auf den Klimawandel pfeift. Es handelt sich nicht nur um Einzelpersonen, die verständlicherweise ihren persönlichen Profit vor das Allgemeinwohl stellen wie dieser Thomas Baumartner oder Michl Ebner, sondern auch ganze Wählerscharen, die in Meran mit Hilfe der SVP einen Bürgermeister gewählt haben, der im Dienste der Wirtschaft (hier schließt sich wohl der Kreis) die Klimakatastrophe ignorieren will.

Di., 26.10.2021 - 16:59 Permalink